Der 'Metcalf Stone' und das Volk der Yuchi

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Indizien für die bronzezeitliche Präsenz von Kreto-Minoern in Nordamerika

Abb. 1 Der nach seinem Finder benannte 'Metcalf Stone' aus Georgia

(red) Im September 1966 stieß Manfred Metcalf, ein Zivilangestellter der Militärbasis Fort Banning in Georgia, auf der Suche nach geeigneten Steinen zum Bau eines Grills auf eine kleine, aber höchst sonderbare Steintafel mit eingravierten Symbolen. Als begeisterter Hobbyarchäologe und Antiquitätensammer erkannte Metcalf sofort, dass er es hier mit etwas ganz Besonderem zu tun hatte, und er übergab den Stein zur wissenschaftlichen Auswertung an den Anthropologen Dr. Joseph Mahan, der als Kurator am Columbus Museum tätig war.

Als er den Metcalf Stone in Händen hielt, fiel Dr. Mahan sofort die Ähnlichkeit der darauf befindlichen Symbole mit minoischen Schriftzeichen, aber auch mit Mustern auf prähistorischem amerindem Töpfergut aus Georgia auf - und das war, wie man so schön sagt, 'Wasser auf die Mühlen' des Anthropologen. Joseph Mahan, seinerzeit die führende Autorität für die Erforschung der Yuchi-Indianer, war seit langem in einen Gelehrtenstreit involviert, bei dem es um die Urprünge dieses Volkes ging, das sich in verschiedener Hinsicht - z.B. was seine urtümliche Sprache betrifft, die mit keiner anderen linguistischen Gruppe der Amerinden verwandt ist - deutlich von anderen indianischen Nationen unterscheidet.

Abb. 2 Künstlerische Darstellung einer historischen Siedlung der Yuchi in Georgia

Während die meisten seiner Kollegen, dem isolationistischen Paradigma folgend, die 'rein amerikanische' Herkunft der Yuchi für selbstverständlich hielten, gingen Mahan und einige seiner Kollegen davon aus, dass auch Einflüsse aus der Alten Welt bei der Genese dieses Volkes eine Rolle gespielt hatten. "Wir haben schon lange vermutet, dass die religiösen Zeremonien der Yuchi durch frühe mediterrane Religionen beeinflusst waren", erklärte er. Sie "haben eine Überlieferung, dass ihre Vorfahren ursprünglich im Gefolge einer großen Naturkatastrophe in Schiffen vom Osten her kamen". Die von Dr. Mahan auf Grundlage seiner Studien entwickelte Theorie besagte, dass die Yuchi "möglicherweise Abkömmlinge des alten Volkes der Minoer sind, einer mediterranen Zivilisation, die während der Bronzezeit aufblühte. Eine kleine Kaste oder Grupppe [...] könnte die Kenntnis der Schrift für lange Zeit bewahrt haben." [1]

Als gestandener Wissenschaftler war Joseph Mahan jedenfalls umsichtig genug, sich nicht von seiner Begeisterung für Metcalfs Fundstück zu vorschnellen Schlüssen hinreißen zu lassen. So entschied er, das Spezimen zunächst durch einen unabhängigen Experten überprüfen zu lassen.

Abb. 3 Prof. Cyrus Herzl Gordon trug wesentlich zur Identifizierung der Glyphen auf dem Metcalf Stone bei.

Seine Wahl fiel auf Dr. Cyrus H. Gordon (Abb. 3) (1909-2001), den Leiter der Fakultät für mediterrane Studien an der renommierten Brandeis University in Waltham, Massachusetts. Gordon war nicht nur ein anerkannter Experte für Altorientalistik und altertümliche Schriften, sondern auch ein bekannter Verfechter der diffusionistischen Vorstellung weit präkolumbischer transatlantischer Kontakte zwischen Alter und Neuer Welt. Es war also nicht zu befürchten, dass er das Fundstück quasi 'aus Prinzip' ablehnen würde.

Tatsächlich fiel Gordons Expertise eindeutig aus: "Nachdem ich die Inschrift studiert hatte, war es für mich offenkundig, dass es Affinitäten der Schrift mit dem ägäischen Syllabarium gab, dessen zwei bekannteste Formen das minoische Linear A, und das mykenische Linear B sind." Und unter Verweis auf andere vergleichbare Funde fügte er hinzu: "Wir haben es daher [mit] amerikanischen Inschriften-Verbindungen mit der Ägäis des Bronzezeitalters in der Nähe der Süd-, West- und Nordküsten des Golfs von Mexiko zu tun. Dies kann schwerlich ein Zufall sein; altertümliche ägäische Inschriften in der Nähe dreier unterschiedlicher Sektoren des Golfs spiegeln eine bronzezeitliche transatlantische Kommunikation zwischen dem Mittelmeer-Raum und der Neuen Welt etwa zur Mitte des zweiten Millenniums v.Chr. wider" [2]

Weitere Unterstützung lieferte Mahan auch Prof. Stanislav Segert (1921-2005), seinerzeit Inhaber des Lehrstuhls für semitische Sprachen an der Karls-Universität Prag, den Prof. Gordon um eine 'dritte Meinung' ersucht hatte: Der tschechische Experte identifizierte die Glyphen auf dem Stein ebenfalls als minoisch, und auch er ordnete die Schriftzeichen dem zweiten Millennium v.d.Z. zu. [3]

Als problematisch erwies sich allerdings die Übersetzung des Textes auf dem Metcalf Stone, wozu Gordon anmerkte: "Ich habe nicht unterstellt, dass wir diesen Stein lesen können. Der Text ist nicht in minoischer Sprache - wir sind uns nicht sicher, um welche Sprache es sich handelt." Minoische Buchstaben seien zur Niederschrift von Texten in unterschiedlichen Sprachen verwendbar gewesen, so wie heute auch lateinische Buchstaben benutzt werden, um Schriften in ganz verschiedenen Sprachen abzufassen. [4]


Externa


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

Bild-Quellen: