Gizeh und die erste Hochkultur
von unserem Gastautor Klaus Aschenbrenner
Verfolgt man die jahrelangen Diskussionen über das Alter der Bauwerke auf dem Gizehplateau, dann kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass sich die Mehrheit der Ägyptologen einem Dogma verschrieben hat: „Sämtliche Großbauten in Gizeh verdanken ihre Entstehung den Pharaonen der 4. Dynastie.“ Und dies, obwohl kein einziges schriftliches Zeugnis die betreffenden Herrscher als Schöpfer jener Monumente ausweist.
Insbesonders der Sphinx, der Sphinxtempel und der Taltempel des Chephren sind es, die auf Grund der extremen Erosionsspuren Zweifel aufkommen lassen. Hinzu kommt das gigantische Baumaterial: Rund 200 Tonnen schwere Kalksteinblöcke wurden in mehreren Lagen aufeinander getürmt, so als wäre es die Absicht jener Menschen gewesen, für die Ewigkeit zu bauen.
Hartnäckig wird auch gestritten, ob Wasser oder Wind für die extrem starke Verwitterung verantwortlich war. Da vor 8000 bis 7000 Jahren eine Trockenperiode begann, hätten die Bauwerke im Falle einer Wassererosion ihre Schäden bereits in der vorausgegangenen Feuchtphase erlitten. Auch wenn vielen Ägyptologen die Vorstellung von 10 000 Jahren alten Tempeln geradezu ungeheuerlich erscheinen mag, so sollte es eigentlich zu denken geben, dass Spezialisten wie Prof. Dr. Robert Schoch, J. Anthony West und andere kompetente Wissenschaftler ganz entschieden für eine Wassererosion plädieren. Vor allem sollten wir nicht den Sphinx in seinem heutigen stark restaurierten Zustand betrachten, sondern unrestauriert, wie ihn Fotografien aus dem 19. Jahrhundert zeigen. Beispielsweise auf dem obigen Foto (Abb. 1) aus dem Jahre 1858.
Selbst Sandstürme dürften nicht in der Lage sein, die erkennbaren Schäden zu verursachen. Vielmehr erscheint ein ganz anderes Szenario denkbar: Begünstigt durch die Gänge und Hohlräume im Untergrund hat ein schweres Erdbeben den Sphinxkörper in mehrere Teile zerbrechen lassen. Anschließend wurden durch anhaltende extreme Niederschläge die tiefen Furchen aus dem Kalkstein herausgelöst. Hierbei handelt es sich um keine vagen Vermutungen sondern um die verheerenden Folgen eines Impakts, das heißt des Einschlags eines Kometen oder Asteroiden. Dem Wissenschaftlerpaar Prof. Dr. Alexander Tollmann und Dr. Edith Kristan-Tollmann gelang es sogar, den Zeitpunkt dieser kosmischen Katastrophe zu ermitteln. Dabei halfen ihnen die Ergebnisse moderner Messverfahren, wie die Untersuchungen an Bohrkernen aus dem Grönlandeis. In diesen Bohrkernen lassen sich unter anderem Säureniederschläge nachweisen, die von starken Vulkanausbrüchen und kosmischen Impakten verursacht werden. So zeigte die Bohrprobe einige Säureanomalien, die von Vulkaneruptionen stammten. Ein Ereignis um 7600 v. Chr. übertraf jedoch sämtliche anderen um das Vielfache.
Zu diesem Zeitpunkt hatte es in Grönland einen Säureniederschlag von 412 kg pro Quadratkilometer gegeben, das heißt weltweit wurden mindestens 260 Millionen Tonnen Säure abgeschieden. Nachdem neben weiteren Befunden auch dendrologische Untersuchungen einen ungewöhnlich starken Anstieg des radioaktiven Kohlenstoffisotops 14 C ergaben, bestand kein Zweifel mehr, dass sich vor 9600 Jahren ein kosmischer Impakt mit gravierenden Folgen ereignet hat. Bei dem Einschlag entstanden riesige Mengen von Stickoxiden, die sich mit Wasserdampf zu Salpetersäure vereinigten. Anschließend kam es zu wochenlangen sintflutartigen, heißen Niederschlägen. Diese waren es, die den säureempfindlichen Kalkstein des Sphinx und der Tempel so in Mitleidenschaft zogen.
Da bei dem Sphinxtempel zahlreiche Riesenblöcke fehlen, dürfte er nie fertiggestellt worden sein. Dies könnte die Folge jener katastrophalen Geschehnisse sein. Desgleichen das Stilllegen der großen Tempelanlage von Göbekli Tepe in Anatolien. Dieses seit rund 11 000 v. Chr. existierende Großheiligtum wurde nämlich um 7500 v. Chr. aus ungeklärten Gründen zugeschüttet.
