Nicholas William Tschoegl

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Forscher- und Autorenportrait

Abb. 1 Professor Dr. Nicholas William Tschoegl in den 1970er Jahren

(red) Nicholas William Tschoegl (Abb. 1) (* 1918 in Mähren; ✝ 14. November 2011 in Pasadena, Kalifornien) war als naturalisierter US-Amerikaner Professor für Chemische Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule Kaliforniens (Caltech). Neben seinen naturwissenschaftlichen Interessen hatte Tschoegel zudem auch eine Vorliebe für Sprachen und Alte Geschichte. Was letzteren Bereich betrifft, so gehörte er zu den Verfechtern der Kretominoischen Atlantis-Hypothesen.

Der Atlantologie-Enzyklopädist Stelios Grant Pavlou hat folgende Biographie des Wisenschaftlers zusammengestellt: "Tschoegl wurde im östlichen Teil des Gebiets der heutgen Tschechischen Republik geboren. Als er drei Monate alt war, fiel sein Vater kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs an der italienischen Front. Von seiner Mutter aufgezogen, verbrachte er seine prägenden Jahre in Ungarn, Deutschland und der Tschechoslowakei. Im Alter von neun Jahren begann ihn die Elektrizität zu faszinieren, was sein Interesse an der Wissenschaft aufkeimen ließ.

Zu dieser Zeit entwickelte er auch eine Leidenschaft für Sprachen. Bereits bewandert im Deutschen, Ungarischen und Tschechischen, machte er sich ans Studium des Englischen, Französischen, Italienischen und Lateinischen. Auf dem Gymnasium [orig.: "high school"; d.Ü.] schnappte er etwas Türkisch auf und lernte arabische und kyrillische Schrift. Schließlich studierte er noch andere Schrift-Systeme, darunter ägyptische Hieroglyphen, assyrische and babylonische Keilschriften, Chinesisch und Japanisch.

Abb. 2 Prof. Tschoegls Skizze der Vulkaninsel Thera. Die originale Bild-Unterschrift lautet übersetzt: "Der Schlüssel zu den ausgelöschten Atlanter- und Minoer-Zivilisationen ist die vulkanische Insel Thera, etwa 75 Meilen nördlich von Kreta."

Im Jahr 1936 wurde er zur ungarischen Armee eingezogen, die mit Nazi-Deutschland verbündet war. Er war von 1942 bis 1943 in der Ukraine stationiert, wo er in drei größeren Schlachten kämpfte. 1944 kehrte er nach Ungarn zurück. Bei Kriegsende wurde er während der Belagerung von Budapest von einem sowjetischen Kundschafter angeschossen. Es gelang ihm, seinem Angreifer zu entkommen, indem er in den Keller eines nahe gelegenen Appartements rannte. Später kümmerte sich seine Freundin Sofia um ihn, während er sich in der Wohnung seiner Großtante erholte." Bei einer Gelegenheit hatte "Sofia die Wohnung verlassen, als ein russischer Soldat herein kam, ihn beschuldigte, ein Nazi zu sein und damit drohte, ihn zu erschießen. Zum Glück kam Sofia — die Russisch sprach — zurück und intervenierte, womit sie Tschoegl das Leben rettete. 1946 heiratete Tschoegl Sofia, und 1947 bekamen sie ihren ältesten Sohn, Adrian.

1948 flohen er und seine Familie vor der kommunistischen Herrschaft. Sophia und Adrian nahmen einen Zug nach Italien, während er mitten in der Nacht mit einem Boot einen See an der österreichischen Grenze überquerte. Nach einem Jahr in Österreich zog die Familie nach Sydney, Australien, wo 1954 ihr zweiter Sohn, Christopher, geboren wurde. Tschoegl schloss seine Ausbildung ab, erlangte 1954 an der New South Wales University of Technology den Grad eines Bachelors, und 1958 an der selben Institution, die in University of New South Wales umbenannt wurde, auch den eines Ph.D. in physikalischer Chemie.

Abb. 3 Dieses Fresko zweier Antilopen, das auf Thera entdeckt wurde, lässt ähnliche Funde aus der Minoer-Kultur auf Kreta, wie Tschoegl kommentierte, "vergleichsweise provinziell erscheinen."

