Poseidon's Paradise - The Romance of Atlantis

Version vom 19. Mai 2019, 14:15 Uhr von BB (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Zur Erinnerung an Elizabeth G. Birkmaier, eine Pionierin der Atlantis-Fantasyliteratur, und an ihren Roman aus dem Jahr 1892

"It was thousands of years before the Christian era - how many thousands no chronicler has stated. And the island lay, as through the ages past, fair and imperial in the Atlantic. Though now was it becoming wanton, even to its undoing. Else would not this be written." (Poseidon's Paradise, Kap. 1)

Abb. 1 Das Titelblatt von Elizabeth G. Birkmaiers Roman "Poseidon's Paradise" nebst einer - von Ignatius Donnelly entlehnten und nur leicht modifizierten - Karte von Atlantis

(bb) Es ist immer wieder bitter feststellen zu müssen, dass überaus talentierten, ja herausragenden AutorInnen zu Lebzeiten nicht die Würdigung zuteil wurde und wird, die sie eigentlich verdient hätten. Die Amerikanerin Elizabeth G. Birkmaier (Abb. 2), über deren Leben wir kaum mehr wissen als die Angaben, dass sie im März 1847 in Baltimore, Maryland, zur Welt kam und im Dezember 1912 an einem unbekannten Ort verstarb [1], ist eine solche Autorin. Zumindest erfahren wir von einem zeitgenössischen Rezensenten ihres einzigen bekannt gewordenen Werks, "Poseidon's Paradise" [2] (Abb. 1), dass sie damals in Kalifornien lebte, wo sie in Alameda ihr "charmantes Zuhause" hatte, und dass sie dort "in Bildungs-Keisen [orig.: "educational circles"; d.Ü.] wohlbekannt" war. [3] Zudem ist erstaunlicherweise sogar ein Foto von ihr (Abb. 2) erhalten geblieben, das jemand seinerzeit in ein handsigniertes Exemplar ihres Romans eingeklebt hat, welches später in den Bestand der University of California überging, inzwischen digitalisiert wurde und jetzt bei Archive.org frei abrufbar ist.

Abb. 2 Elizabeth G. Birkmaier (1847-1912). Die lange vergessene Autorin von "Poseidon's Paradise" erhält gegenwärtig doch noch eine späte Würdigung.

Ansonsten können wir nur noch feststellen, dass Mrs. Birkmaier eine ungemein belesene Frau gewesen sein muss, wie ihr Roman deutlich zeigt, bei dem es sich um ihr Erstlingswerk handelte, das besagter Rezensent anno 1892 in den allerhöchsten Tönen lobte und konstatierte, es hebe sich eindeutg von der Masse seinerzeitiger belletristischer Literatur ab: "Obwohl es das erste Produkt einer neuen Autorin ist, weist dieses Werk keine der Unausgereiftheiten eines Erstlings-Romans auf. Vielmehr zeigt es den Schliff und die Gewandtheit der Hand einer Praktikerin.

Es ist ein gediegenes und gelehrsames Werk, das mit Kopf und Schultern aus dem Durchschnitt hervorragt. Es hat eine dramatische Handlung, ohne reißerisch zu sein; es ist emotional, ohne dabei rührselig zu werden, und sein Tonfall weist oft Leichtigkeit, aber keine Oberflächlichkeit auf. [...] In dieser Zeit der billigen literarischen Holterdiepolter-Arbeiten ist es erfrischend, zumindest eine sorgfältige und gewissenhafte Autorin zu finden." [4]

Was Elizabeth G. Birkmaier betrifft, so erwies sie sich in der Tat als eine höchst beachtliche Autorin, die sowohl ihr Handwerkszeug als Schrifstellerin als auch den von ihr gewählten Stoff souverän beherrschte. Ihre literarische Adaption des Atlantisberichts - die weitgehend die von ihr erfundene Geschichte von Hellen und Æole ist, den beiden Kindern des pelasgischen Heerführers Deucalion, die während des Krieges zwischen ihrem Volk und den Atlantiern in die Hände des feindlichen Herrschers Atlano fallen, nach Atlantis verschleppt werden und erst beim Untergang der Insel von dort flüchten können - lehnt sich elegant sowohl an Platons Vorgaben als auch an die Sagenwelt der Alten Griechen an:

Abb. 3 Einer der beiden ebenso phantasievollen wie akribisch gestalteten Grundrisse atlantidscher Paläste, die in E.G. Birkmaiers Atlantis-Roman als Illustrationen zur Orientierungshilfe der Leser/innen mitgeliefert werden.

"Die historische Basis des Romans, die ihn wie ein Grundmotiv durchläuft, wird außerordentlich gut gehandhabt. Die Faktentreue ist offensichtlich. Es muss [von der Autorin] eine beachtliche Forschung - ein eingehendes Durchforsten staubiger alter Bücherregale - unternommen worden sein, um all die hübschen Einzelheiten und Nebenumstände einer weitgehend spekulativen und mehr oder weniger mythologischen Historie mit Akkuratesse in die Kett- und Schussfäden der Geschichte einzuweben. Dies ist die Methode, die von Bulwer entwickelt wurde, und die Autorin von >Poseidon's Paradise< ist darin gleichermaßen begabt. Nicht ein Punkt wurde von ihr ausgelassen, welcher geeignet ist, der Geschichte Exzellenz zu verleihen. Die Beschreibungen der Szenerie, der Kostüme, persönlicher Gruppenbildungen, der Baulichkeiten, der Gemächer sowie Ähnlichem sind umfassend und schimmernd, und die [im Buch enthaltenen] Pläne der Atlantier-Paläste (Abb. 3) könnten von einem Architekten gezeichnet worden sein." [5]

Abb. 4 Ignatius Loyola Donnelly (1831-1901) löste mit seinem spektakulären Bestseller "Atlantis: The Antediluvian World" im späten 19 Jahrhundert einen regelrechten 'Atlantis-Hype' aus und beeinflusste auch Elizabeth G. Birkmaier maßgeblich bei der Abfassung ihres Romans.

