Theopompos von Chios

Abb. 1 Eine altgriechische Münze (Tetradrachme) die in etwa zu Lebzeiten des Theopompos auf seiner Heimatinsel Chios geprägt wurde

(red) Theopompos von Chios (latinisiert: Theopompus, Kurzform: Theopomp); hellenischer Gelehrter, geb. um 378 v. Chr. auf der Insel Chios, gestorben um 320 v.Chr. (das genaue Todesjahr ist unbekannt). Theopompos verbrachte als jüngerer Zeitgenosse Platons einen Teil seiner Jugend in Athen, wohin er mit seinem Vater Damasistratos emigrierte, nachdem dieser aufgrund seiner Sympathien für Sparta von Chios verbannt worden war. Im athenischen Exil wurde Theopomp ein Schüler des Isokrates, bei dem er höchst erfolgreich Rhetorik (die Kunst der Überzeugung durch sprachliche Mittel) studierte und sich offenbar zu einem begnadeten Volksredner entwickelte. Um 335 v. Chr., nach der Thronbesteigung Alexanders des Großen, konnte Theopompos dann zunächst nach Chios zurückkehren, wo er sich als Führer der aristokratischen Partei politisch betätigte; nach dem Tode des Herrschers wurde er jedoch erneut verbannt und ging ins Exil nach Ägypten.

Theopompos soll ein vielgereister Mann gewesen sein, der nicht nur die Redekunst beherrschte, sondern sich besonders für Geschichte interessierte und buchstäblich hunderte von historischen Schriften verfasste, darunter als Hauptwerke die zwölfbändige 'Hellenica' (Griechische Geschichte) sowie die 'Philippica' (Geschichte König Philipps), die er 324 v. Chr. beendete, und welche alleine aus 58 Büchern bestand. Obwohl seine Publikationen sämtlich in ihrer ursprünglichen Form verloren gegangen sind, blieben insgesamt 370 Fragmente daraus - darunter 19 Bruchstücke aus der 'Hellenica' - als Zitate bei anderen Autoren erhalten, was seine Bedeutung in der hellenischen Geisteswelt anzeigt. Dabei war sein Werk keineswegs unumstritten.

Laut Encyclopedia Britannica wurde schon in der Antike Kritik an Theopompos´ Arbeit geübt, wegen seiner angeblich "exzessiven Vorliebe für romantische und unglaubwürdige Geschichten; einige davon wurden später zusammengestellt und unter seinem Namen veröffentlicht." Gleichzeitig wurde er im Altertum aber auch "wegen seiner überkritischen Art heftig angegriffen [...] Im Ganzen scheint er jedenfalls recht unparteiisch gewesen zu sein." Für seine Objektivität als Historiker und seinen persönlichen Mut zur Wahrheit spricht zudem die Tatsache, dass er in der 'Philippica', die er in Makedonien - also in Reichweite des dortigen Königshauses - verfasste, nicht davor zurückschreckte, dem Monarchen Unmoral vorzuwerfen und dessen Alkoholmissbrauch anzuprangern.

Offensichtlich war die Kritik an Theopomps Werk u.a. darauf zurückzuführen, dass er auch 'unbequemes', nicht ins graeco-romanische Weltbild passendes, Material in seine Sammlung alter Überlieferungen aufgenommen hat, das spätere Mainstream-Autoren wie Diodorus Siculus geflissentlich 'links liegen ließen'. In diese Kategorie fällt auch seine "Anostida", ein durch den römischen Autor Claudius Aelianus - nach unterschiedlichen Angaben - entweder als Fragment der 'Philippika' (FGrHist 115 F 75) oder eines verloren gegangenen Werkes namens "Thaumasia" (von Wunderdingen) überlieferter Bericht, in dem Theopomp eine Überlieferung wiedergibt, die in ihrer mythisierten Beschreibung eines Kontinents jenseits des Okeanos und seiner Bewohner mit Platons Atlantisbericht vergleichbar ist.

Während von Altphilologen, wie Pierre Vidal-Naquet [1] und Heinz-Günther Nesselrath [2] (analog zu ihrer Auffassung bezüglich des Atlantisberichts) die Lehrmeinung kultiviert wurde, es handle sich bei Theopomps "Anostida" um eine rein fiktionale Erzählung, die im übrigen eine Parodie auf Platons Atlantida darstelle, wird im Bereich der nonkonformistischen Atlantisforschung - die diesbezüglich u.a. auf der Meropisforschung des Altertumskundlers Emil Orgetorix Forrer (1894-1986) aufbaut - traditionell eine quasi-historische Auslegung präferiert. Grundsätzlich ist dazu festzustellen, dass es sich bei beiden Positionen um argumentativ gestützte Annahmen handelt, die keineswegs als gesicherte Erkenntnisse zu betrachten sind, wie dies z.B., die altphilologische Auslegung betreffend, bei Wikipedia behauptet wird. [3]


Siehe bei Atlantisforschung.de auch:

J. H. F. Meineke, "Theopompus´ Bericht von Anostos - Von der Unterredung des Midas aus Phrygien mit dem Silen, und den von Silen erzählten Fabeln" (1787)



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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe: Pierre Vidal-Naquet, "Atlantis - Geschichte eines Traums", München (C.H. Beck), 2006, S. 39 f.
  2. Siehe: Heinz-Günther Nesselrath, „Theopomps Meropis und Platon. Nachahmung und Parodie“ (PDF-Datei, 38,06 KB), in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 1, 1998, S. 1-8
  3. Siehe: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, Sichwort: Meropis (Stand: 20. Feb. 2010)

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