Hanebu (Haunebu)
(red) Hanebu, Haunebu, Haunebut, Haunebt oder Hau-nebut ist eine altägyptische, bis heute nicht völlig geklärte Bereichnung, die offenkunfig sowohl geographischer Natur ist als auch ein Volk oder (zusammenfassend) mehrere 'fremdländische' Völker bezeichnete.
Dazu lesen wir z.B. in der deutschsprachigen Wikipedia: "Hau-nebut war in der Vergangenheit die vermutete ägyptische Bezeichnung für das Gebiet der Ägäis beziehungsweise für die Inselbewohner im Ägäischen Meer. Es bestand die Annahme, dass es sich dabei um die Inselgruppe der Kykladen handelt, die hinter Kreta und dem Meer von Kreta und dem südlichen Ägäischen Meer liegen. [...] Daneben fand seit der Spätzeit, insbesondere in der Ptolemäerzeit, die Bezeichnung >Hau-nebut< als gleichsetzendes Synonym der >griechischen Bevölkerung< Anwendung." [1]
Dies ist natürlich stark verkürzend oder gar unzutreffend, sowohl was die geographische Bezugnahme bzw. Beschränkung auf die Ägais betrifft, als auch in Hinsicht auf die Betonung einer sehr späten Verwendung (Ptolemäerzeit) des Begriffs. Immerhin heißt es in besagtem Artikel später auch: "Aus der Inschrift der Amasis-Stele geht hervor, dass in seinem dritten Regierungsjahr >Kebenet-Schiffe< [2] mit >Hau-nebut< besetzt waren. In diesem Zusammenhang steht die Aussage Herodots, dass Apries ionische sowie karische Söldner angefordert habe. Den Versuchen einiger Ägyptologen, die die Hau-nebut in Phönizien sowie Syrien ansiedeln wollen, stehen die Angaben in diversen Ortsnamenlisten widersprüchlich gegenüber. Dort werden die Hau-nebut in keinem Beleg als Volk beziehungsweise Region in unmittelbarer Nähe zu Ägypten erwähnt. Vielmehr wird ihr Name zumeist als >nördliche Region< beschrieben; in seltenen Fällen auch in nordwestlicher Verortung." [3]
Aber schon lange vor der Zeit des Pharaos Amasis, der von 570 v. Chr. bis 526 v. Chr. regierte, wurde der Begriff Haunebu bei den Ägyptern verwendet. So schrieb z.B. Spyridon_Marinatos im Zusammenhang mit der Entmachtung und Vertreibung der so genannten Hyksos ('Hirtenkönige') um 1550 v.Chr. in Ägypten: "Die Revolte gegen sie wurde von den heimischen Prinzen von Theben organisiert. Heute sind sich so ziemlich alle Gelehrten darüber einig, daß dies mit Hilfe von außen geschah, daß man also die Hyksos unter nachdrücklicher Mithilfe anderer als ägyptischer Kräfte vertrieb. Erwähnt wird das auch in ägyptischen Quellen, und in diesem Zusammenhang taucht der Name Haunebt oder Hanebu auf. Unglücklicherweise ist die Bedeutung dieses Namens nicht ganz eindeutig, denn er wird sowohl für die Bewohner der libyschen Küste wie auch der ägäischen Inseln gebraucht. Der berühmte Eduard Meyer akzeptiert ohne zu zögern die letztere Bedeutung. Die verehrte Königinmutter Aahnhotep trägt den Titel >Prinzessin der Küste von Hanebu<, und aus diesem Titel, dem wir nie wieder begegnen, schließt er, sie müsse mit einem kretischen Prinzen verheiratet gewesen sein. [4]" [5]
