Herbert Edward Forrest: The Atlantean Continent (1933)

Eine übersichtliche Präsentation des Buches und seines Inhalts

von Ferdinand Speidel

Dieses Buch [1], das 1933 publiziert wurde, dürfte am Ende der Schaffenszeit von Herbert Edward Forrest gestanden haben, denn seine erste Veröffentlichung erfolgte 1880 unter dem Titel „On a rare British entomostracon, Ilyocryptus sordicus“ (Krustentiere).

Forrest war Zoologe und vertrat – wie viele andere seiner damaligen Kollegen – die Auffassung, dass die Verbreitung einer bestimmten Flora und Fauna nur durch eine frühere Landbrücke zwischen Eurasien und Nordamerika erklärbar war. Nachdem sich in der Geologie die These der Plattentektonik durchgesetzt hatte, wandten sich die meisten Biologen dieser neuen Ausrichtung zu. Eine solche Landbrückentheorie ist auch der zentrale Punkt des „Atlantean Continent“ von H. E. Forrest.


Zur Entstehung des Buches

Das Entstehen seines Buches beschreibt er wie folgt: “Die >Geburt< dieses Buches war ganz unerwartet. Ich bin ein Zoologe und kein Geologe. Viele Jahre suchte ich nach einer Erklärung für die außergewöhnliche Diskrepanz zwischen der Fauna Großbritanniens und Irlands. Von 64 Spezies von Säugern fehlen 32 in Irland. Warum?

Abb. 1 Dr. Robert Francis Scharff (1858-1934)

Die übliche Erklärung – die letzteren erreichten England vom Kontinent her, nachdem Irland zur Insel geworden war – beantwortet die Frage nur bis zu einem gewissen Punkt. Aber Dr. Scharff (Abb. 1) [2] belegt, dass viele Pflanzenarten usw., die man in Irland, besonders im Westen, findet, in England unbekannt sind. Und nicht nur das, einige Spezies, die es in Nordamerika und in Irland gibt, sind in England unbekannt. Darüber hinaus werden sowohl in Europa als auch in Nordamerika viele identische Süßwasserspezies, Fische, Krustentiere und Wasserpflanzen, gefunden.

Dieser Spur folgend stellte ich fest, dass eine große Zahl ähnlicher Fakten nur durch einen früheren Kontinent, der Europa und Nordamerika verband (Abb. 2), erklärt werden konnte. Als ich mich auf die Suche begab, hatte ich nicht die geringste Idee, dass ein Atlantischer Kontinent nicht nur die Verbreitung von Spezies, sondern auch die >Große Eiszeit< erklären würde. Ich kann durchaus verstehen, dass Geologen dieser Hypothese ungläubig gegenüberstehen, auch mir ging es so. Aber je mehr ich den Gedanken verfolgte, desto klarer wurde, dass der Atlantische Kontinent etwas sehr Reales war.

Forrest befasst sich an keiner Stelle seines Buches mit dem Platonischen Atlantis, sondern ausschließlich mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über Veränderungen, die durch die Eiszeit verursacht wurden. Sein Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf den Britischen Inseln, aber auch Skandinavien und Nordeuropa sowie Grönland und Nordamerika werden beachtet.

Seine zusammenfassende Darstellung der „Großen Eiszeit“ sieht wie folgt aus:


Präglaziale Zeit

Im Miozän und Pliozän (vor ca. 23 Mio. bis vor ca. 2 Mio. Jahren): Anhebung der „Atlantischen Alpen“ (Ein von Grönland über Island und Spitzbergen bis nach Skandinavien reichendes Gebirge)


Glazial oder Eiszeit

Im Pleistozän (beginnend vor ca. 2 Mio., nach neuester Auslegung vor 2,6 Mio. Jahren)

Abb. 2 Kartographische Darstellung von Herbert Edward Forrests Atlantis im Nordatlantik (aus: The Atlantean Continent, 1933)
  • Phase 1: (Skandinavien) Vereisung der Ostküste (Britanniens) von den Shetlands bis nach Norfolk, durch eine Eisdecke, die sich von Spitzbergen über Skandinavien von Nordost nach Südwest bewegte. (Diese Vereisung legt Forrest in die Zeit des Steinzeitmenschen des Chelléen, später Acheuléen genannt, beginnend vor 1,75 bis vor 150.000 Jahren).
  • Phase 2: (Atlantische Vereisung) Eine Eisdecke schiebt sich von den „Atlantischen Alpen“ von Nordwesten nach Südosten und vereist das gesamte Nordwesteuropa.
  • Phase 3: Hochland-Gletscher (im Schottischen Hochland) lenkt die Eisdecke in der Irischen See von Südost nach Süd und Südwest. Die Anhebung von Skandinavien lenkt die Eisdecke der Nordsee von Südost nach Süd.


