Neo-Katastrophismus

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Abb. 1 Kosmologische 'Trigger' für irdische Kataklysmen spielen bei der Theorienbildung im Neo-Katastrophismus eine zentrale Rolle. (Bild: Chris Jones)

(bb) Unter der Bezeichnung Neo-Katastrophismus lassen sich alle modernen wissenschaftlichen sowie grenzwissenschaftlichen Ideen, Modelle und Konzepte zusammenfassen, welche die besondere Bedeutung katastrophischer Ereignisse (sowohl regional als auch global wirksame Kataklysmen) für die Entwicklung des Sonnensystems, der Erde und aller auf ihr existierenden Lebensformen (einschließlich des Menschen und seiner Kulturen) hervorheben. Eingeführt wurde dieser Terminus vermutlich 1937 von dem sowjetischen Geo-Tektoniker Nikolay Syergyeyevich Shatskiy (Abb. 2) zur Bezeichnung eines zeitgenössischen Trends in der geologischen Forschung der damaligen UdSSR. [1]

Als wissenschafts- und ideengeschichtliches Phänomen stellt der Neo-Katastrophismus quasi eine 'Renaissance' ("Wiedergeburt") des klassischen (historischen) Katastrophismus dar, der bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein als Paradigma bzw. Leitidee aller naturgeschichtlichen Disziplinen galt, bevor er durch die Konzepte des Aktualismus / Uniformitarismus / Gradualismus verdrängt wurde. Diese letztlich ideologischen (und somit unwissenschaftlichen), von dem Wissenschaftskritiker Georg Menting ironisch als "Allmählichismus" bezeichneten Konzepte, 'modellierten' die irrige Vorstellung, dass es in der Erd- und Naturgeschichte ausschließlich graduelle, also sehr langsame, in - aus dem Blickwinkel des Menschen - unmerklich kleinen Schritten verlaufende, Entwicklungprozesse gegeben habe.

Abb. 2 Der sowjetische Geologe Nikolay Syergyeyevich Shatskiy führte vermutlich den Begriff 'neocatastrophism' 1937 ein.

Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts härteten diese doktrinären Vorstellungen zu einem veritablen, den Erkenntnisprozess in den Naturgeschichts-Wissenschaften und vor allem in der Geologie nachhaltig blockierenden Dogma aus. "Von nun an musste", wie es der Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich formulierte, "jeder Geologe, der publizieren wollte, seinen Kotau vor dieser Ideologie machen." [2]

Tatsächlich war es etwa einhundert Jahre lang für Fachwissenschaftler der vom Aktualismus 'überwältigten' Disziplinen völlig unmöglich, von der 'Parteilinie' des Lyellismus [3] abzuweichen, ohne ihre Reputation zu riskieren, und in der Konsequenz waren es zunächst wissenschaftliche "Außenseiter", die unter Rückgriff auf den klassischen Katastrophismus alternative Modelle konzipierten.

Einer der ersten dieser "Häretiker" außerhalb des fachwissenschaftlichen 'Elfenbeinturms' war der österreichische Ingenieur Hanns Hörbiger (1860-1931) der 1913 gemeisam mit seinem Schüler Philipp Fauth (1867-1941) in einem voluminösen Werk [4] eine explizit katastrophistische Kosmologie präsentierte. In seiner - heute in zentralen Aussagen weitgehend konsensual als widerlegt geltenden - so genannten "Welteislehre" transponierte Hörbiger den alten geologischen Streit zwischen Plutonismus und Neptunismus quasi auf eine kosmologische Ebene und beschrieb das Universum als eine Art Perpetuum Mobile, in dem ein ewiger Streit zwischen den Kräften von "Feuer und Eis" stattfindet. In Bezug auf die Erdgeschichte lieferte er mit seinem Modell serieller Mond-Einfänge und -Stürze erstmals ein, wenn auch letztlich unhaltbares, Konzept zur Erklärung des putativ zyklischen Charakters kataklysmischer Ereignisse.

Eine objektive Kritik der Welteislehre wird durch die Tatsache erschwert, dass sie spätestens nach Hörbigers Tod zu einer weltanschaulichen zu 'mutieren' begann und von aufkommenden Nationalsozialismus

Bei einem ernsthaften und kritischen, aber vorurteilsfreien, Studium des Hörbiger´schen Hauptwerks wird jedenfalls schnell klar, dass es sich dabei keineswegs um ein ideologisches Machwerk oder um "Pseudowissenschaft" handelt, sondern um eine durchaus interessante, höchst komplexe interdisziplinär-wissenschaftliche Studie, deren Ergebnisse allerdings in vielen wesentlichen Punkten vor dem Hintergrund jüngerer Erkenntnisse nicht bestehen können und zu verwerfen sind. In einzelnen Details - z.B. bei der Identifikation der Mondkrater als Impaktspuren - waren die Repräsentanten der WEL sogar weitaus fortschrittlicher als die Vertreter der zeitgenössischen Schulbuch-Astronomie.

Abb. 3

Ebenfalls

Etwa zur selben Zeit, als Velikovsky mit seinen aufrührerischen Ideen den Aktualismus als Doktrin universitärer Forschung quasi 'von außen' unter Beschuss zu nehmen begann, wagten auch innerhalb des 'Real existierenden Wissenschaftsbetriebs' die ersten Zweifler, Kritik an dieser 'allein selig machenden Lehre' zu äußern. Dort waren es gerade Paläontologen, die ihre Augen nicht länger vor der Tatsache verschließen konnten, dass die Übergänge zwischen einigen geologischen Perioden, namentlich jene der Perm/Trias- und Kreide/Tertiär-Grenzen, schlichtweg viel zu abrupt erfolgt sein mussten, um sich im Rahmen gradueller Veränderungen erklären zu lassen.

Dazu heißt etwa bei Prof. Trevor Palmer: "Im Jahr 1954 schlug der deutsche Paläontologe Otto Schindewolf (1896-1972) vor, dass massenhafte Ausrottungen [der Tier und Pflanzenwelt] durch Wellen kosmischer Strahlung verursacht worden seien, die aus nahen Supernova-Explosionen resultierten. Die selbe Ansicht wurde 1957 von den sowietischen Wissenschaftlern V. I. Krasovskiy und I. S. Shklovskiy vertreten, 1961 von dem Deutschen H. Liniger, und 1971 von den Kanadiern D. A. Russell und W. Tucker. Eine ähnliche Auffassung brachten 1960 auch F. M. Dyssa und Kollegen vor, wobei der Unterschied darin bestand, dass letztere der Meinung waren, die Wellen tödlicher Strahlung könnten durch starken Vulkanismus verursacht worden sein [24][7]." [5]

Abb. 4


Anmerkungen und Quellen

  1. Siehe: Shatskiy, N. S., "On neocatastrophism: A contribution to the problem of organic phases and on folding", vermutl. in: Sov. Geol., 7, S. 532-551, 1937a. (erwähnt bei: AI Suvorov, "Nikolay Syergyeyevich Shatskiy and the present time (in commemoration of his centennial birthday)", Geotectonics, Juli/August 1995, englischsprachige Übersetzung in: Geotectonics, Vol.29/No.4, Feb. 1996); nach: The Velikovsky Encyclopedia, Stichwort: Neocatastrophism
  2. Quelle: Horst Friedrich, "Jahrhundertirrtum Eiszeit", Hohenpreißenberg, 2006 (2. Auflage), S. 51
  3. Anmerkung: Analog zum Begriff des "Darwinismus" gebildet, bezeichet der Ausdruck "Lyellismus" einen zur Ideologie verkommenen Umgang mit den Ideen Charles Lyells (1797-1875), und insbesondere eine kritiklose Akzeptanz des von ihm postulierten Konzepts des Aktualismus bzw. Uniformitarianismus.
  4. Siehe: Philipp Fauth (Herausg.), "Hörbigers Glazial-Kosmogonie: eine neue Entwicklungsgeschichte des Weltalls und des Sonnensystems auf Grund der Erkenntnis des Widererstreites eines kosmischen Neptunismus mit einem ebenso universellen Plutonismus, nach den neuesten Ergebnissen sämtlicher exakter Forschungszweige bearbeitet", R. Voigtländer, 1913
  5. Quelle: Trevor Palmer, "Challenges to Evolutionary Gradualism", Catastrophism, Neocatastrophism and Evolution, (1993) Nottingham Trent University ISBN 0 905488 20 2, Society for Interdisciplinary Studies ISBN 0 9514307 1 8 (nach: The Velikovsky Encyclopedia, Stichwort: Neocatastrophism)


Bild-Quelle

(1) Chris Jones, "Xenexian Cataclysm", unter: http://www.scifi-meshes.com/forums/2d-gallery/63790-backdrops-renders.html (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)

(2) AI Suvorov, "Nikolay Syergyeyevich Shatskiy and the present time (in commemoration of his centennial birthday)", Geotectonics, July-August 1995; nach: The Velikovsky Encyclopedia, Stichwort: Neocatastrophism

(3) The Velikovsky Encyclopedia, Stichwort: Immanuel Velikovsky

(4) Dietrich Herm, Alexander Tollmann 27.6.1928 - 8.8.2007 (PDF-File, 35,54 KB)