Herbert Edward Forrest und Atlantis

Abb. 1 Herbert Edward Forrests Karte aus dem Jahr 1933, auf der sein Modell eines späteiszeitlich-nordatlantischen Atlantis abgebildet ist

(red) Herbert Edward Forrest war ein Zoologe und Naturforscher aus Wales [1], der sich zu Beginn der 1930er Jahre an der wissenschaftlichen Debatte um versunkene Landgebiete und -brücken im Atlantik beteiligte.

Dazu veröffentlichte Forrest im Jahr 1933 ein voluminöses Buch mit dem Titel "The Atlantean Continent" [2], in dem er detailliert seine Vorstellung von Atlantis als einer großen Landmasse entwickelt, die sich noch während der jüngsten Eiszeit im Nordatlantik befunden haben soll. (Abb. 1)

Über Forrests Forschungsansatz schrieb der Atlantologie-Historiker Lyon Sprague de Camp, ein ausgewiesener Atlantis-Skeptiker: Herbert E. Forrests ">The Atlantean Continent< optiert für eine nordatlantische Landbrücke, die Island mit einschließt. Eine solche Landbrücke hat es vermutlich während geologischer Zeiträume gegeben. [3] Doch Forrest will, dass seine Brücke im Pleistozän existiert hat, welches erst vor recht kurzer Zeit zu Ende ging, und seine Argumente, weitgehend basierend auf der Verbreitung von Spezies, erweisen sich als wenig stichhaltig. Er verlässt sich auf Pflanzen, Arthropoden und Süßwasser-Fische, also auf sich langsam entwickelnde Organismen, von denen einige so und auch dort existiert haben dürften, wie es seit dem Mesozoikum der Fall war, vor etwa 60 Millionen Jahren." [4]

Abb. 2 Auf welchem Weg gelangten Pflanzen, wie die der Gattung Alisma, in die Neue Welt? Für Herbert Edward Forrest als Biologen war die naheliegendste Erklärung, dass ihre transatlantische Verbreitung über eine vormalige Landbrücke erfolgt sein muss, die Europa und Amerika verband. (Bild: Alisma plantago-aquatica)

Einmal mehr versuchte Sprague de Camp hier, im Rahmen seiner durchaus ideologisch motivierten Kritik, ihm missliebige Argumente quasi mit einer schnellen Handbewegung vom Tisch zu wischen. Das Grundproblem der panatlantischen Verbreitung von Pflanzen- und Tierarten, deren Natur ihnen sowohl transozeanische 'Seereisen' als auch alternative Reiserouten unmöglich machte, bleibt jedenfalls bestehen, auch wenn ihnen für ihre Verbreitung während der jüngeren Erdgeschichte größere Zeiträume zu Verfügung standen.

Diesbezüglich zitierte vor wenigen Jahren der Historiker Emmet John Sweeney H.E. Forrest in seinem Buch "Atlantis: The Evidence of Science" mit der Bemerkung, es sei "...insbesondere [...] schwer zu glauben, dass Wassergräser, wie Potamogeton, Lemna, Alisma (Abb. 2) und Myriophyllum ihre gegenwärtigen Habitate über eine arktische Route erreicht haben könnten. Wenn sie hingegen zu Zeiten des Miozäns und Pliozäns Bewohner von Seen und Marschen eines atlantischen Kontinents waren, so lässt sich ihre Verbreitung ganz selbstverständlich erklären." [5]

Wesentlicher erscheint aber, dass Forrests von Sprague de Camp kritisierte Datierung seiner prähistorischen nordatlantischen Landmasse - bzw. ihres Untergangs - weitgehend nicht auf einer vegetationsgeographischen Argumentation oder etwa auf Betrachtungen im Rahmen der Historischen Zoo-Geographie beruhte, sondern orientiert sich an dem seinerzeitigen Stand des geologischen Diskurses um topographische Veränderungen im Verlauf des so genannten 'Großen Eiszeitalters'. [6]

In diesem Sinne ging auch der schwedische Ozeanograph Hans Pettersson 1948 auf H.E. Forrests Vorstellungen zu 'Atlantis im Atlantik' ein. Bei Ferdinand Speidel finden wir dazu folgende kurze Zusammenfassung:

