Zur Datierung der Atlantis-Katastrophe

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von René Malaise (1967)

Abb. 1 Charles S. Piggot entdeckte in der Mitte der 1930er Jahre Evidenzen für ein rezentes Versinken vormaliger Landstrecken im Zentralatlantik.

Plato zufolge ereigneten sich die großen Katastrophen, als Atlantis versank, oder eigentlich der Krieg zwischen den Athenern und den Atlantern stattfand, 9000 Jahre vor seiner Zeit. Praktisch alle späteren Autoren, die das Thema 'Atlantis' behandelten, haben akzeptiert, diese Datierung beziehe sich auf ein Jahr mit 12 Monaten. Dies würde bedeuten, dass Atlantis zeitgleich mit dem Ende des Großen Eiszeitalters, oder vor 11.000 Jahren, unter die Meeresoberfläche sank.

Andererseits implizieren die ozeanographischen Evidenzen sedimentärer Ablagerungen, die von Mr. Piggot (Abb. 1) quer über the Faraday Hills hinweg gewonnen wurden, dass der Mittelatlantische Rücken, das heißt der Kontinent Atlantis, noch viele tausend Jahre nach dem Ende der Eiszeit über der Meeresoberfläche verblieb. [1] Es ist nahezu sicher, dass zuerst der nördliche Teil des Mittelatlantischen Rückens versank, nämlich die niedrige und schmale, nun unterseeische Strecke, welche Island exakt mit seiner ebenfalls schmalen und fast ebenso niedrigen Fortsetzung, den Faraday Hills, verbindet, und dann folgten die Faraday Hills selber. Erst danach versank auch das Festland von Atlantis. Als der Golfstrom (Abb. 2) diesen Rücken südlich von Island durchqueren und weit im Norden in den Arktischen Ozean eindringen konnte, wurde das Klima während des so genannten klimatischen Optimums in Europa und wahrscheinlich auch in der gesamten nördlichen Hemisphäre wärmer. Der Beginn dieses Klima-Optimums ist auf 5000 v.Chr. datiert worden.

Abb. 2 Nach R. Malaise konnte der Golfstrom erst vor ca. 7000 Jahren, nach dem Untergang eines Teils von Atlantis, seine volle Wirkung auf das Klima in Europa entfalten.

Würde sich Platos Aussage, dass Atlantis 9000 Jahre vor seiner Zeit versank, auf Jahre mit 12 Monaten beziehen, dann wäre das Festland von Atlantis Tausende von Jahren vor den Faraday Hills versunken, was äußerst unwahrscheinlich ist. Der Kanarenstrom wäre in solch einem Fall bereits vor 11.000 Jahren in Gang gekommen. Libyen wäre von dieser Zeit an eine Wüste gewesen und hätte nur ein Minimum von Bewohnern gehabt. Zur Zeit von Ramses II. hätte Ägypten die spärlichen Bewohner dieser Wüste wohl kaum fürchten müssen. Die ägyptischen Dokumente auf den Wänden des Tempels in Medinet Habu besagen andererseits, dass sich in Libyen einige Jahre vor der the Schlacht von 1195 v.Chr. extreme Dürren ereignet hatten, nämlich um 1200 v.Chr. Das selbe Dokument gibt an, dass die angreifenden Seevölker von den Inseln im Meer kamen, und dass "ihr Land zerstört war". Die Krieger dieser Seevölker wurden begleitet von germanischen Stämmen aus dem Norden Europas. Wenn sie nicht vom Mittelatlantischen Rücken kamen, dann entweder von den Britischen Inseln oder aus Skandinavien, aber keines dieser Gebiete wurde vernichtet. Die tief liegende Region der Doggerbank soll, wie allgemein angenommen wird, zu einem früheren Zeitpunkt überflutet worden oder versunken sein, und an keinem dieser Orte kamen Elefanten und Kakaobäume [2] vor.

Abb. 3 Olof Rudbeck d.Ä. (1630–1702) brachte die Idee in die neuzeitliche Atlantisforschung ein, Plato habe bei seiner Datierung der Geschichte von Atlantis tatsächlich in Mondjahren gerechnet.

