Die zwergenhaften Skelette von der Sequim Bay, Washington (1892)

Abb. 1 Hier die Titelseite der Ausgabe vom 30. Januar 1892 des Sea Coast Echo aus Mississippi, in der über die Funde bei Port Williams berichtet wurde

(bb) Neben der These der Existenz präkolumbischen Riesen in Nordamerika stellt auch die Annahme dort einstmals lebender Zwerge bzw. Pygmäen für Fachwissenschaftler traditionell einen 'Stein des Anstoßes' dar [1], mithin ein Thema, um dessen vorurteilsfreie und ergebnisoffene Erforschung in der Academia seit eh und je ein weiter Bogen gemacht wird. So besteht man in diesen Kreisen z.B. hartnäckig darauf, es habe im Gebiet der heutigen USA keine 'Pygmäenfriedhöfe' gegeben, wie sie in Berichten aus dem 19. Jahrhundert mehrfach erwähnt wurden. Dabei wird schlichtweg vorausgesetzt, dass auf einem solchen Gräberfeld aussschließlich 'Pygmäen' bestattet zu sein hätten - und so etwas hat man in den USA tatsächlich noch nicht gefunden bzw. archäologisch nachweisen können.

Allerdings legen sowohl indianische Sagen und Legenden [2] als auch die historische Fundberichte [3], z.B. aus Tennessee, die Möglichkeit nahe, dass es bisweilen zu soziokultureller Interaktion zwischen 'normalgroßen' Amerinden und ihren vermuteten kleinwüchsigen 'Vettern' kam, in deren Folge kleinere Gruppen nordamerikanischer Pygmäen oder einzelne Individuen auf alten Indianerfriedhöfen mitbestattet wurden.

Abb. 2 Diese Zeichnung eines im späten 19. Jahrhundert in Europa montierten Zwergen-Skeletts mit übergroßem Kopf dürfte zumindest in etwa zur Illustration des Zwergenfundes an der Sequim Bay geeignet sein, wobei das Cranium des dortigen Spezimens allerdings noch größer war.

In diese Richtung weist auch der nachfolgend vorgestellte, 1892 erschienene Bericht der Wochenzeitung The Sea Coast Echo (Abb. 1) aus Bay St. Louis, Mississippi, der offenbar in weiten Teilen der Vereinigten Staaten Verbreitung fand [4], und in welchem ein "kurioser" Indianerfriedhof an der Pazifikküste des Staates Washington beschrieben wird. Dort heißt es unter Berufung auf die Berichterstattung der Zeitung Port Townsend Leader:

"Zu den kuriosen Dingen an dieser Küste gehört ein seltsames indianisches Gräberfeld in der Nähe der Sequim Bay, etwa eine Meile von Port Williams entfernt, wo die Gebeine von ganzen 500 Kindern des Waldes der Gnade von Würmern und Bussarden überlassen wurden. Die große Zahl bleichender Knochen, die über mehrere Morgen verstreut sind, würden das Vorhandensein des Geheges eines Schlachthauses nahelegen, wäre da nicht die Tatsache, dass es sich um die Knochen von Menschen handelt. Und es sind menschliche Schädel in großer Zahl über das alte Gräberfeld verstreut, die alles andere als einen erfreulichen Anblick bieten.

Das Gräberfeld befindet sich auf einer Sandbank am Strand, und die Wellen, welche die Gestade überschwemmen, haben den losen Sand weggespült, wobei sie die Knochen, Skelette und Leichen den Blicken aussetzten. Einige der Körper waren in Körben bestattet worden, einige in Kisten, und einige in Decken eingewickelt und in Aushöhlungen etlicher vermodernder Baumstümpfe zur letzten Ruhe gelegt worden. Andere wurden unter den massiven Wurzeln der großen immergrünen Pflanzen begraben, die am Strand wachsen. Eine Anzahl kleiner Häuschen in etwa der Größe von Hühnerställen war errichtet worden, um die Ruhestätten von Häuptlingen und bedeutenden Männern der Stämme zu markieren. die Leichen der Häuptlinge waren sorgsam in Decken [gewickelt und] mit Seilen und Strängen verschnürt und in diese Häuschen oder Hütten platziert worden, um dort auszudörren und zu verrotten.

Unter den kuriosen Skeletten, die gefunden wurden, war das eines nur 30 Zoll [ca. 0,76 m; d.Ü.] großen Zwerges mit einem Schädel von 18 Zoll [ca. 0,46 m; d.Ü.] im Durchmesser. Unter den Toten gab es noch weitere Zwerge, aber keinen, der so klein war wie dieser Mann mit einem Kopf, der groß genug für einen Riesen war.

Dieser alte Friedhof, der solch einen absonderlichen und makaberen Anblick bietet, wurde von F.H. Colvin gefunden, einem örtlichen Fotographen, der mit seiner Kamera dorthin eilte und den gräulichen Ort fotographierte. Dieses Gräberfeld ist zweifellos von großem historischem Interesse, doch keiner der alten Siedler, die zu diesem Gegenstand befragt wurden, kann einen Bericht dazu liefern, oder hat jemals zuvor davon gehört. Möglicherweise haben die Wellen, die dort den Strand ausschwemmen, einige historische Relikte zu Tage gefördert, welche von großer Wichtigkeit für jene sind, die sich für Sitten und Gewohnheiten einiger der indianischen Stämme der Pazifikküste interessieren - Port Townsend Leader." [5]


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe dazu z.B.: "'Indian Pygmies and Giants' - American Anthropologist, 1905" (mit einer deutschsprachigen Einführung; red)
  2. Siehe zu diesen: Bernhard Beier, "Zwerge und Pygmäen in Nordamerika (I) - Die 'Kleinen Leute' in Sagen und Legenden der Indianer (2014)
  3. Siehe dazu: Bernhard Beier, "Zwerge und Pygmäen in Nordamerika (II) - Archäologie-historische Hinweise auf die 'Kleinen Leute'" (2014)
  4. Red. Anmerkung: Eine etwas kürzere und textlich leicht abweichende Version des Artikels findet sich z.B. - unter Bezugnahme auf den Spokane Leader - auch in der Wochenzeitung The Austin Weekly Statesman. Siehe: o.A., "Graves of Old Time Indians", 31. März 1892, bei The Austin Weekly Statesman; online bei CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers
  5. Quelle: o.A., "INDIAN GRAVES - Relics of a Curious Indian Burying Ground on the Pacific Shore", 30. Januar 1892, in: The Sea Coast Echo; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach der digitalisierten Version der Zeitung bei CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers

Bild-Quellen:

1) CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers, unter: All Pages: The Sea coast echo., January 30, 1892
2) The Herald, 18. Juli 1897, S. 22 / Bild-Archiv Atlantisforschung.de