Richard Hennig
Forscher- und Autorenportrait
Einführung
(red) Professor Dr. Richard Hennig (Bild) (* 12.1.1874 in Berlin; † 22.12.1951 in Düsseldorf) [1] war ein deutscher Verkehrswissenschaftler, Historischer Geograph und Sachbuchator, der sich auch auf dem Gebiet der schulwissenschaftlichen Atlantisforschung seiner Zeit hervortat und um die Lokalisierung eines bronzezeitlichen Atlantis jenseits der Säulen des Herakles auf europäischem Festland bemüht war. Zudem präsentierte er 1926 auch eine Verortung der sagenhaften Insel Ogygia, die er als eine der westlichen Kanarischen Inseln oder der Madeiras betrachtete. [2]
Biographische Notizen
Über Richard Hennigs Leben und Werk heißt es in der Neuen Deutschen Biographie: Er "studierte an der Universität Berlin Naturwissenschaften, insbesondere Meteorologie. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit Geschichte und,|angeregt durch Carl Stumpf, mit Psychologie. Schon als Student veröffentlichte er wissenschaftliche Aufsätze. 1896 wurde er Assistent am Meteorologischen Institut der Universität (1897 Promotion bei G. von Bezold, Dissertation: Untersuchungen über die Sturmfluten der Nordsee) und vertrat 1897 den Beobachter auf der Brocken-Station. 1899-1908 war er im Kabel-Vertriebsbüro des Werner-Werks von Siemens u. Halske tätig, wurde aber 1909 Privatgelehrter, um sich wissenschaftlichen Neigungen widmen zu können. Verkehrsgeographie, -geschichte und -politik wurden in Monographien und Aufsätzen behandelt. 1911 gründete H. die Monatsschrift „Weltverkehr“ (später „Weltwirtschaft“), und 1914 gab er entscheidende Anregungen zur Gründung der Weltwirtschaftlichen Gesellschaft. Reisen führten ihn nach der Schweiz, nach Holland, Dänemark, mehrmals nach Rußland und Finnland, nach Schweden, Italien, Ägypten.
Im 1. Weltkrieg war er als Marine-Meteorologe in Wilhelmshaven, Johannisthal, Libau eingesetzt. 1919 wurde er als Professor für Verkehrsgeographie an die Verkehrshochschule nach Düsseldorf berufen. Von hier aus hat er – bis auf Unterbrechungen während der französisch Besatzungszeit 1923 und durch ein Nomadendasein, das Luftangriffe im 2. Weltkrieg verursachten – auch über die Versetzung in den Ruhestand hinaus (1939) unermüdlich durch seine Vortragstätigkeit und als wissenschaftlicher Schriftsteller gewirkt. [...] H. war stark musisch veranlagt, gab eigene Dichtungen heraus, war Mitglied der Berliner Singakademie, bei absolutem Gehör ein hervorragender Klavierspieler, der sich auch in Kompositionen versuchte. Er beschäftigte sich vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus mit okkulten Erscheinungen und Hypnose. Sein phänomenales Zahlen- und Datengedächtnis wurde Gegenstand eigener und fremder wissenschaftlicher Untersuchungen." [3]
Bekannt wurde Richard Hennig vor allem durch seine wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Schriften zur Protohistorie und Frühgeschichte: "H. behandelte in späterer Zeit, so auch in seinem kritisch gehaltenen Hauptwerk >Terrae incognitae<, vorwiegend Handels- und Entdeckungsreisen, prüfte Sagen und Dichtungen auf den Wahrheitsgehalt oder Ausgangskern und bot ganz neue Aspekte der antiken, insbesondere homerischen Mittelmeerkenntnisse. Er widmete sich der gesamten Entdeckungsgeschichte Amerikas, den Problemen der alten Zinn- und Bernsteinländer und den geologischen Veränderungen unserer Küsten und Inseln." [4]
Richard Hennig, Atlantis und Scheria
In atlantologischer Hinsicht ist bemerkenswert, dass R. Hennig von der Identität des Platonischen Atlantis und Homers Scheria überzeugt war. [5] In Hinsicht auf deren Lokalisierung schloss er sich zunächst der Tartessos-Hypothese von Adolf Schulten und Otto Jessen an. [6] Gerhard Gadow schrieb dazu 1973:
"Professor Richard Hennig, eine anerkannte Koryphäe auf dem Gebiet der antiken Geographie, meinte über Schultens These: »Die [von Schulten aufgezeigten] Übereinstimmungen [zwischen Atlantis und Tartessos] sind aber noch sehr viel zahlreicher, derart zahlreich, daß man geradezu behaupten kann: wenn in Platons Bericht der Name Atlantis durch Tartessos ersetzt wird, so braucht kaum ein Wort daran geändert zu werden.« [7] Hennig erschloß der Atlantisforschung auch eine zweite große Quelle neben Platons Atlantisbericht: das Epos von den Fahrten des Odysseus, das Homer zugeschrieben wird. Homer läßt Odysseus auf seiner Irrfahrt zu einer Insel gelangen, die viele Parallelen zur Königsinsel der Atlanter aufweist, so viele, daß sie mit dieser identisch sein dürfte, auch wenn Homer den Namen Atlantis nicht nennt.
