Cerne (Kerne)

von Tony O’Connell

Abb. 1 Auszug aus einer mittelalterlichen Abschrift vom Periplus des Pseudo-Scylax, einer der antiken Quellen, in denen Cerne erwähnt wird

Cerne [alt.: Kerne; d. Red.] war eine Insel, die von Pseudo-Scylax erwähnt wird und nach ihm 12 Tagesreisen mit dem Segelschiff von den Säulen des Herakles entfernt gelegen haben soll. Es wird dort hinzugefügt, dass Gebiete jenseits der Insel wegen Untiefen, Schlamm und Seegras nicht mehr befahrbar seien. Auch wenn einige dies als Bezugnahme auf die Sargasso-See betrachtet haben, so sind Schlamm und Untiefen keineswegs Merkmale des Sargasso, das eine Meile oder mehr tief ist.

Diodorus von Sizilien schrieb (iii.54) über die Amazonen, die in Cerne gegen die Atlantioi kämpften. Einiger Kommentatoren haben Cerne mit den Kerkenna-Inseln an der Ostküste Tunesiens gleichgesetzt, während Egerton Sykes das bei Pseudo-Scylax erwähnte Cerne mit Lixus an der Atlantikküste Marokkos in Verbindung brachte. [1] [2]

Frank Joseph behauptet [3], das einzige [tatsächlich] bekannte Cerne sei Cerne Abbas in England, die Örtlichkeit mit dem berühmten, in das Kalkgestein geritzten, nackten Riesen. Dort gibt es allerdings keinerlei Anhaltspunkt für irgendeine Invasion von Amazonen, und die Physis dieses Giganten wurde sicherlich auch nie, selbst von der maskulinsten Amazone nicht, herausgefordert. Nicht zum ersten mal ist Joseph hier schwer im Irrtum. [4]

Wie auch im Fall vieler anderer Orte, die mit dem Atlantisbericht in Verbindung gebracht wurden, so gab es auch hier eine ganze Reihe von Städten, die den Namen 'Cerne' trugen. Der wohl bekannteste entsprechende Verweis findet sich im Bericht über Hannos Seereise [5], die, wie allgemein akzeptiert wird, an der Atlantikküste Marokkos entlang verlief, wo er südlich von Lixus eine Siedlung auf einer Insel anlegte, die er Cerne nannte. [6]


Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Tony O’Connell wurde in englischsprachiger Original-Fassung erstmals unter dem Titel "Cerne (L)" bei Atlantipedia.ie veröffentlicht. Übersetzung ins Deutsche und redationelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de (07/2017).

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Bei Egerton Sykes heißt es dazu wörtlich: "Die von Hanno erwähnte Stadt Cerne scheint ein Atlantik-Hafen gewesen zu sein, der nördlich von Lixus und der Cheretes-Flüsse lag, und sie wird ebenfalls von Festus Avenius in seiner Ora Maritima erwähnt." (Quelle: Egerton Sykes, "The Sahara Inland Sea", 1967, in: Atlantis; nach: Derselbe, "Das saharische Binnenmeer", bei Atlantisforschung.de
  2. Red. Anmerkung: Bereits Étienne-Félix Berlioux (1828-1910), der die Metropolis von Atlantis an der Westküste Marokkos, am Rande des Atlasgebirges vermutete, hatte diese mit mit Kerne gleichgesetzt, der von Diodorus Siculus beschriebenen Hauptstadt der Atlantioi. (Quelle: Lyon Sprague de Camp, Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria und anderen untergegangenen Zivilisationen, Heyne, 1977)
  3. Siehe: Frank Joseph, "Survivors of Atlantis", Rochester, Vermont (Bear & Co.), 2004, S. 117
  4. Red Anmerkung: Frank Joseph ist allerdings nicht der einzige Autor, der einen 'exotisch' wirkenden Lokalisierungs-Vorschlag für Cerne / Kerne ins Gespräch brachte: So ging z.B. Helmut Tributsch 1986 in seinem Buch "Die gläsernen Türme von Atlantis" davon aus, Kerne sei identisch mit Gavrinis am Golf von Morbihan in der Bretagne, wo er auch die Hauptstadt von Atlantis vermutete.
  5. Siehe auf Englisch: o.A., "The Voyage of Hanno", bei metrum.org; sowie auf Deutsch: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Hanno der Seefahrer", Abschnitt 2, "Der Fahrtenbericht" (beide abgerufen: 07. Juli 2017)
  6. Siehe auf Englisch: o.A., "Hanno the Navigator (2)", bei Livius.org - Articles on ancient history (abgerufen: 07. Juli 2017)

Bild-Quelle: