Wissenschaft, Euronarzißmus und Personenkult

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von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich

Abb. 1 Hier Michelangelos Darstellung des selbstverliebten Jünglings Narziss aus der griechischen Mythologie, dem Namensgeber des Narzissmus. Auch unsere Schulwissenschaft leidet heute neben ihrem Hang zur Neo-Scholastik an einer Form dieser 'Krankheit', dem Euronarzissmus, mit dem sich Dr. Horst Friedrich in diesem Essay befasst.

Kein ehrlicher Kenner der Materie wird leugnen wollen, daß in unserer derzeitigen Establishment-Wissenschaft sich häufig auch Aspekte und Strömungen manifestieren, die sich durchaus als eine Art neue Scholastik oder Neo-Scholastik charakterisieren lassen.

Es soll damit auf die Scholastik des Spätmittelalters und der Frührenaissance angespielt sein, die erst ab etwa 1600 von der "Scienza nuova" des beginnenden Barockzeitalters endgültig verdrängt wurde. Unerfreulicherweise begann allerdings der Ungeist der Scholastik bald wiederum, auch die "Scienza nuova" zu unterwandern. Dieser Ungeist laßt sich zunächst einmal als eine quasi-ideologische Dogmengläubigkeit charakterisieren. Die Scholastik stellte ja ein Amalgam aus christlichen Dogmen und aristotelischer (peripatetischer) Wissenschaft dar, und sie unterstand der Fuchtel der römischen Papstkirche, die in weltanschaulichen Dingen keinen Spaß verstand. Das Jahr 1600 hat in dieser Hinsicht übrigens geradezu Symbolcharakter. einerseits wurde da Giordano Bruno noch auf dem Scheiterhaufen der Inquisition verbrannt, andererseits trat die "Scienza nuova" quasi mit einem Paukenschlag auf die Bühne, nämlich mit William Gilberts "De Magnete" [1].

Typisch für den Ungeist der Scholastik waren aber noch zwei weitere Merkmale, die auch ein kennzeichnendes Merkmal noch unserer zeitgenössischen Schulwissenschaft darstellen, und die ich mit den Worten Euronarzißmus und Personenkult charakterisieren möchte. Ich weiß nicht, ob der Begriff "Euronarzißmus" schon vor mir von jemand in die Diskussion gebracht wurde, und muß deshalb erklären, was ich damit meine. Unter Narzißmus versteht man ja eine Art von pathologischem Nur-auf-sich-selbst-bezogen-Sein, daß man Interesse und bewundernde Eigenliebe nur für sich selbst hat. Dementsprechend soll hier unter (wissenschaft1ichem) Euronarzißmus jene Geisteshaltung verstanden sein, in der man Interesse und bewundernde Eigenliebe ausschließlich für die westliche Schulwissenschaft hat, alles nur vom derzeitigen (se1bstreden völlig ephemeren) schulnaturwissenschaftlichen Weltbild her sieht.

Da die im Europa des Barockzeitalters entstandene Version von Wissenschaft sich seither weltweit ausgebreitet hat, müßte man korrekterweise eigentlich vom westlichen, wissenschaftlichen Narzißmus sprechen. Der Kürze und der schlagwortartigen Einprägsamkeit halber soll es aber hier bei dem Wort "Euronarzißmus" bleiben.

Nur vor diesem euronarzißtischen Hintergrund ist beispielsweise der aberwitzige Tatbestand erklärlich, daß Freud seine Psychologie und seine "epochemachende Lehre" von der Psychoanalyse dem erstaunten Abendland präsentieren konnte, als sei er der Erfinder jeglicher Psychologie, und von Bewußtseinstechniken und Trauma-Aufarbeitung. Selbstredend spielte hier auch der Per6onenkult-Faktor mit, auf den noch zurückzukommen sein wird. So angefeindet er ursprünglich wurde, bald war die Freudtsche Psychologie und Psychoanalyse für Europa, und generell den Westen, eine epochemachende Erfindung der westlichen Wissenschaft, als hatte es nicht in Indien schon längst eine der Freudschen mutmaßlich weit überlegene, buddhistische Psychologie gegeben. Aber erst heute beginnen die mit Freud total unzufriedenen neuen Pioniere der westlichen Psychologie, als "Transpersonale Psychologie", sich dieser östlichen Tradition zuzuwenden. Nur vor diesem euronarzißtischen Hintergrund ist auch die Tatsache erklärbar, daß uns die westliche Schulnaturwissenschaft, etwa in Gestalt ihres Physik-Nobelpreis-Trägers Murray Gell-Mann [2], noch immer ein simplistisch materialistisches Weltbild zu "verkaufen" versucht, als hatte nicht die östliche Tradition (Advaita-Vedanta, Buddhismus, Taoismus) schon langst scharfsinnig nachgewiesen, daß die "Substanz", aus der das Universum gemacht ist, Bewußtsein ist, so daß mit einem materialistischen Weltbild man niemals zu einem Verständnis dessen, was "Leben" ist, gelangen kann. Abar, wie gesagt, für außereuropäisches, oder nicht-westliches Denken besteht eben kein Interesse: "bewundernde Eigenliebe nur für sich selbst'"!

