Théophile Cailleux

Historisches Forscher- und Autorenportrait

Auf einen Blick

Abb. 1 Das Titelblatt von Cailleux’ 'Pays atlantiques décrits par Homère' aus dem Jahr 1878

(red) Théophile Cailleux (* 1816 in Calais, Frankreich; † 1890) war ein belgischer Anwalt, der als Autor einer 1878 in Paris veröffentlichten Arbeit über homerische Geographie mit dem Titel Pays atlantiques décrits par Homère (Abb. 1) [1] bekannt wurde. Wie der Titel andeutet, vertrat Cailleux die - seinerzeit und auch heute - zunächst extravagant erscheinende Ansicht, dass es sich bei den in der Ilias und Odyssee erwähnten maritimen Örtlichkeiten um solche an den Atlantikküsten und nicht nicht an den Gestaden der Ägäis und des Mittelmeers handelt.

Théophile Cailleux’ Theorie

Cailleux postulierte, dass Troja einst in East Anglia lag, wo er zwei riesige militärische Dämme (orig.: "war-dykes") zwischen Cambridge und The Wash entdeckt hatte. Dort identifizierte er den Fluss Cam mit dem Skamandros der Ilias und den Fluss Great Ouse mit Homers Simoïs.

Er war überzeugt, dass das homerische Troja sich einst auf den Anhöhen außerhalb des heutigen Cambridge befand, die als Gog Magog Hills bekannt waren. Ithaka, so glaubte er, sei im Südwesten Spaniens, im Delta des Río Guadalete, irgendwo zwischen Jerez und Cádiz zu finden. Ithakas Berg Neriton identifizierte er mit dem Nertobriga, einer Anhöhe, die auf einer alten Karte des südlichen Keltiberer-Landes verzeichnet ist. Diese Karte war von Claudius Ptolemäus erstellt worden, einem griechischen Geographen des 2. nachchristlichen Jahrhunderts. Außerdem machte er das heutige Kurbad von Fuente Amarga in der Nähe von Chiclana de la Frontera, das für sein Heilwasser bekannt ist, als Quelle Arethusa aus.

Cailleux’ Werk folgte ziemlich bald auf die Publikation von Heinrich Schliemanns Schriften [2], in denen dieser geltend machte, dass (sein kleinasiatisches) Troja und Mykene als mächtige Städte 'zur richtigen Zeit und am richtigen Ort' existierten, um tatsächlich einen großen militärischen Konflikt wie den Trojanischen Krieg ausgetragen haben zu können, welchen Homer schilderte. In der Fachwelt verabschiedete man sich nun nach und nach von der lange Zeit liebevoll gehegten Ansicht, es habe sich bei Troja und dem Trojanischen Krieg lediglich um 'Fabeleien' ohne jede Historizität gehandelt. Cailleux kam diese Entwicklung allerdings nicht zugute.

Cailleux’ Vermächtnis

Da Schliemanns Modell sich nahezu perfekt in die in Bewegung geratenen Vorstellungen zum vorklassischen Altertum des zentralen Mittelmeer-Raumes, der Ägäis und Kleinasiens einfügte, erachtete es später niemand für sinnvoll, alternative und weitaus radikalere Vorstellungen zur homerischen Geographie zu erwägen. Cailleux’ gänzlich außenseiterische Positionen wurden somit von Fachwissenschaftlern zu keiner Zeit ernst genommen und seine Arbeit geriet nachfolgend fast völlig in Vergessenheit. Dies änderte sich erst - wenn auch nur geringfügig - in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als andere 'Häretiker', insbesondere der aus den Niederlanden stammende Privatforscher Iman Jacob Wilkens (1936-2018), Cailleux’ Buch wiederentdeckten und eigene Vorstellungen zur Geographie Homers entwickelten, die nicht auf das mediterranen Gebiet beschränkt waren, sondern gerade auch den europäischen Atlantikraum als Schauplatz des Trojanischen Krieges und der 'Irrfahrten des Odysseus' propagierten. Théophile Cailleux darf jedenfalls mit Fug und Recht als Pionier dieser außenseiterischen Richtung der Auslegung homerischer Geographie gelten, womit er sich einen Platz in der 'Ruhmeshalle' der alternativen Ur- und Frühgeschichtsforschung verdient hat.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel "Théophile Cailleux" (Stand: 25. Oktober 2019) bei Wikipedia - The Free Encyclopedia. Übersetzung ins Deutsche, redaktionelle Bearbeitung und Ergänzung durch Atlantisforschung.de.

Fußnoten:

  1. Siehe: Théophile Cailleux, "Pays atlantiques décrits par Homère - Ibérie, Gaule, Bretagne, Archipels, Amérique THÉORIE NOUVELLE" (Von Homer beschriebene atlantische Länder: Die Iberische Halbinsel, Gallien, Bretagne, Archipele, Amerika - Eine neue Theorie), Paris (Maisonneuve), 1878
  2. Siehe zum Beispiel: Heinrich Schliemann, "Ithaka, der Peloponnes und Troja", 1868)

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