Bei Eduard Meyer findet sich aber auch deutliche Verweis darauf, dass der Begriff Haunebu im Zusammenhang mit den Seevölkern Verwendung fand: "Daß die Pharaonen der zwölften Dynastie ebensogut eine Flotte auf dem Mittelmeer hielten, wie die des Alten Reichs, ist nicht zweifelhaft; und es ist sehr wohl möglich, daß sie gelegentlich in die Inselwelt eingegriffen haben. In den Inschriften ist freilich wenig von ihr die Rede; so rühmt sich Henu, der Kanzler Mentuhoteps VI. (§ 278) unter anderem, >er mache die Hanebu [die Seevölker, § 228] ohnmächtig<, und ein Beamter, wahrscheinlich Sesostris’ I. sagt in der gezierten Sprache dieser Zeit: >Sein Griffel begriff die Hanebu<, d.h. er gehörte einem Bureau an, das den Verkehr mit den Seevölkern regelte, also nach aegyptischer Auffassung ihnen Befehle erteilte." [6]
Jürgen Spanuth, der die Seevölker - in toto, was sicher auch eine verkürzende Sichtweise ist [7] - als Protogermanen der Bronzezeit identifizierte, zitiert zur Herkunft dieser Völker aus den Tempeltexten von Medinet Habu und dem Papyrus Harris: ">Sie kommen von den Inseln und Festländern am Weltmeer (sin-wur) im fernsten Norden<, oder >sie kommen von den Enden des Weltmeeres<, oder >von den Enden der Erde in der fernsten Mitternacht< [8]. Gelegentlich werden diese Völker auch >Haunebu< [9] oder >Haunebut< genannt. Auch von den Haunebu heißt es, daß sie vom sin-wur oder dbn wur, d.h. >vom großen Wasserkreis< >im fernsten Norden< kommen [10]." [11]
Weiter heiß es bei Spanuth: "Der Name >Haunebu< taucht für die Völker im fernsten Norden schon sehr früh auf. So heißt es z.B. schon in einem Pyramidentext: >Du (der Große Wasserkreis = das Weltmeer) bist grün und groß in deinem Namen 'Großer grüner Ozean', wahrlich du bist kreisförmig als der Wasserkreis, der die Haunebu umgibt. Wahrlich, du bist rund und gewaltig als das runde gewaltige Meer [12].< Auf der Völkertafel von Edfu steht: Haunebu nennt man die Inseln des Großen Wasserkreises und die Nordländer, die vom Bachwasser leben [13]. In einer Inschrift aus dem Neuen Reich steht: >Alle Länder der Haunebut, die Fremdländer des Großen Meeres< [14], Auf dem Pylon des HAREMHEB heißt es: >Die Haunebu kommen vom Großen Wasserkreis am Ende der Welt< [15]. In einer Inschrift von Philae steht geschrieben: >Der Strom des Großen Wasserkreises, der zu den Haunebut führt [16]." [17] [18]
Anmerkungen und Quellen
Fußnoten:
- ↑ Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter "Hau-nebut" (abgerufen: 17. Mai 2020)
- ↑ Anmerkung bei Wikipedia: ">Kebenet-Schiffe< waren Seeschiffe oder Galeeren, die mit dem Ort Byblos in Verbindung stehen; daher daneben auch als Synonym für >Byblosfahrer< gebraucht."
