Äthiopien

Eine Betrachtung aus atlantologischer Sicht

Abb 1 Auf dieser Karte aus dem Jahr 1650 wird der Atlantik im Westen Afrikas noch als 'Äthiopischer oder südlicher Ozean' bezeichnet.

(bb) Jede atlantologische beziehungsweise atlantologie-historische Betrachtung zum Thema 'Äthiopien' wird zunächst einmal durch die Tatsache kompliziert, das diese geographische Bezeichnung und Benennung in mehr oder weniger ferner Vergangenheit sehr unterschiedlich ausgelegt wurde.

Während man in historischen Zeiten und bis heute unter Äthiopien einen Binnenstaat im Osten Afrikas zu verstehen hat, der zur Zeit des dortigen Kaiserreiches auch unter dem Namen Abessinien oder Abyssinien bekannt war, und an Eritrea, den Sudan, den Südsudan, Kenia, Somalia und Dschibuti angrenzt [1] (Abb. 4), findet sich sogar noch auf Weltkarten aus dem 17. Jahrhundert die Bezeichnung 'Äthiopischer Ozean' für den Atlantik im Westen des afrikanischen Kontinents. So z.B. auf dem hier abgebildeten Exemplar (Abb. 1), auf dem das gesamte Zentalafrika als Äthiopien bezeichnet wird.

Nachvollziehbar wird diese antiquierte geographische Bezeichnung, wenn wir uns das antike Verständnis von Äthiopien vor Augen führen. Dazu heißt es in Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon aus dem Jahr 1837: "Äthiopĭen hieß bei den Alten alles Land in Afrika im S[üden] der Garamanten und der Nilfälle, wie denn überhaupt bei den Griechen alle Völker, welche an der Südgrenze der bekannten Welt wohnten, Äthiopier genannt wurden. Ä[thiopien] wurde in das westl. und östl. eingetheilt; das erstere scheint den Römern noch im 1. Jahrh. n. Chr. sehr unbekannt gewesen zu sein, dagegen hatten sie Kenntniß von Ostäthiopien, wo Meroë als Königsstadt berühmt war." [2] Und Frank Joseph bemerkt in seinem Buch "The Destruction of Atlantis" dass die Bezeichnung 'Äthiopien' für die atlantischen Küstengebiete Nordafrikas in der Antike noch im 1. Jahrhundert v.d.Z. üblich gewesen sei. [3]

Abb. 2 Homer beschrieb Äthiopien als mythisches Land im äußersten Süden des Erdkreises.

Bei Meinrad Blank erfahren wir einige Details zu den Informationen über Äthiopien, die sich bei Homer (Abb. 2) und Herodot finden lassen: "Homer zeigt Äthiopien als mythisches Sonnenland am Rand der Erde [im äußersten Süden des Erdkreises; bb] [...] Herodot erwähnt erstmals das äthiopische Königtum. Während der 25. Dynastie waren äthiopische bzw. kuschitische Könige zugleich Könige über Ägypten. Die 25. Dynastie dauerte lediglich von ca. 710 – 660 v. Chr. Die damalige Grenze Ägypten/Äthiopien war bei Elephantine." Bei Herodot lebten Äthiopiens Bewohner,die 'Aithiopen "nicht mehr, wie 300 Jahre früher bei Homer, am Ostrand [4] der Erde. Nachfolgend einige seiner Aussagen über Äthiopien: >Im ganzen Erdteil Afrikas gibt es vier Völkergruppen: die Libyer, die Äithioper, beide sind Autochthonen. Die beiden anderen, die Pho[e]nikier und die Hellenen sind Einwanderer. Äithiopien ist sehr goldreich, hat gewaltige Elefanten, sehr grosse, schöne, langlebige Menschen." [5]