Noch immer verharrt (abgesehen von ein paar, von der "majority opinion" abgelehnten Pionieren) unsere Schulnaturwissenschaft beim schon längst überholten Weltbild der "Aufklärung" des 18. Jahrhunderts und der - wissenschaftsphilosophisch haltlosen - "Positivismus"-Doktrin, und diffamiert besagte östliche Traditionen, ebenso wie Alchemie und Schamanismus, als unwissenschaftliches, unserer Zeit nicht mehr angemessenes "magische Weltbild".

Warum, zum Donnerwetter, ist man versucht zu fragen, kann denn unsere Schulnaturwissenschaft sich nicht (wie es sich bei wahrer Wissenschaftlichkeit gehörte) mit Vertretern jener Traditionen zusammensetzen und versuchen, der8n unbestreitbares Erfahrungswissen ihrem, dann natürlich zu erweiternden, Weltbild zu integrieren? Schließlich sollte sie keine Ideologie oder Glaubensgemeinschaft sein, die ihre Dogmen nicht abändern kann.

Es dürfte an diesen Beispielen deutlich geworden sein, wie sehr diese Art von wissenschaftlichem Euronarzißmus die Weiterentwicklung unserer Wissenschaften behindert und verlangsamt.

Würde sich unsere Establishment-Wissenschaft dem befruchtenden Einfluß der östlichen Traditionen, einschließlich der indo-tibetischen und chinesischen Alchemie-Tradition, und der Schamanismus-Tradition bereitwilliger öffnen, müßte nämlich eine wahre Wissensexplosion die unausweichliche Folge sein!

Aber eben vor diesem Sich-Öffnen hat die Establishment-Wissenschaft die größte Scheu, vermutlich sogar Angst. Das versteht man. Die besagten Traditionen zusammengenommen stehen ja gerade für jenes "magische Weltbild" (ein Weltbild, in dem Bewußtsein Vorrang vor der Materie hat), daß man so lange diffamiert hatte.

Nun zum Personenkult! Genauer gesagt, ist hier damit jenes eigenartige Charakteristikum der westlichen Kultur gemeint, daß wir ständig ganze Weltbilder, ganze Weltanschauungssysteme sofort als bare Münze nehmen, die genaugenommen nur dem Kopf eines einzigen Mannes entsprungen sind. Für die Scholastik war das Aristoteles gewesen. Von Freud und seiner Psychologie und Psychoanalyse war bereits die Rede. Heute wird immer mehr erkannt, daß er in wesentlichen Punkten eine Irrlehre verkündet hatte [3]. Im Alleingang setzte Darwin den Darwinismus in die Welt. Nachdem er zunächst zu einer Art von (materia1istischer) Offenbarungsreligion hochstilisiert worden war, und auch heute noch die "Mainstream"-Wissenschaft so tut, als handele es sich um eine seriöse Option, ist der Darwinismus inzwischen von kompetenter Seite definitiv als wissenschaftliche Irrlehre (im Grunde "Pseudowissenschaft") entlarvt worden [4].