Inzwischen wurden in einem Umkreis von 150 Kilometern um Göbekli Tepe mehrere größere Siedlungen ausgegraben, die bereits seit dem 10. Jahrtausend v. Chr. bewohnt waren. Orte wie Nevali Cori, Cayönü oder Tell Qaramel mit seinen fünf Türmen, der ältesten bislang bekannten festen menschlichen Ansiedlung. Sie entstand, wie Altersdatierungen ergaben, um 9650 v. Chr.. Da zu diesem Zeitpunkt auch schon Getreideanbau und Viehzucht begonnen hatten, waren wesentliche materielle Voraussetzungen für das Entstehen jener frühen Hochkultur vorhanden, die ihre Monumentalbauten in Gizeh errichteten. Offen bleibt allerdings vorläufig die Frage, wo diese hochtechnische Zivilisation ihren eigentlichen Wohnsitz hatte.
Zwei Dinge könnten uns einen Hinweis geben. Erstens war der Nil für sie zweifellos eine viel genutzte Wasserstraße, zum anderen zeigt die menschliche Geschichte, dass die verschiedenen Kulturen viele ihrer Siedlungen als Hafenstädte an geeigneten Küstenstellen anlegten. Wir dürfen daher annehmen, dass die Gizehkultur nicht anders verfahren ist. Um 7600 v. Chr. lag der Meeresspiegel allerdings vierzig bis fünfzig Meter tiefer als heute. Dies bedeutet, wenn wir mehr über jene frühe Zivilisation erfahren wollen, dann müssen wir als erstes in dieser Meerestiefe vor der Küste Ägyptens nach Siedlungsspuren suchen. Später vielleicht auch im Bereich um die Inseln Sardinien, Sizilien und Malta.
Ein weiteres umstrittenes Rätsel stellen die gewaltigen zum Teil 60 Tonnen schweren Quader aus Rosengranit dar, mit denen der Taltempel des Chefren und die Königskammer der [ Cheopspyramide] ausgekleidet und das Osireion in Abydos errichtet wurde. In der 4. Dynastie standen den Steinmetzen nur Kupferwerkzeuge zur Verfügung, die weicher als Granit sind. Wie konnten sie mit derartigen Gerätschaften in den über 900 Kilometer entfernten Assuansteinbrüchen die Granitblöcke brechen und deren Oberfläche anschließend passgenau bearbeiten?
Um einer Antwort auf diese Fragen näher zu kommen, bietet sich inzwischen den Ägyptologen eine ausgezeichnete Gelegenheit. Sie haben jetzt die Möglichkeit, ihre Altersdatierungen mit exakten Messergebnissen zu untermauern. Seit einigen Jahren steht nämlich eine neue zuverlässige Untersuchungsmethode bereit, mit der sich der Zeitpunkt bestimmen lässt, an dem Gestein wie Granit in Bauwerke eingefügt wurde. Dieses Verfahren zur Altersbestimmung trägt die Bezeichnung „Optisch stimulierte Lumineszenz“ (OSL). Seine Entwicklung und Erprobung verdankt diese Methode Prof. Dr. Günther Wagner und seinen Mitarbeitern vom Lumineszenzlabor des Geographischen Instituts der Universität Heidelberg.
Beleuchtet man Feldspatkristalle eines Gesteins, das längere Zeit im Dunkeln lag, mit infrarotem Licht, so tritt ein Lumineszenzleuchten auf. Dieses ist umso intensiver je länger die Gesteinsoberfläche der Dunkelheit ausgesetzt war. Wichtig ist bei diesem Verfahren, dass während der Probeentnahme und dem Transport ins Labor kein Licht auf die Gesteinsprobe einwirkt, da in diesem Fall das Messergebnis verfälscht würde. Ein Test an Steinsäulen In Troja erbrachte eine ausgezeichnete Altersübereinstimmungen mit den bisherigen Werten. In der Atacama Wüste konnte man inzwischen das Alter von Scharrbildern genau ermitteln: 2000 Jahre mit einer Ungenauigkeit von 50 Jahren. Da nur ganz geringe Probemengen bei diesem Messverfahren benötigt werden, ließen sich diese mittels einer feinen unauffälligen Kernbohrung an den Berührungsflächen zwischen den Granitblöcken des Taltempels und der Königskammer entnehmen. Ebenso aus dem Untergrund der großen Pfeiler im Osireion. Auf diesem Wege ist es möglich, das exakte Entstehungsalter der Monumente zu bestimmen und damit die jahrelangen unergiebigen Diskussionen zu beenden. Hoffen wir, dass die Öffentlichkeit nicht allzu lang auf eine Durchführung dieser Untersuchungen und eine Bekanntgabe der Befunde warten muss!
Anmerkungen und Quellen
Dieser Beitrag von Klaus Aschenbrenner (© 2011) wurde seinen Webseiten klaus-aschenbrenner.de entnommen. Bei Atlantisforschung.de erscheint dieser Aufsatz (4/2012) in einer redaktionell bearbeiteten - mit internen und externen Verlinkungen versehenen - Fassung. Zu den Verlinkungen mit Wikipedia-Seiten itte auch unseren folgenden Beitrag beachten: Ceterum censeo Wikipediam esse modificandam (...und im übrigen bin ich der Meinung, dass Wikipedia verändert werden muss)
Bild-Quelle
(1) Klaus Aschenbrenner, unter: Gizeh und die erste Hochkultur