Postglazial

Die Eisdecke (im Nordwesten) zerbricht am Wyville-Thomson-Rücken und zerfällt. Weitere Anhebung Skandinaviens und Bildung von Fjorden. Parallel dazu gibt es alpine Vereisungen.

Für die in Phase 1 und 2 beschriebenen Eisdecken sieht Forrest die Notwendigkeit von Landmassen, von der sie ausgehen können. Sie mussten die folgenden Bedingungen erfüllen:

1 – Sie mussten von kontinentalem Ausmaß gewesen sein
2 – Sie mussten durchgängige Landmassen gewesen sein, höchstens mit seichtem Wasser
3 – In Phase 2 musste eine Neigung von Nordwest nach Südost bestanden haben
4 – Die größte Erhöhung musste weit über 3.000 Fuß, 1.000 m, betragen haben.

Zwischen einer Eisdecke (einer flächendeckenden Eisschicht) und der Gletscherbildung in Gebirgen sieht Forrest einen bedeutenden Unterschied. Die Eisdecke „fließt“ über weite Strecken, vorausgesetzt sie erhält von einer entsprechend großen Höhe (Gebirge) die notwendige Schubkraft, und führt dabei großflächig Gestein und Geröll mit sich. Der Gebirgsgletscher dagegen wirkt sich lediglich im Bereich „seines“ Tales aus.

Bei der Eisdecke hebt Forrest besonders den Punkt 2 hervor, denn sie hat nur dann Schubkraft, wenn sie durch ein Gefälle über Land geschoben wird. Würde sie über lange Strecken in tiefes Wasser geraten, würde sie schwimmen, ihre Schubkraft verlieren und gar zerbrechen.

Abb. 3 Ein Satelliten-Foto der Färöer-Inseln, die nach Forrest Bestandteil einer Landbrücke zwischen Europa und Nordamerika waren (Foto: NASA)

Während der Phase 2 müssen die Britischen Inseln daher nach NW hin über Rockall, die Färöer, Island und Grönland durch eine Landbrücke verbunden gewesen sein, das bedeutet, das Gebiet muss zu jener Zeit 6.000 bis 12.000 Fuß (1.800 bis 3.600 m) höher gelegen sein.

Für einen solchen Zustand sprechen viele biologische und geologische Fakten. Die Verbreitung von Flora und Fauna mit vielen Ähnlichkeiten zwischen Europa und Nordamerika lassen sogar eine Ausbreitung einer solchen Landmasse in gemäßigtere Breiten notwendig erscheinen. Dazu wäre eine Erhöhung des Meeresbodens nach Süden sogar um 12.000 Fuß notwendig. Island, Spitzbergen, die Färöer und Rockall wären demnach die Reste der „Atlantischen Alpen“, nach Süden hin erstreckten sich weite Ebenen. [3]

Seine These sieht Forrest durch die Kontinentalschelfe auf beiden Seiten des Atlantiks bestätigt. Sie zeigten, dass der „Atlantische Kontinent“ in zwei Phasen um jeweils knapp 2.000 m absank, was durch den Verlauf der Flusstäler beiderseits an den Schelfen bestätigt wird. Die Wissenschaft betrachtet Fjorde und Canyons als Ergebnis der Erosion durch Wassermassen. Forrest argumentiert dagegen, dass Erosion durch Flüsse keine derart steilen, zum Teil fast senkrechten Wände hinterlässt, sondern flache Betten. Die Ursache von Fjorden und Canyons sind jedoch Anhebungen der Erdkruste, durch die Risse in dieser Form entstanden.

