Geo-Mythologie

Abb. 1 Dorothy B. Vitaliano (1916-2008) prägte 1968 den Begriff 'Geo-Mythologie'.

(red) Als Geo-Mythologie (auch: Geomythologie) werden das Studium und die Erforschung (möglicher) mythologischer Hinweise auf geologische Ereignisse bezeichnet. Es handelt sich bei der Geo-Mythologie also um eine - im ursprünglichen Wortsinn - grenzwissenschaftliche Interdisziplin. Geprägt wurde dieser Begriff (Englisch: Geomythology) 1968 von Dorothy B. Vitaliano (1916-2008) (Abb. 1), die als Geologin an der Indiana University, USA, tätig war, und sich im übrigen vehement gegen die Möglichkeit aussprach, Atlantis könne im Atlantik existiert haben.

Abb. 2 Das Front-Cover von "Myth and Geology" aus dem Jahr 2007 - einem 'Meilenstein' in der Geschichte der Geo-Mythologie

Bei L. Piccardi heißt es: "Geomythologie kennzeichnet alle Fälle, in welchen bezüglich des Ursprungs von Mythen und Legenden gezeigt werden kann, dass sie Anspielungen auf geologische Phänomene und Aspekte, weiter gefasst auch astronomische (Kometen, Eklipsen, meteorische Impakte, etc.) [1], beinhalten. Wie Vitaliano (1973) angibt, [umfassen Mythen] >im Wesentlichen [...] zwei Arten geologischer Folklore, [nämlich] jene, in der irgendeine geologische Erscheinung oder das Vorkommen irgendeines geologischen Phänomens eine folkloristische Erklärung inspiriert haben, und jene, welche eine verrzerrte Erklärung bestimmter tatsächlicher geologischer Ereignisse, üblicherweise von Naturkatastrophen, darstellen<." [2]

Die Grundidee der Geo-Mythologie besteht also darin, dass mündliche Überlieferungen zu bedeutenden Ereignissen in der Natur ihren Ausdruck in einer mythologischen Ausformung finden können, und dass Mythen und Legenden somit genuines Wissen über die Natur enthalten können, welches auf sorgfältiger Beobachtung physikalischer Evidenzen beruht.

Geo-Mythologen gehen also davon aus, dass durch die entsprechende Auswertung von Mythengut auch wertvolle Informationen über Erdbeben, Tsunamis, Überschwemmungen, Impaktereignisse, Vulkanausbrüche, Entdeckungen von Fossilien, etc. in der Vergangenheit zu gewinnen sind, die der Wissenschaft ansonsten unbekannt bleiben würden, oder nur schwer aufzuspüren wären.

Somit sind solche mythischen Schilderungen von ätiologisch ausdeutbaren Erzählungen zu unterscheiden, die sich auf geologische Erscheinungen beziehen, ohne wirklich etwas mit deren Ausbildung zu tun zu haben. Als Beispiel führt die englischsprachige Wikipedia dazu die indianische Legende von einem riesigen Bären an, der ein Pärchen verfolgte, das gerettet wurde, weil sich der Boden unter ihren Füßen zu heben begann, sodass die Klauen des Bären lediglich furchenartige Kratzspuren an den Flanken der Hebung hinterließen, die heute als Devils Tower, Wyoming, bekannt ist.

Im August 2004 hielt der 32. Internationale Geologische Kongress im italienischen Florenz eine Sitzung zum Thema "Myth and Geology" [3] ab, was später (2007) zur Veröffentlichung der ersten, durch Peer-Review überprüften, wissenschaftlicher Papiere zu diesem Thema führte. Diese nachfolgend erfolgte Publikation des von Luigi Piccardi und William Bruce Masse herausgegebenen Werkes ("Myth and Geology", Abb. 2) im Jahr 2007 trug zu einem regelrechten "Entwicklungs-Schub" der Geo-Mythologie bei. [4]


Literatur zu diesem Thema

  • Hamacher, D.W. and Norris, R.P., 2009. "Australian Aboriginal Geomythology: eyewitness accounts of cosmic impacts?", Archaeoastronomy, Vol 22, pp. 60-93.
  • Mayor, A., 2000. "The First Fossil Hunters: Paleontology in Greek and Roman Times." Princeton University Press.
  • Mayor, A. 2005. "Fossil Legends of the First Americans." Princeton University Press.
  • Piccardi, L. and Masse, W. B., eds. 2007. "Myth and Geology." London: Geological Society
  • Vitaliano, D. B., 1968, Geomythology, Journal of the Folklore Institute, Vol. 5, No. 1 (June 1968), p. 11.
  • Vitaliano, D.B., 1973, Legends of the Earth: Bloomington, Indiana University Press, 305 p.


Geo-Mythologie und Atlantisforschung


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag basiert auf einer, durch uns redaktionell bearbeiteten und ergänzten, Übersetzung des englischsprachigen Artikels "Geomythology" bei Wikipedia - The Free Encyclopedia, Stand: 18.08.2011.

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Vergl. dazu auch: Astro-Mythologie
  2. Quelle: Piccardi, L.: "Preface" in Myth and Geology. Geological Society, London, Special Publications 273, 2007 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach: "Geomythology" bei Wikipedia - The Free Encyclopedia, Stand: 18.08.2011.
  3. Siehe: "A Legendary Session: Myth and Geology", 32nd IGC Informs (nicht mehr online)
  4. Quelle: Tony O’Connell, "Masse, William Bruce", 20. März 2011, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 04. April 2018)

Bild-Quellen:

1) Atlantipedia.ie, unter: "Vitaliano, Dorothy B."
2) The Geological Society of London (Books Editorial Committee) / Bild-Archiv Atlantisforschung.de