Um Elizabeth G. Birkmaiers Roman zudem in seinen zeit- und kulturgeschichtlichen Rahmen einordnen zu können, sollte man nicht vergessen, dass er während der Phase des zweiten großen Atlantis-Hypes entstand, der sich nach der 1882 erfolgten Veröffentlichung von Ignatius Donnellys sensationellem Buch "Atlantis: The Antediluvian World" entwickelte. Auch ihr Werk ist maßgeblich von Donnelly beeinflusst. Vor diesem Hintergrund ist auch der namentlich unbekannte Birkmaier-Rezensent aus dem Jahr 1892 zu verstehen, wenn er erklärt: "Es liegt eine gewisse Faszination in der vermuteten Existenz eines Kontinents vor der südwestlichen Küste Europas in prähistorischer Zeit, und Philosophen, Archäologen und Romanciers haben alle etwas dazu zu sagen, von den achtsamen Platonischen Erzählungen bis hin zum ergötzlichen Adelantado of the Seven Cities von Washington Irving. Es ist ein fruchtbares Feld für Mutmaßungen, Forschung und Fiktion. [...] In diesen kolumbischen Tagen ist die Publikation eines Werkes der Historical fiction über die Insel Atlantis eine Angelegenheit von mehr als gewöhnlichem Interesse. >Poseidon's Paradise< ist somit ein außerordentlich zeitgemäßes Ferien-Buch und sollte sich gut verkaufen." [6]

Trotz der hohen handwerklichen Qualität des Werkes und des damaligen massiven Interesses an Atlantis-Literatur traf diese Prognose des Rezensenten leider nicht zu. "Poseidon's Paradise" wurde damals keineswegs ein besonderer Erfolg, erlebte augenscheinlich nicht einmal eine zweite Auflage und seine Autorin verfasste - soweit bisher feststellbar - nachfolgend auch keine weiteren Bücher mehr. Wir können nur mutmaßen, dass dieser Misserfolg am Büchermarkt damit zu tun hatte, dass ihr Roman für den Massengeschmack zu 'zahm' war, denn er wartet weder mit Beschreibungen von Schlachtgetümmeln und heroischen Duellen auf, noch findet sich in diesem viktorianisch-sittsamen Werk hinsichtlich der darin angedeuteten amourösen Beziehungen auch nur der allerleiseste Hauch von Erotik. Auch das bereits zu ihrer Zeit antiquierte Englisch, das E.G. Birkmaier ihren Charakteren bewusst als Stilmttel 'in den Mund legte', und das ihrem Roman aus heutiger Sicht einen ganz besonderen Charme verleiht, mag damals auf Durchschnitts-LeserInnen eher befremdlich gewirkt haben.

Letztlich dauerte es dann bis zum Jahr 2010, bis die Autorin und ihr längst vergessener Roman mit einer ersten Neuausgabe von "Poseidon's Paradise" [7] (Abb. 5), der 2012 [8] und 2015 [9] weitere folgten, gewissermaßen zu späten Ehren gelangten. Da die Originalausgabe zudem im Internet frei abrufbar ist, darf davon ausgegangen werden, dass ihr Werk heute weitaus mehr Leser/innen findet als zu ihren Lebzeiten. Und diesen zumindest posthumen Erfolg hat Elizabeth G. Birkmaier nach Ansicht des Verfassers auch redlich verdient. Immerhin ist ihr in literaturgeschichtlicher Hinsicht das Prädikat zuzusprechen, mit besagtem Roman eine der wesentlichen Vorläufer-AutorInnen - wenn nicht sogar schlechthin die Ahnherrin - der späteren VerfasserInnen von Atlantis-Fantasyliteratur geworden zu sein.



Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

Abb. 5 Das Front-Cover der Neuausgabe (2010) von Elizabeth G. Birkmaiers Atlantis-Roman bei Kessinger Publishing
  1. Quelle: o.A., "Birkmaier, Elizabeth G", bei The Encyclopedia of Science Fiction (SFE) (abgerufen: 19. Mai 2017)
  2. Siehe: E.G. Birkmaier, "Poseidon's Paradise - The Romance of Atlantis", San Francisco (Clemens Publishing Company), 1892, 305 Seiten
  3. Quelle: o.A., "Poseidon's Paradise, The Romance of Atlantis" (Rezension; Rubrik: "RECENT PUBLICATIONS."), 30. Oktober 1892, in: The Morning Call (San Francisco), S. 12; nach: CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers, unter The morning call., October 30, 1892, Page 12, Image 12
  4. Quelle: ebd.
  5. Quelle: ebd.
  6. Quelle: ebd.
  7. Siehe: Elizabeth G. Birkmaier, "Poseidon's Paradise - The Romance of Atlantis", Kessinger Publishing (Kessinger Publishing's Legacy Reprint Series), 2010
  8. Siehe: Elizabeth G. Birkmaier, "Poseidon's Paradise - The Romance of Atlantis", Hardpress Publishing, 2012
  9. Siehe: Elizabeth G. Birkmaier, "Poseidon's Paradise - The Romance of Atlantis", FORGOTTEN BOOKS, 2015

Bild-Quellen:

1) Archive.org, unter: Poseidon's paradise : the romance of Atlantis (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) ebd., S. 4 (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) ebd., S. 101 (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
4) Alphaios~commonswiki bei Wikimedia Commons, unter: File:Ignatius-Donnelly.jpg
5) Kessinger Publishing / Bild-Archiv Atlantisforschung.de