Eine weitere Bestätigung sind die Bermudas, die etwa 3.600 m vom Meeresboden aufsteigen und dereinst ebenso hoch über das Wasser ragten. Es gab ein allmähliches Absinken, was an den Korallenriffen zu erkennen sei. Diese Absenkung setze sich bis heute weiter fort.

Es werden weitere Zeitgenossen mit ihren Aussagen zitiert:

  • Mr. Lamplugh, bemerkte, das die Insel Man durch aufwärts fließendes Eis von NNW her vereist war, aber in dieser Richtung ist kein hohes Land.
Abb. 4 Prof. Archibald Geikie (1835-1924)
  • Auch in der Arktis ist das Absinken erkennbar. Prof. Archibald Geikie (Abb. 4) erwähnt in einem Bericht über >Yoldia-Lehm< der Ostsee: >Prof. Brögger stellte die Anwesenheit von Seichtwasserfauna aus dem Yoldia-Lehm in großen Tiefen im norwegischen Meer fest, und er meint, dass dies auf die Wahrscheinlichkeit hinweist, dass das Land zur Zeit der großen Eisschicht mindestens 2.600 m höher war als jetzt.<

Schließlich kommt auch Charles Lyell zu Wort, der sich auf Prof. Heer bezog:

  • Prof. Heer prüfte Sammlungen fossiler Pflanzen von Nordgrönland, Island, Spitzbergen, die aus dem Miozän und einem milden Klima stammen. Ein Drittel der Pflanzen sind identisch mit solchen aus dem miozänen Europa. Erstaunlich dabei ist, dass die Hälfte der Pflanzen Bäume sind, und heute gibt es dort keine Bäume mehr. Das Gleiche trifft auch auf Spitzbergen zu. In Europa fand man viele Pflanzen aus dem Miozän, die es heute noch in Nordamerika gibt. Prof. Heer stellte die These auf, dass diese Anwesenheit nur durch eine Landbrücke im Atlantik erklärbar sei.
Abb. 5 Der Wyville-Thomson-Rücken zwischen den Färöern und Schottland

Forrests Betrachtung der „Atlantischen Alpen“ ergibt folgendes Bild: Dem nördlich von Irland liegenden Felsen Rockall, der heute nur etwa 20 m aus dem Meer emporragt, kommt eine wichtige Rolle zu. Zur Zeit des „Atlantischen Kontinents“ war er mit 2.700 m die Spitze eines zu den Faröer ausgerichteten Gebirgszuges. Die Faröer-Inseln standen auf einer großen Plattform und ragten bis zu 4.200 m über den Meeresspiegel. Die von Island heran geschobene Eisdecke wurde durch das Tal zwischen Faröer und Rockall nach Südwesten gezwungen, wo es die Britischen Inseln erreichte.

Das Plateau der weiter nördlich gelegenen Insel Island ist heute etwa 600 m hoch, über das Berge bis 1.500 m, der höchste davon sogar fast 2.000 m, ansteigen. Island stand während der Eiszeit etwa 3.600 m höher und verursachte die Vereisung. Ähnlich ist die Situation von Grönland, das steil aus dem Meer hochsteigt; besonders ausgeprägt ist dies im Osten, wo Berge Höhen um 2.000 m erreichen, der höchste sogar 3.300 m. Während der Eiszeit stand Grönland noch höher, wohl auch höher als Island. Die Neigung der Insel nach Westen ließ die Eisdecke dorthin abfließen und war damit die Ursache der Vereisung Nordamerikas.


Der Wyville-Thomson-Rücken

Eine ganz besondere Bedeutung misst Forrest dem Wyville-Thomson-Rücken (Abb. 5) zu, einer etwa 200 km lange Schwelle unter dem Meeresspiegel, die sich von WNW nach OSO zwischen den Färöern und Schottland erstreckt. Forrest ist der Meinung, dass durch die Absenkung dort eine tiefere Stelle entstand, in der die Eisdecke einsank und zerbrach. Durch den Abbruch der Schubkraft konnte sie sich nicht weiter ausdehnen, was das Ende der Eiszeit bedeutete.

Dieses Ende geschah, wie Forrest mehrfach versichert, durch die bekannten irdischen Kräfte über lange Zeiträume.


Erdrutsche und Erdbeben

Am Rande sei noch eine recht interessante und wenig bekannte Tatsache erwähnt, über die Forrest in einem Kapitel über Erdrutsche und Erdbeben entlang großer Gräben berichtet.

Abb. 6 Zeitgenössische Darstellung des großen Erdbebens von Lissabon im Jahr 1755

Er beschreibt dabei auch das große Erdbeben von Lissabon 1755. (Abb. 6) Dabei zog sich zunächst das Meer zurück, bevor dann ein Tsunami heranrollte. Das Erdbeben war von Nordafrika bis nach Frankreich zu spüren. Ungewöhnlich waren auch Auswirkungen auf Inlandsgewässer; in Italien und der Schweiz waren Seen in Bewegung, ebenso in Britannien, Schweden und Norwegen. Im schottischen Loch Lomond, nördlich von Glasgow, stieg das Wasser um 1,3 m und fiel dann wieder zurück, ein Vorgang, der sich innerhalb von neunzig Minuten alle zehn Minuten wiederholte.

Forrest brachte in seinem Buch zum Ausdruck, was viele Naturwissenschaftler, vor allem Biologen, seiner Zeit dachten. Der Gedanke der Landbrücken zur Erklärung des Vorkommens von Flora und Fauna blieb prägend, bis sich in den 1960er Jahren in der Geologie die These der Plattentektonik durchsetzte. Sie gestattete den Biologen die gesuchte Erklärung, dadurch verloren die verschiedenen Landbrückentheorien an Bedeutung.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Ferdinand Speidel wurde von ihm für Atlantisforschung.de verfasst und hier am 2. März 2015 veröffentlicht.

Fußnoten:

  1. Siehe: Herbert Edward Forrest, "The Atlantean Continent: Its Bearing Upon the Great Ice Age and the Distribution of Species, London, 1933
  2. Red. Anmerkung: Dr. Robert Francis Scharff (1858-1934) war ein irischer Zoologe, der ebenfalls Argumente für die Landbücken-Theorie lieferte. Der französische Geologe Pierre Marie Termier zog diese Argumente 1913 in seinem Plädoyer "L’Atlantide" für ein 'Atlantis im Atlantik' heran, und auch William Henry Babcock erwähnte Scharffs Arbeit 1922 kurz in seinem berühmten Essay "Atlantis".
  3. Anmerkung des Verfassers (F.S.): An diesem Punkt stellt sich mir die Frage, was war die Kraft, die viele Findlinge Norddeutschlands zu ihrem jetzigen Ruheplatz beförderte. Zum Beispiel gibt es in Rahden-Tonnenheide, bei Detmold, im Nordosten Nordrhein-Westfalens den „Großen Stein von Tonnenheide“. Er ist 10 m lang, 7 m breit und 3 m hoch und hat ein Gewicht von 350 Tonnen. Auf Grund der geologischen Bestimmung stammt dieser Fels aus der schwedischen Provinz Blekinge län, das etwa 615 km nordöstlich von Tonnenheide liegt. Die Provinz liegt an der Ostseeküste und weist keine Erhebung auf, die diesen Schub verursacht haben könnte. Ähnlich liegt der Fall des „Alten Schweden“, einem 220 t schweren Felsbrocken bei Övelgönne bei Hamburg, der ebenfalls aus Südschweden, Smaland, stammt. Es gibt weitere Beispiele.

Bild-Quellen:

1) Smirkybec bei Wikimedia Commons, unter: File:Robert Francis Scharff.jpg
2) ADVANCEDHUMANOID, "MAP OF THE ATLANTEAN CONTINENT", 16.05.2010, bei YouTube (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) Jacques Descloitres, MODIS Rapid Response Team, NASA/GSFC / Arne List bei Wikimedia Commons, unter: File:Faroes030417-nasa(2).jpg
4) Materialscientist bei Wikimedia Commons, unter: File:Portrait of Archibald Geikie.jpg
5) Mikenorton bei Wikimedia Commons, unter: File:Wyville-Thomson Ridge Location map.png
6) Chris 73 und Before My Ken bei Wikimedia Commons, unter: File:1755 Lisbon earthquake.jpg