Wir erkennen, dass das mythische oder sagenhaft-legendäre südliche oder westliche Äthiopien kaum noch greifbar hinter den Nebeln der Zeitläufte zu verschwimmen scheint, während das östliche - historisch gesehen - immer deutlicher hervortritt. Was die Frage nach dem frühesten, urtümlichen Äthiopien betrifft, müssen wir jedenfalls mit Tony O’Connell feststellen: "Wir können nur schlussfolgern, dass die Position des ursprünglichen Äthiopien fast ebenso schwer zu lokalisieren ist, wie die Lage von Atlantis selbst." [6] Im Zusammenhang mit Atlantis, dem wir uns nun zuwenden wollen, sei in Hinsicht auf das vormals offenbar 'doppelte' Äthiopien vorab noch auf eine weitere interessante Bemerkung des irischen Atlantologie-Enzyklopädisten verwiesen: "Es dürfte erwähnenswert sein, dass Poseidon in der griechischen Mythologie zwei Äthiopien erhielt [7], eines im Osten und das andere im Westen." [8]

Abb. 3 Der Philosoph Proklos (lat.: Proclus) berief sich auf die Äthiopische Geschichte des Marcellus, um die vormalige Existenz von Atlantis zu beweisen.

Mithin wird vor diesem Hintergrund und mit einem Blick auf die 'Klassiker' nachvollziehbar, warum beispielsweise der Historiker John G. Jackson 1985 erklärte: "Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass Atlantis mit der Geschichte des altertümlichen Äthiopien verbunden war. Der griechische Philosoph Proclus erklärte in seinen Werken, er könne Beweise dafür vorlegen, dass Atlantis einst existiert habe. Als Quelle zog er die ÄTHIOPISCHE GESCHICHTE des MARCELLUS heran. Bei seiner Bezugnahme auf die Äthiopische Geschichte zur Beweisführung der Existenz von Atlantis schlussfolgert Proclus schlechthin, dass Atlantis ein Teil Äthiopiens war." [9] Bei Plinius dem Älteren findet sich (in seiner Naturalis historia) zudem der Hinweis, dass Äthiopien vormals auch Atlantia genannt worden sei. [10]

In der modernen Atlantisforschung bzw. -literatur gibt es konsequenter Weise - insbesondere aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - eine ganze Reihe direkter Bezugnahmen auf Äthiopien und seine Bewohner. Einen diesbezüglichen Zusammenhang zwischen einem westlichen Äthiopien und Atlantis im Atlantik vermutete z.B. 1940 Alexander Braghine. [11] Deutlicher auf die der These eines 'doppelten' Äthiopien hatte sich schon einige Jahre vor Braghine der deutsche Orientalist und Linguist Joseph Karst (1871-1963) bezogen, der in seinem Buch "Atlantis und der liby-äthiopische Kulturkreis" ein Lokalisierungs-Modell vorschlug, in welchem er die vormalige Existenz eines östlichen und eines westlichen Reiches von Atlantis voraussetzte. Das westliche habe ganz Nordafrika, Iberien und den Atlantik umfasst, während sich das östliche über die Gebiete des Indischen Ozeans, des südlichen Persien und Arabiens erstreckt habe. [12]

Der französische Autor Daniel Duvillé beschrieb Atlantis 1936 in seiner Abhandlung "L’Aethiopia Orientale ou Atlantide, Initiatrice des Peuples Anciens" in ähnlicher Weise einerseits als Großinsel im Atlantik (einschließlich einer Halbinsel, die sich bis nach Island hin erstreckt haben soll) sowie ein weiteres Atlantis im Osten Afrikas (dem Gebiet des späteren Äthiopien). [13] Der Atlantologe Eugen Georg schließlich, ein Anhänger von Hanns Hörbigers Welteislehre, betrachtete das im Osten gelegene Äthiopien und seine Bewohner quasi als Erben des untergegangenen Atlantis im Atlantik: "Das neue Zeitalter nach dem Verschwinden von Atlantis war zunächst gekennzeichnet durch die weltweite Dominanz von äthiopischen Vertretern der schwarzen Rasse. Sie waren in Afrika und Asien vorherrschend ... und sie drangen sogar ins südliche Europa vor. Während der gegenwärtigen Ära - das sind die jüngsten 10.000 Jahre - hat die weiße Rasse ... die Herrschaft über die Welt [sic!; bb] erlangt." [14]