Marx setzte den "wissenschaftlichen" Marxismus in die Welt, der jedoch eher Ideologie in der Maskerade von Wissenschaftlichkeit war. China behauptet zwar heute noch, diesem "Glaubensbekenntnis" anzugehören, aber wer sonst (abgesehen von ein paar doktrinären "Sozialisten") nimmt heute den Marxismus noch ernst? Der Marx‘sche "Kommunismus" hat jedenfalls in der Praxis auf allen Ebenen versagt: wirtschaftlich, er hat die Menschen einer der tyrannischsten Staatsdoktrinen unterworfen, ihnen das "Brot" jeglicher Spiritualitat geraubt und dafür die "Steine" eines geistig-seelisch tötenden Materialismus "verkauft". Der vom großen Cuvier in seinem DISCOURS SUR LES REVOLUTIONS DE LA SURFACE DU GLOBE (1812) festgeschriebene Katastrophismus war schon vor Cuvier und noch fast bis zu dessen Tode die geologische Leitdoktrin gewesen, der eine große Zahl überaus kompetenter Gelehrter aufgrund ihrer Beobachtungen in der Natur anhingen. Erst nach 1830 wurde der Katastrophismus durch den von Lyell propagierten (pseudowissenschaftlichen, aber zeitbedingten) "Aktualismus" verdrängt, wonach auf unserem Planeten stets nur die vergleichsweise harmlosen Kräfte am Werk waren, wie wir sie heute beobachten. Auch hier wieder einem Einzelnen wird erlaubt, ein ganzes Weltbild zu kreieren! Und diese haltlose Doktrin (obwohl immer wieder von Außenseitern wie Hörbiger oder Velikowsky attackiert) kann sich 150 Jahre halten, an den Universitäten und geologischen Landesämtern. Erst seit 1993 predigt der bekannte Wiener Geologe Alexander Tollmann wieder die Rückkehr zum Katastrophismus (bisher allerdings, ohne in der "Mainstream"-Geologie auf Gehör zu stoßen).

Es mögen diese Beispiele genügen. Im übrigen finden wir das "Personenkult"-Phänomen nicht nur in der Schulwissenschaft. In der außeruniversitaren Wissenschaft könnte man Hörbiger mit seiner "Welteislehre" (der zweifellos große Anregungskraft innewohnte) oder den charismatischen Propheten des Neo-Katastrophismus Velikowsky nennen. Aber dies fand in einer kleineren Größenordnung statt.

Wir sollten uns nicht tauschen lassen durch den Umstand, daß während der letzten 200 Jahre zunehmend eine Erfindung die andere jagte: eine Unzahl neuartiger Apparate und Maschinen, elektrisches Licht, Taschenlampe, immer modernere Autos und Flugzeuge, Radio und Fernsehen, die Atombombe, U-Boote, Computer, Eisenbahnen, Mondlandung, und wer weiß was nicht noch alles. Das könnte nämlich den Eindruck erwecken, daß unsere Wissenschaften, speziell die Naturwissenschaft (der solche Technologien ja zu danken sind), in rasendem Tempo voranschreiten.

Im Grundsätzlichen schreiten unsere Wissenschaften jedoch in vielen Bereichen in einem wahren Schneckentempo voran. Dies liegt primär an einigen wenigen Abbrems-Faktoren, die im Extremfall im Grundsätzlichen ganze Wissenschaftsbereiche, wie wir gesehen haben (Geologie, Evolutionslehre), für Zeiträume bis zu 150 Jahren stagnieren lassen können. Zwei dieser Abbrems-Faktoren wurden (neben quasi-ideologische Dogmengläubigkeit) hier beschrieben.


Anmerkungen und Quellen

Copyright © by Giordano Bruno Gesellschaft, Dr. Horst Friedrich und DIVOMA-Soft. Dort erstmal online unter: Die andere Meinung Die Neuveröffentlichung im Dr Horst Friedrich Archiv bei 'Atlantisforschung.de erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autors.

Fußnoten:

  1. Siehe: William Gilbert: "De Magnete, magneticisque corboribus, et de magno magnete tellure; physiologia nova", London 1600 Alle Wissenschaftler jener Zeit unterlagen einer intensiven wechselseitigen Verbindung und Beeinflussung. So übten etwa Bruno und Gilbert nachweislich Einfluß auf Kepler und Descartes aus. Gilbert und Frau Paolo Sarpi standen in Briefwechsel.
  2. Siehe: Murray Gell-Mann: "Das Quark und der Jaguar", München 1994. Obwohl der Autor die hochstilisierte "Chaos-Theorie" nur am Rande nennt, handelt sein Buch ausschließlich von ihr. Die "Chaos-Theorie" scheint aus allen möglichen Versatzstücken zusammengebastelt worden zu sein, um das schul-naturwissenschaftliche, materialistische Weltbild noch eine gewisse Zeit "verkaufen" zu können.
  3. Siehe: Charles T. Tart: Transpersonale Psychologie", Olten/freiburg 1975
  4. Siehe hierzu etwa Joachim Illies: "Der Jahrhundert-Irrtum", Frankfurt/Main 1983, und Oskar Kuhn: " Die Abstammungslehre – tatsachen und Deutung", Krailling b. München 1965

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