Homer und Platon berichten über eine reiche Königsinsel außerhalb des Mittelmeerraumes mit ausgedehnten Burg- und Hafenanlagen. Als oberster Gott und Stammvater der Inselbewohner gilt in beiden Fällen der Meeresgott Poseidon, dem auf der Insel Stieropfer dargebracht werden. Der Tempel des Poseidon ist bei Homer genau wie bei Platon mit goldenen Statuen geschmückt, beide Autoren heben hervor, daß in der Nähe dieses Heiligtums zwei Quellen entspringen. Die Könige dieser Insel gebieten über eine Anzahl Unterkönige (bei Platon neun, bei Homer zwölf) und eine mächtige Flotte.
R. Hennig hat mit der Aufzählung weiterer Parallelen (z.B. in der Schilderung des milden Klimas auf dieser Insel durch Platon und Homer) eine lange Liste gefüllt. Andere Atlantisforscher sind ihm darin gefolgt und haben teilweise noch detailliertere Tabellen mit Übereinstimmungen im großen und kleinen zwischen den Berichten Platons und Homers zusammengestellt." [8] Hierzu stellt allerdings der Atlantologie-Enzyklopädist Tony O’Connell unter Berufung auf Nikolai F. Zhirov fest, "dass eine ebenso lange Liste von Diskrepanzen zusammngestellt werden könnte, was das Problem noch immer offen lässt." [9]
Es bleibt anzumerken, dass Richard Hennig sich später offenbar von der "Tartessos = Atlantis"-Annahme abwandte und zur Helgoland-Lokalisierung des Pastors Jürgen Spanuth 'konvertierte', der dazu mit Genugtuung verlauten ließ: "Nachdem Hennig meine Arbeiten kennen gelernt hatte, schrieb er, daß er seine Meinung völlig geändert habe und meinen Ansichten >voll und ganz< zustimme. So ist denn auch Hennig zu der Überzeugung gekommen, daß die Basileia des Atlantisberichts identisch ist mit der Basileia der Phäakie und der Basileia des Pytheasberichtes, die in der Mündung der Eider diesseits von Helgoland lag." [10]
Anmerkungen und Quellen
Fußnoten:
- ↑ Quelle: Edwin Hennig, "Hennig, Richard", in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 544 f. (Onlinefassung; abgerufen: 30. September 2015)
- ↑ Siehe: Richard Hennig, "Neue Erkenntnisse zur Geographie Homers", Rheinischen Museum für Altphilologie (N. F) Band 75, 1926, S. 266, 282
- ↑ Quelle: Edwin Hennig, op. cit. (1969)
- ↑ Quelle: ebd.
- ↑ Siehe: Richard Hennig, "Die Geographie des Homerischen Epos", Leipzig & Berlin (Teubner), 1934
- ↑ Anmerkung: Nach zumindest einer bekannten Quelle - einem Artikel ("CITY OF ATLANTIS - Claim by a German - DISCOVERY OFF SPAIN") der Zeitschrift The New Zealand Herald vom 20. April 1925 (Abb. 4) soll Hennig die Atlantis-Lokalisierung an der Mündung des Guadalquivir für sich in Anspruch genommen haben.
- ↑ Quelle: Richard Hennig, "Von rätselhaften Ländern", München, 1925, S. 27 (nach G. Gadow, op. cit.)
- ↑ Quelle: Gerhard Gadow, "Der Atlantis-Streit", Fischer Taschenbuch Verlag, 1973
- ↑ Quelle: Tony O’Connell, "Henning, Richard", 8. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
- ↑ Quelle: Jürgen Spanuth, "Die Atlanter - Volk aus dem Bernsteinland", Tübingen, 1977, S. 364
Bild-Quellen:
- 2) Verlag E.J. Brill, Leiden / Bildarchiv Atlantisforschung.de
- 3) Té y kriptonita - basierend auf dem Bild Iberian Peninsula base map.svg von Redtony - bei Wikimedia Commons, unter: File:Tartessos.svg (Lizenz: GFDL oder CC-BY-SA-3.0)
- 4) o.A., "CITY OF ATLANTIS - Claim by a German - DISCOVERY OFF SPAIN", 20. April 1925, in: The New Zealand Herald; nsch: PAPERSPAST (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)