Atlantis aus Sicht des Anomalisten
Der Mythos Atlantis ist beträchtlich machtvoller als die Legende von Lyonesse und Tennyson´s [...] "Morte d´Arthur". Etwa 2000 Bücher resultierten aus Platons einfacher (möglicherweise völlig fiktiven) Beschreibung dieses altertümlichen Kontinents. Wir können hier nur wenig zu diesem berstenden Bücherschrank beitragen und haben nicht vor, die immense Atlantis-Literatur zu betrachten. [...]
Es geht uns hier lediglich darum, noch vorhandene Strukturen zu betrachten, die Teil des in die Brüche gegangenen Kontinents (Abb. 1) und der Stadt Atlantis gewesen sein könnten. Natürlich ist die überwältigende Masse an Evidenzen, die zur Stützung einer weit zurückliegenden Existenz von Atlantis angeführt werden, historischer und anthropologischer Natur. Harte Evidenzen, wie etwa bona fide Artefakte und Strukturen der Atlantiden sind rar - womöglich gibt es sie gar nicht. Die Evidenzen zu in situ atlantidischen Strukturen, auf die wir in der Literatur gestoßen sind, erlauben sicherlich diese negative Interpretation.
Da Platon Atlantis kontinentale Größe gab und es JENSEITS der Säulen des Herakles (Gibraltar) verlegte, sollten wir all jene versunkenen Ruinen an den Küsten Europas und der Mittelmeer-Inseln ausschließen (wir nehmen natürlich zur Kenntnis, dass einige Forscher den Mittelmeer-Raum und sogar die Nordsee als wahre Atlantis-Lokalisierungen propagieren). Wir betrachten es jedenfalls als loyaler Platons Atlantisbericht gegenüber, im Atlantik nach einer großen versunkenen Landmasse zur Unterstützung untergegangener Strukturen zu suchen, die Teil einer großen Stadt gewesen sein könnten. Wir haben die Literatur [1] durchgesehen und finden, dass die Ausbeute knapp und von fragwürdiger Qualität ist.
Das erste potentielle Atlantis, auf das unsere Kriterien zutreffen, befindet sich nachweislich im Flachwasser, da es von Frei-Tauchern entdeckt wurde. Wir zitieren aus einem Nachrichten-Bulletin: "Cadiz, Spanien, 21. Juli Mitglieder einer US-Expedition [2] haben gestern Fotos von Straßen, Säulen und Mauern einer offenbar alten Unterwasser-Stadt vor der Küste Südwest-Spaniens veröffentlicht, bei der es sich, wie sie meinen, um die legendäre verschollene Zivilisation von Atlantis handeln könne.
"Egerton Sykes, ein Archäologe [sic!; d.Ü.] [3] sagte auf einer Pressekonferenz: >Wir können uns dieser Datierung ziemlich sicher sein, da es mindestens 6000 Jahre her ist, dass dieses Areal sich über Wasser befunden hat.< Mr. Sykes, ein Brite, erklärte, es sei ausgeschlossen, dass diese versunkenen Ruinen römische oder phönizische Überbleibsel seien. Die sind nämlich im Golf von Cadiz nicht ungewöhnlich, wo die Küste seit Jahrhunderten geschwunden sei. Er machte diese Äußerungen, nachdem er die Fotographien und Zeichnungen des Taucher-Teams studiert hatte, und er >habe keine Zweifel, dass das, was sie gefunden haben, aus einer früheren Ära stamme<." [4]
Eine zweite Gruppe offenbar versunkener Ruinen wurde von russischen Ozeanographen fotographiert, die den Ampere Seamount südwestlich von Portugal und etwa 450 Meilen westlich von Gibraltar erkundeten. A. Aksenov, der Leiter des sowjetischen Teams erklärte, ihre Fotographien zeigten "Spuren von Mauern und Treppen". [5] Diese Fotos waren offenbar aus einer Tauchkugel heraus gemacht worden. Zwei Jahre später, 1981, verfügten die Russen über viel mehr Fotographien der putativen Ruinen, was zu dem folgenden Bulletin der Associated Press führte:
"Sowjetische Ozeanographen sagen, sie haben möglicherweise auf dem Meeresboden mehrere hundert Meilen westlich von Portugal den versunkenen Kontinent von Atlantis entdeckt. Andrei Monin, Forschungs-Direktor an Bord des Sowjet-Schiffes 'Akademiker Kurchatov', sagte, dass die Wissenschaftler ihre Hypothesen über >mysteriöse Strukturen< auf 460 Fotographien basierten, die man am Ampere Mountain aufgenommen hatte, einem Unterwasser-Gipfel zwischen Portugal und den Madeira-Inseln, 450 Meilen westlich der Straße von Gibraltar.
>Auf einer Anzahl von Bildern des nordöstlichen Teil des Gipfels erkannten [die Forscher] rechteckige Strukturen. Auf einem der Bilder können wir rechteckige, [1 Yard] breite Platten erkennen, die vom Grund aufragen.< Die Presseagentur TASS zitierte Mr. Monin mit einem Statement im sowjetischen Magazin 'Erde und Universum'. >Die Position der Platten, der einzelnen Blöcke, sowie die regelmäßige Form der fotographierten Platten ... können womöglich ihren artifiziellen Ursprung bezeugen<, sagte Mr. Monin. Bei der Beschreibung der Stein-Arbeiten sagte er, >Die Oberfläche ist durch gleichmäßige Fugen unterteilt .< Er meinte, die Fotographien zeigten eine >Stein-Mauer von [18 Inches] Breite, die aus Blöcken gemacht sei<." [6] In der wissenschaftlichen Literatur haben wir [wen wundert´s?; d.Ü.] nichts gefunden, was die russischen Angaben bestätigt oder erweitert.
Schließlich müssen wir uns auch mit den putativen Ruinen beschäftigen, die sich im flachen Wasser vor den Küsten Biminis befinden. [Vergl.: Die Bahamas und Atlantis: Der Streit um Bimini; d. Red.] Leicht für Sport-Taucher erreichbar (Abb. 2), sind die Bimini-Strukturen regelmäßig geformt und ordentlich auf dem Meeresboden angeordnet sind. Wissenschaftler jedoch, welche die vermuteten Ruinen untersucht haben [7], erklären ausdrücklich, es handele sich bei ihnen lediglich um Küsten-Fels mit regelmäßigen Nahtstellen. In unserem Buch Ancient Infrastructure (Abschnitt MS R3) haben wir die Bimini-Felsformation als eine mögliche Straße klassifiziert. [Zu weiteren atlantisverdächtigen Unterwasser-Strukturen vergl. auch: Kuba - das karibische Atlantis; d. Red.]
Anmerkungen und Quellen
Dieser Beitrag von William R. Corliss © wurde seinem Buch Ancient Structures - Remarkable Pyramids, Forts, Towers, Stone Chambers, Cities, Complexes entnommen, das im Januar 2001 The Sourcebook Project, P.O.Box 107, Glen Arm, MD 21057, S. 214-215, erschienen ist. (Library of Congress Control Number 00-092706, ISBN 0-915554-35-6)
Fußnoten:
- ↑ Red. Anmerkung: Gemeint ist hier nicht die atlantologische Literatur. William R. Corliss hat sich als Anomalist auf die Auswertung wissenschaftlicher, populär- und grenz-wissenschaftlicher Publikationen spezialisiert, wobei er die Ergebnisse seiner Arbeit in anomalistischen Grundlagen-Werken im Rahmen seines Sourcebook Project sowie in seiner wissenschaftskritischen Zeitschrift Science Frontiers vorstellt.
- ↑ Red. Anmerkung: Gemeint ist die Expedition von Maxine Asher im Jahr 1973; vergl. dazu bei Atlantisforschung.de: "Maxine Asher: Atlantis lag vor Gibraltar"; sowie: "Maxine Ashers 'Atlantis vor Gibraltar' - ein Update" (red)
- ↑ Red. Anmerkung: Der geschätzte Kollege Egerton Sykes (1894-1983) war Berufsdiplomat im Dienste ihrer britischen Majestäten - und kein Archäologe! (bb)
- ↑ Quelle: Anonymus, "6,000-Year-Old City is found off Spain", Times (New York), 29. Juli 1973
- ↑ Quelle: Anonymus, "Undersea Discovery may be Atlantis", Baltimore Sun, 5. April 1981
- ↑ Quelle: Anonymus, "Portugal Doubtful about Sovjet Atlantis Find", Nature, 278:681, 1979
- ↑ Red. Anmerkung: Es handelt sich hier im wesentlichen um sechs Wissenschaftler und vier Untersuchungen, auf deren Ergebnissen die gesamte Argumentation der Bimini-Gegner bis heute beruht: Harrison (1971), Gifford (1973), McKusick und Shinn sowie Ball und Gifford (1980); siehe dazu: Gifford, John A, 1973, "A description of the geology of the Bimini Islands", Bahamas. University of Miami, Florida, 88 p.; sowie: Ball, Mahlon M., und Gifford, John A., 1980, "Investigation of submerged beachrock deposits off Bimini", Bahamas. Research Reports National Geographic Society. Vol. 12., S. 21-38; und: McKusick, M., und Shinn, E. A., 1980, "Bahamian Atlantis reconsidered", Nature, Vol. 287, No. 5777, Seiten 11-12
Bild-Quellen:
- 1) http://digilander.libero.it/theghost63/Atlantis/Atlantis_eng.htm (nicht mehr online)
- 2) Charles Berlitz, "Das Bermuda Dreieck", Paul Zsolnay Verlag (Wien, Hamburg) 1975, S. 158