Danach trat er dem Bread Research Institute of Australia bei, wo er Pionierarbeit zur Rheologie von Weizenmehlteig leistete [...] Im Jahr 1961 nahm er eine Position bei der University of Wisconsin an, wo er zu synthetischen Polymeren arbeitete, verbrachte danach ab 1963 zwei Jahre am Stanford Research Institute, bevor er 1965 bei Caltech als Assistenz-Professor für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik tätig wurde. Zwei Jahre später wurde er dort Professor für Chemische Verfahrenstechnik, und 1985 wurde er schließlich als Professor emeritiert." [1]

Prof. Tschoegl und Atlantis

Obwohl bisher nur eine einzige schriftliche Abhandlung Tschoegls zum Thema 'Atlantis' aus dem Jahr 1972 - "Atlantis: Cradle of Western Civilization?" [2] - aufzufinden war, kann sein Interesse an diesem Gegenstand keineswegs nur nebensächlicher Natur gewesen sein. Dies zeigt schon die Tatsachte, dass er in Sachen 'Atlantis' eine ganze Reihe viel beachteter Vorträge - vor Studenten und Alumni der Technischen Hochschule Kaliforniens, aber auch im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen - hielt. Zum Erfolg dieser Vorträge heißt es in der Zeitschrift Engineering & Science, die besagten Artikel von ihm publizierte: "Seine Rede im Beckman Auditorium im vergangenen Monat zog mehr Menschen an als jede andere Vorlesung, die dort jemals gehalten wurde; [er] füllte das Ramo Auditorium mit einer eingespeisten [orig: "piped-in"; d.Ü.] Version [seines Vortrags] ohne Dias und Graphiken, und hunderte Menschen mussten draußen bleiben." [3]

Daran mag man nicht nur erkennen, dass N.W. Tschoegl offenbar ein äußerst fähiger Vortragsredner war, sondern auch das enorme Interesse ermessen, das Platons versunkenem Inselreich damals - zur Zeit des jüngsten großen 'Atlantis-Hypes' - entgegengebracht wurde. Über Atlantis' als Faszinosum für die 'breite Masse' meinte der Professor übrigens mit einer ganz ähnlich verquasten, vulgärpsychologischen Attitüde, wie sie für gewöhnlich auch Atlantis-Skeptikern eigen ist:

Abb. 4 Tschoegl identifizierte das Flachland von Messara auf Kreta als jene atlantische Ebene, die Platon im Dialog Kritias (118a) beschrieb.

""Für einige gehört Atlantis in die selbe Kategorie wie UFO's [...] Beide gehen auf die selbe gemeinsame Wurzel zurück - das Gefühl, dass wir womöglich in irgendeinem früheren Zeitalter über das Geheimnis verfügten, in Frieden zusammen zu leben, und dass dieses Geheimnis irgendwie verloren ging. Durch die Wiederentdeckung von Atlantis werden wir, wie viele Menschen glauben, dieses Geheimnis erneut finden. In der selben Weise glauben manche [Menschen], eine Rasse von Wesen in irgendeiner fernen Galaxie habe das Geheimnis, und werde es uns eines Tages übermitteln." [4]

Für sich selber nahm Tschoegl natürlich einen etwas intellektueller formulierten Ansatz in Anspruch: "Die Theorien und Evidenzen, die Atlantis mit der historischen Minoer-Zivilisation in Verbindung zu bringen scheinen, sprechen mich an, weil sie etwas mehr Ordnung mein persönliches Universum bringen. Etwas, das zuvor nicht fassbar war, findet nun seine passende Nische im Gesamtbild der Dinge." [5] Und seinen Vortrag im Beckman Auditorium betrachtete er, wie es im Magazin Engineering & Science heißt, u.a. als Möglichkeit, "etwas von dem Mystizismus bezüglich Atlantis aus dem Weg zu schaffen."