"Forrest stellte fest, dass die der Ordnung nach zweite große Vereisung der Britischen Inseln nach der Bewegung des Eises Spuren von NW nach SO hinterließ, anstelle der normalen Richtung von NO nach SW. Forrest glaubt aufgrund dessen, dass das Ausgangszentrum für diese Vereisung nicht Skandinavien, sondern umgekehrt im NW gelegen sein musste und ein Festland war, das mindestens 4 km höher als die Britischen Inseln reichte. Er setzt deshalb voraus, dass sich zu jener Zeit ein atlantischer Kontinent von Halbinselform vorgefunden habe, eine Fortsetzung weiter gegen die Gegend der Azoren von Grönland-Island, deren Berge damals eine Höhe bis 5.000 m erreichten." [7]

Auch wenn Forrests Atlantis - gerade unter Berücksichtigung einer kritschen Hinterfragung des Postulats jenes angeblichen 'Großen Eiszeitalters' [8] - nicht in der von ihm dargestellten Form existiert haben dürfte, so erscheint es doch sinnvoll, sein Buch aus dem Jahr 1933 einer gründlichen Betrachtung und Auswertung aus heutigem atlantologischem sowie neo-katastrophistischem Blickwinkel zu unterziehen - was leider bisher noch nicht erfolgt ist.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quellen: Tony O’Connell, "Forrest, Herbert Edward (i)", 24. Mai 2010, bei: Atlantipedia.ie (abgerufen: 01. Nov. 2014); sowie: Lyon Sprague de Camp, "Versunkene Kontinente: von Atlantis, Lemuria und anderen untergegangenen Zivilisationen", Heyne, 1975
  2. Siehe: Herbert E. Forrest, "The Atlantean Continent – Its Bearing upon the Great Ice Age & the Distribution of Species", London (Witherby), 1933; 2. Aufl. bei H. F. & G. Witherby, 1935
  3. Red. Anmerkung: Diese Aussage von Lyon Sprague de Camp aus dem Jahr 1954 werden heutige Geologen zumeist - sei es zu Recht oder auch zu Unrecht - entschieden bestreiten.
  4. Quelle: Lyon Sprague de Camp, "Lost continents: the Atlantis theme in history, science, and literature", Gnome Press, 1954 - 362 Seiten; Neuauflage: Dover Publications, 1. Juni 1970 - 348 Seiten; zit. nach: Ders., "Lost Continents - Ever since the days of the Greeks, people have tried to prove that thriving civilizations once existed on huge islands that have since sunk beneath the sea.", page 2, bei: Natural History (abgerufen: 01. Nov. 2014; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  5. Quelle: Herbert E. Forrest, op. cit., S. 297; zit. nach: Emmet John Sweeney, "Atlantis: The Evidence of Science", Algora Publishing, 2010, S. 72 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  6. Anmerkung: Die Existenz dieses angeblichen 'Großen Eiszeitalters', deren Annahme zum Katalog geowissenschaftlicher Paradigmen (bzw. Dogmen) gehört, wird von vielen Katastrophisten entschieden bestritten und auf die aktualistische Fehlinterpretation der im Feld gewonnenen Daten zurückgeführt. Siehe dazu z.B.: Horst Friedrich, "JAHRHUNDERT-IRRTUM 'EISZEIT'", Hohenpreißenberg, 1997; sowie mit dem Untertitel "die Widerlegung einer wissenschaftlichen These", König 2010 (dazu bei Atlantisforschung.de auch: Ders., "Die Eiszeit: nur eine ausgedachte Story?") --- D.S. Allan und J.B. Delair, "Cataclysm! ...Compelling Evidence of a Cosmic Catastrophe in 9500 B.C.", Rochester (Inner Traditions - Bear & Company; USA), 1997 --- Frank Zimmermann, "Von Feuer, Flut und Finsternis: Kosmische Katastrophen der Vor- und Frühgeschichte", BoD, 2014 --- siehe online auch das Video: Hans-Joachim Zillmer, "Irrtümer der Erdgeschichte ", 23.12.2012, bei YouTube
  7. Quelle: Ferdinand Speidel, "Professor Hans Petterson – ein heimlicher Atlantis-Befürworter?", Okt. 2014, bei Atlantisforschung.de
  8. Anmerkung: Vergl. Fußnote 6!


Bild-Quellen:

1) ADVANCEDHUMANOID, "MAP OF THE ATLANTEAN CONTINENT", 16.05.2010, bei YouTube (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) Ayacop und Finavon bei Wikimedia Commons, unter: File:Alisma michaletii Sturm1.jpg