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

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(Abb. 4) Eine Karte des heutigen Staates Äthiopien
  1. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Äthiopien" (abgerufen: 8. April 2015)
  2. Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 136 (Stichwort: Äthiopien); zit. nach: Zeno.org
  3. Siehe: Frank Joseph, "The Destruction of Atlantis - Compelling Evidence of the Sudden Fall of the Legendary Civilization", Rochester (Bear & Company), 2002; erwähnt bei: Tony O’Connell, "Ethiopia", 7. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie
  4. Anmerkung des Verfassers (bb): Vermutlich sollte es hier heißen: am Südrand, wie auch aus der entsprechenden, zum Handout von M. Blanks Vortrag gehörigen Karte hervorgeht. Einer weiteren, die Vorstellungen Herodots illustrierenden Karte ist dort zu entnehmen, dass dieser Äthiopien bereits in etwa dort lokalisierte, wo es sich auch nach heutigem Verständnis befindet.
  5. Quelle: Meinrad Blank, "Was erzählen antike Autoren über Äthiopien?", Handout zum Vortrag, gehalten in Fribourg am 19.12.2008 (online als PDF-Datei; Hervorhebungen und Links durch Atlantisforschung.de)
  6. Quelle: Tony O’Connell, "Ethiopia", 7. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 8. April 2015; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  7. Anmerkung: In der altgriechischen Mythologie erhielten die Götter ihre irdischen Domänen, um Streit unter ihnen zu vermeiden, im Rahmen einer Verlosung zugesprochen. Diese Darstellung findet sich auch in Platons Atlantisbericht. In Bezug auf Poseidon heißt es bei ihm im Dialog Kritias (113b): "Wie im vorigen von der Verlosung unter den Göttern erzählt wurde, dass sie die ganze Erde teils in großen und teils in kleinen Stücken unter sich verteilten und sich Heiligtümer und Opfer stiften ließen, so fiel nun auch Poseidon durch das Los die Insel Atlantis zu." Auch wenn Platon Äthiopien unerwähnt lässt, so stellt sich doch die Frage, ob es sich dabei um ein anderes dem Gott zugesprochenes Land gehandelt haben soll, oder ob jenes westliche Äthiopien womöglich identisch mit Atlantis war.
  8. Quelle: Tony O’Connell, op. cit. (2010)
  9. Quelle: John G. Jackson, "Ethiopia and the Origin of Civilization", Black Classic Press, 1985, S. 26 --- Anmerkung: John Glover Jackson verweist hierzu auf: Isaac Preston Cory, "Corey's Ancient Fragments of The Phoenician, Carthaginian, Babylonian, Egyptian, and other authors", London (Reeves), 1876; sowie: Maynard Shipley, "New Light on Prehistoric Cultures", Haldeman-Julius Company, 1924; und: James Guy Bramwell, "Lost Atlantis", Cobden-Sanderson, 1937
  10. Quelle: Tony O’Connell, op. cit. (2010)
  11. Siehe: Alexander Braghine, "The Shadow of Atlantis, New York (Dutton), 1940 (diverse Neuauflagen)
  12. Siehe: Josef Karst, "Atlantis und der liby-äthiopische Kulturkreis", Heidelberg, 1931
  13. Siehe: D. Duvillé, "L’Aethiopia Orientale ou Atlantide, Initiatrice des Peuples Anciens", Paris (Malfére), 1936
  14. Quelle: Eugen Georg, "The Adventure of Mankind", New York (E.P. Dutton & Company), 1931, S. 121-122; zitiert nach: John G. Jackson, op. cit. (1985), S. 27; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de

Bild-Quellen:

1) J.A. Rogers, "Africa’s Gift to America: the Afro-American in the making and saving of the United States", New York (Helga A. Rogers), 1961; nach: Tony O’Connell, "Ethiopia", 7. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie
2) Jastrow bei Wikimedia Commons, unter: File:Homer Musei Capitolini MC557.jpg
3) Tony O’Connell, "Proclus", bei Atlantipedia
4) Landbot bei Wikitravel - The Free Travel Guide, unter: Datei:Karte-et.png