- ↑ Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter "Hau-nebut", Abschnitt: "Erwähnungen der Hau-nebut" (abgerufen: 19. Mai 2020)
- ↑ Siehe: Eduard Meyer, "Geschichte des Altertums" 2, 1, S. 54-55
- ↑ Quelle: Spyridon Marinatos, "Zur Legende von Atlantis" (griech. Originaltitel unbekannt), in: Cretica Chronica Bd. IV, 1950. Zit. nach: Derselbe, "Thera - Ursprung der Atlantis-Legende II - Zum historischen Verhältnis von Kreto-Mykenern und Ägyptern" bei Atlantisforschung.de
- ↑ Quelle: Eduard Meyer, "Geschichte des Altertums, Band 1", Jazzybee Verlag, 2012 (zitiert nach der Leseprobe bei Google Books ohne Seitenangabe)
- ↑ Anmerkung: Bei den so genannten Seevölkern, die Ägypten gegen Ende des 13. Jahrhunderts v.Chr. und insbesondere zu Beginn des 12. Jahrhunderts v.Chr. angriffen, handelte es sich mit einiger Sicherheit um sehr heterogene Allianzen von Angehörigen durch katastrophische Ursachen 'entwurzelter' Völker aus allen möglichen Teilen der 'Alten Welt'. Jürgen Spanuths Annahme, es habe sich bei ihnen fast ausschließlich um "Nordmeervölker" gehandelt, erscheint uns ebenso unhaltbar wie die derzeit 'im Schwange' befindliche fachwissenschaftliche Meinung, sie seien aus dem Raum der Ägäis gekommen.
- ↑ Angabe bei Spanuth: Medinet Habu, PL 27, 28, 46, 101; BREASTED, Anc. Rec. 1906/1907, IV, 45-56. "Die Enden der Erde" oder "das hintere Ende der Erde" bezeichnen in den altägyptischen Texten den extremen Norden; vgl Reallex. für Prot. Theol., "Philister"
- ↑ Angabe bei Spanuth: Medinet Habu, PL 101; BILABEL, 1927, aaO 128
- ↑ Angabe bei Spanuth: R. EISLER, Die "Seevölker"-Namen in den altorientalischen Quellen, in Caucasica, Leipzig, 1928, 33
- ↑ Quelle: Jürgen Spanuth, "Atlantis - Heimat, Reich und Schicksal der Germanen", Osnabrück (Otto Zeller Verlag), 1982, S. 230
- ↑ Angabe bei Spanuth: L. SETHE, Pyramidentexte, Leipzig, 1908/09, Spruch 366; G. ROEDER, Urkunden zur Religion des alten Ägypten, Breslau, 1919, 195; H. GRAPOW, Ausgewählte inschriftliche Quellen zur Geschichte, Sprache und Kunst der sog. Mittelmeervölker, A. Ägyptische Quellen. o J 52
- ↑ Angabe bei Spanuth: BILABEL, 1927, aaO 395
- ↑ Angabe bei Spanuth: GRAPOW, aaO 52; DÜMICHEN, Historische Inschriften, II, 47 d
- ↑ Angabe bei Spanuth: Pylon des Haremheb
- ↑ Angabe bei Spanuth: Inschrift von Philae
- ↑ Quelle: Jürgen Spanuth, op. cit. (1982), S. 230
- ↑ Anmerkung: Zu den obigen Feststellungen führt Jürgen Spanuth noch erläuternd an: "Um diese Bezeichnungen der Heimat der Nordmeervölker oder Haunebu zu verstehen, muss man sich die Vorstellung, die die alten Ägypter von der Erde hatten, vergegenwärtigen. Sie glaubten, wie andere alte Völker auch, daß die bewohnte Erde eine runde Scheibe sei, die vom >sin-wur< oder >dbn-wur<, dem >Großen Wasserkreis<, wie von einem gewaltigen Strom umflössen sei. In der Mitte der Erdscheibe, so glaubten die Ägypter, liege das >Innere Meer< = das Mittelmeer, das niemals zum >Großen Wasserkreis< gezählt wurde. Der >Große Wasserkreis< der Ägypter entspricht dem Okeanos der Griechen, von dem [[|HERODOT]] sagt: >Der Okeanos, so geht die Sage, fließt vom Aufgang der Sonne rings um die Erde.<" (Quelle: Jürgen Spanuth, op. cit., S. 230)
Bild-Quellen:
- 1) Jürgen Spanuth, "DIE GROSSE WANDERUNG", in: Die Karawane - Vierteljahreshefte der Gesellschaft für Länder- und Völkerkunde Heft 1 - 8. Jahrgang, 1967, S. 5-60 (hier: S. 26)