Bilau´s Atlantis-Modell hat keinen ario-atlantistischen Charakter

Abb. 1 Blonde und blauäugige Kulturbringer aus dem Norden, wie sie ario-atlantistische Autoren propagierten, werden wir in Kurt Bilau´s Atlantida-Rezeption vergeblich suchen. Seine Atlantier kamen aus dem Westen und hatten eine 'rote' Hautfarbe.

(bb) Diese Kernthese unserer voraus gegangenen Betrachtung findet volle Bestätigung. So bemerkte Bilau z.B. in seinem Buch zu den vermeintlichen Ursprüngen der Menschheitskultur im hohen Norden: "Selbst wenn wir die kühnsten Hoffnungen der Wirth-Anhänger gelten lassen und annehmen, daß die ältesten nordischen Kultsymbole bis 6000 v. Chr. zurückreichen (die germanischen Sprachen sind sogar erst etwa 1500 v. Chr. entstanden), so ist das kein Alter gegenüber einer Kultur, die mit Sicherheit 9500 v. Chr. hochentwickelt im Sonnentore von Tihuanacu (Kalasasaya) ausklang." [1] (Vergl. dazu: Die Kultur des roten Gürtels von Peru bis Babel von Kurt Bilau)

Allerdings übernimmt Bilau von Wirth den Terminus "weißer Keil", und stellt dazu fest: "Der Ausdruck scheint treffend, denn die Nordleute haben sich wie ein weißer Keil in die Kultur des roten Gürtels hineingezwängt. Es mag sein, daß die Nordländer sittlich höherstanden und infolge des harten Nordklimas körperlich tüchtiger waren als die uralte und bereits dekadent gewordene rote Rasse." [2] Bilau´s vermutete Mutter-Kultur lag, um es noch einmal zu betonen, nicht im Norden, sondern im Westen: "Wenn auch der Satz ex oriente lux falsch ist, so ist doch der veränderte Satz ex occidente lux - aus dem fernen Westen kam einst die Kultur – unbedingt richtig." [3]

Wäre Bilau, für den der 'Rassebegriff' bei seiner Argumentation von durchaus wesentlicher Bedeutung war, tatsächlich ein 'praktizierender' Antisemit gewesen, so hätte ihm gerade seine ausführliche Beschäftigung mit den "Offenbarungen" Daniels und Johannis, die einen Hauptaspekt seines kleinen Atlantis-Buches darstellt, reichlich Gelegenheiten zu antijüdischen Tiraden gegeben. Tatsächlich werden die Juden bzw. das Judentum dort mehrfach erwähnt, aber es findet sich in diesem Zusammenhang lediglich eine beiläufige Kritik des jüdischen Gottesbildes, die ebenso von einem katholischen Theologen der Gegenwart stammen könnte. (Vergl. dazu: Der Mondeinfangsbericht nach Daniel und Johannes sowie Die Offenbarungen Johannis von Kurt Bilau)

Auch unsere weitere Feststellung, Bilau´s Betonung nicht-"arischer" Kultur-Beiträge zur Zivilisations-Geschichte der Menschheit sei mit der NS-Ideologie und dem Ario-Atlantismus grundsätzlich unvereinbar, findet sich in seiner Atlantis-Publikation von 1935 bestätigt. Antisemitisches Stammtisch-Vokabular, wie wir es zumindest in einem Fall [4] im politischen Kontext ("Polnische Judenschmiererei") in den erhalten gebliebenen, spärlichen Resten seiner umfangreichen Privat-Korrespondenz entdeckt haben, wird man in seinem später erschienenen Atlantis-Buch vergeblich suchen.

Zudem fehlte dem 'Flügelmajor' der antichristliche (bzw. anti-römische) Impuls [5], der den völkisch-rechtsextremen Ario-Atlantismus ebenfalls kennzeichnet. "Die Offenbarungen Johannis" ist auch in dieser Beziehung unverdächtig. Bilau´s bereits erwähnter Antagonismus zum zivilisations-geschichtlichen Paradigma des ex oriente lux wurde, wie sich auch in seinem Buch zeigt, nicht aus den trüben Quellen nordistischer Ariertümelei gespeist, sondern aus einer legitimen, alternativ-historischen Betrachtung atlantischer (geographisch den Kultur-Großraum des Atlantik betreffender) Ur- und Frühgeschichte.

Immerhin scheint Bilau bei seiner Atlantis-Theorie zumindest in einem Punkt Konzessionen an den sich etablierenden staatlichen Rassismus und Antisemitismus gemacht zu haben: während er 1933 als Vortrags-Redner noch annahm, bei den (semitischen!) Phöniziern habe es sich um späte Nachfahren der Atlantis-Bewohner gehandelt [6], ist 1935 in seinem Buch davon nicht mehr die Rede, sondern er stellt sogar kategorisch fest, die von ihm vermuteten rothäutigen Atlantier seien k e i n e Semiten gewesen (S. 57).


Fortsetzung

Bilau als Atlantida-Exeget (bb)


Anmerkungen und Quellen

  1. Quelle: Kurt Bilau, "Die Offenbarungen Johannis - Ein Mondniederbruch vor 11 400 Jahren", Luken und Luken, Berlin, 1935, S. 48
  2. Quelle: ebd., S. 47
  3. Quelle: ebd., S. 49
  4. Siehe: Fotokopie eines Briefes von K. Bilau an den Müller Eckardt, datiert auf den 29. Dez. 1931, aus dem Nachlass von Kurt Bilau, Archiv Uwe Karstens, Ascheberg; vergl. dazu: Kurt Bilau: Der 'Flügelmajor' und Atlantis von Bernhard Beier, Teil II, Kurt Bilau´s Beschäftigung mit Atlantis, der Nationalsozialismus und der Ario-Atlantismus
  5. Anmerkung: Als zutiefst autoritär geprägtem Menschen war dem Artillerie-Offizier im Ruhestand Kritik an Institutionen wie Staat und Kirche anscheinend völlig wesensfremd.
  6. Siehe: Anonymus, "Atlantiskultur von Peru bis Babel", Hallesche Nachrichten, 16.September 1933


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