Desmond Lee

Forscher- und Autorenportrait

Abb. 1 Das Frontcover Des Buches mit D. Lees Übersetzungen der Dialoge Timaios und Kritias ln der Auflage aus dem Jahr 2008. Seinen aufschlussreichen Appenix zu Atlantis witd man darin allerdings vergeblich suchen: er wurde vom Verlag weggelassen!

(red) Sir Henry Desmond Pritchard Lee (geboren am 30. August 1908 in Nottingham; † 8. Dezember 1993 in Cambridge), allgemein bekannt als Desmond Lee, war an britischer Altphilologe, dessen Interessen-Schwerpunkte und Kernkompetenzen auf dem Gebiet der Philosophie des Altertums lagen. Im Bereich der Lehre war er vorwiegend an der University of Cambridge und mehreren ihrer Colleges tätig, aber auch am Clifton College, Bristol, sowie am Winchester College. Zu seinen wichtigsten Werken zählen seine Studie über den vorsokratischen griechischen Philosophen Zenon von Elea (1935) [1], eine kommentierte Übersetzung der Meteorologica des Aristoteles (1952) [2], sowie seine Übersetzungen der Platonischen Dialoge Politeia (1955), Timaios und Kritias (1971) [3]. [4]

In Hinsicht auf Platons Atlantisbericht gilt Lee, der, wie Tony O’Connell bemerkt - "Platos Erzählung als das früheste Werk der Science Fiction" [5] betrachtet haben soll, allgemein als Verfechter der Fiktionalitäts-These. Weiter heißt es bei dem irischen Atlantologie-Enzyklopädisten über die Ansichten des Atltphilogen: "Er hatte große Schwierigkeiten mit dem Oreichalkos, den er für ein völlig imaginäres Metall hielt, und er war der Ansicht, dass Plato irrtümlicherweise den ursprünglichen Daten [d.h. Zahlenangaben; d.Ü.], die von Solon geliefert wurden, [jeweils] eine Null hinzufügte." [6] Dies zeigt jedenfalls, dass Lee zumindest die von Platon angegebene Überlieferungskette des Atlantisberichts in der Tat für historisch, zumindest jedenfalls für keineswegs unglaubwürdig hielt.

Bedeutsam erscheint zudem, dass Desmond Lee Platon im Rahmen seiner Studien zur Politeia auch gegen die von manchen Gelehrten kultivierte These verteidigte, der Philosoph habe mittels γενναίον ψεύδος (gennaion pseudos) - ein von ihm verwendeter Begriff, der gerne mit "noble lie" (hehre, 'noble Lüge'; ein trügerischer Mythos) übersetzt wird - die propagandistische Manipulation der Massen betrieben oder unterstützt. Lee allerdings hielt diese Auslegung für grundfalsch und übersetzte besagten γενναίον ψεύδος vielmehr mit "magnificent myth" (glorreicher oder großartiger Mythos). [7] [8] Diese Feststellung ist auch von einigem atlantologischen Interesse. Immerhin wurde von Benjamin Jowett und anderen unterstellt, Platons Atlantisbericht sei ebenfalls im Sinne einer noble lie zu verstehen.

Wie differenziert Lees Überlegungen zur Atlantiserzählung tatsächlich waren, lässt sich seinem "Appendix on Atlantis" entnehmen, den er im Rahmen seiner Übersetzung des Timaios und Kritias von 1971 vorstellte. Dabei legte er allerdings auch eine gewisse argumentative Zerrissenheit an den Tag, indem er einerseits Atlantis zwar nicht für einen realen Ort hielt [9], dem Atlantisbericht andererseits aber zubilligte, einen harten historischen Kern enthalten zu können [10] - eine der zentralen Annahmen im Rahmen der atlantologischen Historizitäts-These. Thorwald C. Franke hat zu besagtem Appendix on Atlantis ein höchst lesenswertes Papier [11] mit weiteren Details zu dessen Inhalt und deren Bewertung veröffentlicht. Wer aber Lees Traktat im Original nachschlagen will, muss eine der beiden frühen Ausgaben des Buches (1971 und 1977) antiquarisch erwerben, denn in der aktuellen Auflage von 2008 (Abb. 1) wurde dieser wichtige Anhang einfach weggelassen.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe: H. D. P. Lee, "Zeno of Elea: a text and notes", Cambridge: University Press, 1935"
  2. Siehe: Aristoteles & Lee, "Meteorologica", Harvard University Press, 1952
  3. Siehe: Plato & Lee, "Timaeus and Critias", Penguin Books, 1971 (diverse Neuauflagen)
  4. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: "Desmond Lee" (abgerufen: 18. Dezember 2017)
  5. Quelle: Tony O’Connell, "Lee, Sir Henry Desmond Prichard (M)", 09. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 18. Dezember 2017; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  6. Quelle: ebd
  7. Siehe: Plato & Lee, "The Republic", Penguin Classics, 2003, S. 177
  8. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: "Desmond Lee" (abgerufen: 18. Dezember 2017)
  9. Anmerkung: Übrigens betrachtete er auch die von Platon im Zusammenhang mit Atlantis erwähnte rätselhafte Substanz Oreichalkos als "ein gänzlich unbekanntes und imaginäres Metall" (orig.: "a completely unknown and imaginery metal"). (Quelle)
  10. Anmerkung: Dies sollte nicht mit von Verfechtern der Fiktionalitäts-These gepflegten Annahme verwechselt werden, Platon habe sich bei der angeblichen 'Erfindung' seiner Atlantida von historischen Ereignissen inspirieren lassen. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de das Lemma: "Inspirations-Hypothese" (red)
  11. Siehe: Thorwald C. Franke, 17.-30. April 2014, "Sir Desmond Lee argumentiert unvermutet für die Realität von Atlantis", bei atlantis-scout.de (abgerufen: 18. Dezember 2017)

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