Die Funde von Bronze-Utensilien, die in das Land um die Mündung des Flusses Elbe herum und nach Skandinavien importiert wurden, können nicht aus Cornwall stammen, wo Bronzefunde viel rarer sind, sondern nur aus einem jetzt verschwundenen Land. Noch viel mehr Einwendungen könnten gegen die Datierung von 9000 Sonnenjahren vor dem Zeitpunkt 1200 v.Chr. vorgebracht werden. Plato bezog sich folglich mit höchster Wahrscheinlichkeit auf griechische Mondjahre, die annähernd Monaten entsprechen. Der schwedische Forscher Olof Rudbeck (Abb. 3) führte 1679-1702 in seinem [Werk] "Atland oder Manheim" [3] die Möglichkeit an, Plato habe ägyptische Mondjahre gemeint, ein Vorschlag, der 1953 von dem Pastor Jürgen Spanuth (in: Das Entratselte Atlantis) aufgenommen wurde. Dementgegen hebt Zhirov (1964, p. 367) in seiner russischen "Atlantida" [4] hervor, dass der Mondkalender in 641 n.Chr. durch die Araber in Ägypten eingeführt wurde, und dass der altägyptische Kalender auf dem ersten Erscheinen des Sterns Sirius beruhte, der bei ihnen Sothis hieß. Ein Sothis-Zyklus entsprach 1460 Sonnen-Jahren, doch auch dieser Sothis-Zyklus basierte letztendlich auf dem alten assyrischen Mondjahr. Dieser assyrische Mondkalender fand bei allen mediterranen Kulturvölkern des Altertums Verwendung, und so auch bei den Griechen.

Im 6. Jahrhundert v.Chr. vervollkommnete der Grieche Kleostratos den alten Mondkalender und führte den achtjährigen Mondzyklus Octaeteris ein. Im Jahr 432 v.Chr. stellte Meton Griechenland einen weiter entwickelten, nach ihm benannten, Mond-Zyklus [5] vor, der auf 19 Mondjahren und 7 Schaltjahren basierte. Sowohl zu den Zeiten Solons als auch jenen des Platon verwendeten die Griechen folglich Mondjahre, und es gibt keine valide Begründung dafür, dass Platon Sonnenjahre in seiner Erzählung benutzt haben sollte. Bezug nehmend auf die Namen in seinen [Atlantis-] Erzählungen sagt Plato: "Solon … führte eine Untersuchung zur Bedeutung der Namen durch und fand, dass die frühen Ägypter sie bei deren Niederschrift in ihre Sprache übersetzt hatten, und er entdeckte die Bedeutung der verschiedenen Namen wieder und [...] übertrug sie wiederum in unsere Sprache." Offenbar tat Plato das selbe mit den Sothis-Jahren und rechnete sie in griechische Mondjahre um.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von René Malaise wurde erstmals unter dem englischen Original-Titel Dating of Atlantis Catastrophe in Egerton Sykes´ Magazin 'Atlantis' (#108, Januar/Februar 1967, Vol. 20 No. 1) veröffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint er (13.05.2013) in einer deutschsprachigen, redaktionell bearbeiteten, Fassung.

Einzelverweise:

  1. Siehe: Piggot, Charles S., "Core samples of the ocean bottom," Carnegie Institution of Washington News Service Bulletin Staff Edition, 4 (no. 9), 6 December 1936; --- sowie: Piggot, Charles S., "Core samples of the ocean bottom," Smithsonian Report for 1936, No. 944, Smithsonian Institution, Washington DC, pp. 207-16, 1937.
  2. Red. Anmerkung: "Kakaobäume" ist Dr. Malaises Interpretation von Gewächsen auf Atlantis, die von Platon im Dialog Kritias (115b) erwähnt werden.
  3. Siehe: Olof Rudbeck, "Atland eller Manheim, Atlantica sive Manheim, vera Japheti posterorum sedes et patria", Upsala, 1675–1698 (4 Bände)
  4. Red. Anmerkung: N. Zhirovs Buch wurde später auch in englischer Sprache unter neuem Titel aufgelegt: "Atlantis - Atlantology: Basic Problems", Moskau (Progress Publishers), Jan. 1968, Zweitaufl. 1970
  5. Siehe: 'Meton-Zyklus'

Bild-Quellen:

1) Charles Snowden Piggot 1892—1973, A Biographical Memoir by George R. Tilton, National Academy of Sciences, National Academies Press Washington D.C., 1995 (online als PDF-Datei 170,23 KB)
2) RedAndr, File:Golfstream.jpg, bei: Wikimedia Commons
3) File:Rudbeck Olof sr.jpg, bei: Wikimedia Commons