Abb. 5 A. Galanopulos´ Skizze der Metropolis von Atlantis mit englischsprachiger Legende bei Nicholas Tschoegl (1972)

Tatsächlich könnte Tschoegls atlantologische Fixierung auf die Kretominoischen Hypothesen damit zu tun haben, dass ihn das katastrophische Ende der Minoer-Kultur bereits in seiner Jugend umtrieb. Immerhin meinte er selbst: "Ich war etwa 14 Jahre alt, als ich auf ein Buch stieß, das eine farbige Tafel mit dem Palast des Minos bei Knossos auf der Insel Kreta zeigte. Der Palast ging in Flammen auf. Ich wollte das Schicksal jener seltsamen und aufregenden Kultur verstehen, die so viele wunderare Dinge geschaffen hatte. Ich wollte wissen, warum solche Schönheit zerstört wurde. Wenn ich den Grund dafür wüsste, so dachte ich, würde dies die Dinge für mich wieder irgendwie ins Lot bringen. Als ich dann im vergangenen Sommer in Athen eine Ausstellung über die Ausgrabungen auf Thera sah, realisierte ich, ich könnte eine Antwort gefunden haben." [6]

Bei einer näheren Betrachtung von Tschoegls Artikel aus dem Jahr 1972 wird jedenfalls schnell deutlich, wie weitreichend er - wie alle Verfechter eines 'Minoer-Atlantis' - Platons Angaben uminterpretieren bzw. ignorieren musste, um dessen Bericht mit seiner Wunsch-Vorstellung zur Lösung des Atlantis-Problems in Einklang zu bringen; eine Tatsache, der er sich offenbar durchaus bewusst war, denn er schrieb:

"Was ist mit der Örtlichkeit von Atlantis? Plato legte sie zweifelsohne in den Atlantischen Ozean. Doch das, was wir über die Topographie des Atlantiks wissen, macht es nahezu unmöglich anzunehmen, dass während irgendwelcher historischer Zeiten in diesem Ozean ein Inselreich existiert haben könne. Zudem würde es auch wegen der unglaublichen Logistik, um über solche riesigen Distanzen hinweg einen Krieg zu führen, viel mehr Sinn machen, Atlantis eher näher beim griechischen Festland zu suchen." [7]

Was Platons - in der Tat irritierende - Zahlenangaben betrifft, schloss Prof. Tschoegel sich Dr. Angelos Galanopulos´ simplistischem Vorschlag ihrer generellen Kürzung um den 'Faktor 10' an. Damit war nicht nur das lästige Problem chronologischer Einordnung der im Atlantisbericht geschilderten Ereignisse 'vom Tisch', sondern auch geographische Aspekte konnten wunschgemäß interpretiert werden, z.B. in Hinsicht auf die im Kritias (118a) beschriebene 'fruchtbare Ebene' auf Atlantis: "Wenn diese von 2000 mal 3000 Stadien - in etwa die Größe Kaliforniens - auf 200 mal 300 Stadien reduziert werden, passen die Abmessungen fast perfekt zu jenem Teil Kretas, der Messara-Ebene (Abb. 5), wo minoische Fundstätten ausgegraben wurden." [8]

Auch in Hinsicht auf die Metropolis von Atlantis mit der königlichen Residenz (Basileia) legte Tschoegl keine eigenen Überlegungen vor, sondern rekapitulierte lediglich die - freilich im Widerspruch zu seinen eigenen Vorstellungen zur Ebene von Atlantis stehende - Ansicht des griechischen Seismologen: "Galanopoulos hat die mutige Vorstellung vorangebracht, dass die alte Metropolis nicht auf Kreta, sondern auf Thera gesucht werden muss. Gemäß seiner Vorstellung war die Inselgruppe einschließlich Thera das wirkliche Zentrum des Minoer- oder Atlanter-Reiches. Die altertümliche Metropolis wurde somit bei dem Vulkanausbruch völlig zerstört." [9].


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Stelios Grant Pavlou, "Nicholas William Tschoegl", 17. April 2016 (jüngste Bearbeitung), bei atlantipedia.com (abgerufen 13. Jan. 2017; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  2. Siehe: Nicholas Tschoegl, "Atlantis: Cradle of Western Civilization?", in: Engineering & Science, Volume 35, No.7, California Institute of Technology, Alumni Association, 1972, S. 16-21 (online als PDF-Datei; abgerufen: 13. Jan. 2017)
  3. Quelle: o.A., "Why Atlantis?", in: Engineering & Science, Volume 35, No.7, California Institute of Technology, Alumni Association, 1972 S. 18-19
  4. Quelle: ebd.
  5. Quelle: ebd.
  6. Quelle: ebd.
  7. Quelle: Nicholas Tschoegl, op. cit. (1972), S. 21
  8. Quelle: ebd.
  9. Quelle: ebd.

Bild-Quelle: