Die Flut des Deukalion

von Tony O’Connell

Abb. 1 Eine phantasievolle Darstellung des Flut-Helden Deukalion aus dem 16. Jahrhundert

Die Flut des Deukalion wird in der griechischen Mythologie in Begriffen aufgezeichnet, die an die biblische Sintflut erinnern. Prometheus, der Bruder des Titanen Atlas, warnte seinen Sohn Deukalion (Abb. 1) vor einer Überschwemmung, ließ ihn eine Arche bauen und sie mit allem beladen, was er benötigte. Dann fiel unaufhörlich Regen, überschwemmte Täler, überflutete Städte, vernichtete alle Menschen und ließ nur einige Berggipfel zurück, die noch über dem Meer zu sehen waren. Nach neun Tagen hörte der Regen auf, Deukalion und seine Frau Pyrrha kamen zum Vorschein und brachten die Vorfahren der Griechen hervor. (Abb. 2)

Ogyges war der Gründer und König von Theben, dessen Regierungszeit durch eine Flut beendet wurde, welche die ganze Welt bedeckte und Theben so verwüstete, dass es bis zur Regierungszeit von Kekrops ohne König blieb. Es ist eine offene Frage, ob die Flut des Deukalion und jene des Ogyges identisch sind oder nicht.

J.G. Bennett hat darauf hingewiesen [1], dass eine zerbrochene Marmortafel, die auf der griechischen Insel Paros entdeckt wurde und als Parische Chronik bekannt ist, wichtige Ereignisse in der frühen griechischen Geschichte aufzeichnet. Sie stellt eine Zeittafel mit einer Auflistung der frühen Könige dar, einschließlich Deukalion, der zur gleichen Zeit wie der ägyptische Pharao Thutmose III (1504-1450 v. Chr.) regiert haben soll. Sie legt seine Regierungszeit auf 700 Jahre vor der ersten Olympiade fest, welche auf 778 v. Chr. datiert ist, und liefert somit auch eine Datierung für die nach ihm benannte Flut auf das Jahr 1478 v. Chr.

Abb. 2 Deukalion und Pyrrha bevölkern nach der Flut die Welt neu, indem sie Steine hinter sich werfen, die zu Menschen werden. (Relief im Parc del Laberint d’Horta in Barcelona)

Diese Zeit fällt mit dem biblischen Exodus und dem Ausbruch von Santorin zusammen. Orosius, ein Autor aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., platzierte die Flut des Deukalion 810 Jahre vor die Gründung Roms und gab ihr ein Datum, das in etwa bei 1500 v. Chr. liegt. Dies liegt verdächtig nahe an der Datierung, die von den meisten Archäologen für den großen Ausbruch von Thera akzeptiert wurde. James W. Mavor unterstützte eine Datierung zwischen 1529 und 1382 v.Chr.

Giovanni Rinaldo Carli zitierte Clemens von Alexandria (150-215 n. Chr.), der feststellte, dass Stenelas (Sthenelos), der Vater von Cydas (Kyknos), König der Ligurier, zur gleichen Zeit lebte wie das Feuer des Phaëton und die Flut des Deukalion. Dies ist wahrscheinlich eine der frühesten Referenzen, die auf eine Verbindung zwischen diesen beiden katastrophischen Ereignissen des 2. Jahrtausends vor Christus hinweisen.

Auch Emilio Spedicato hat die Flut des Deukalion mit dem Exodus verbunden und datiert sie auf 1447 v.Chr. Er glaubt jedoch, dass diese Ereignisse auf die Explosion eines Kometen oder Asteroiden über Süddänemark folgten. Der Atlantis-Konferenz 2005 präsentierte er drei Papiere zum Thema Deukalionische Flut und Phaeton [2].

Die Arbeit von Finkelstein und Silberman [3] hat Zweifel an der Historizität des Exodus aufgeworfen, aber dies hat natürlich keinen Einfluss auf die Frage nach der Realität der Flut des Deukalion. (Es ist seltsam, dass bei einer solch skeptischen Sicht der Bibelgeschichte im Februar 2017 bekannt gegeben wurde [4], Finkelstein werde eine Suche nach der Bundeslade beginnen.)

David Rohl, ein führender Verfechter einer drastischen Abwärts-Verschiebung der Datierungen vieler Ereignisse der altägyptischen Geschichte um mindestens dreihundert Jahre, ist zu dem Schluss gekommen, dass die Flut des Deukalion während der Regierungszeit von Thutmosis III. stattfand [5] und - was die Angelegenheit sehr kontrovers macht - dass sie gleichzeitig mit dem Ausbruch von Thera und dem daraus resultierenden Tsunami stattfand. Nach Rohls "New Chronology" würde dies der Flut nämlich eine Datierung um 1100 v. Chr. zuordnen, aber nicht das konventionell akzeptierte Datum von ca. 1450 v.Chr.

Über die jüngesten Jahrtausende hinweg herrschte ein allgemeiner Konsens darüber, dass die Flut des Deukalion Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus stattfand. Dies zwingt Anhänger einer frühen Datierung von Atlantis dazu, Beweise für eine vergleichbare Katastrophe um 9600 v. Chr. vorzulegen, eine Aufgabe, die durch die anzunehmende Erosion solcher Beweise während eines so beträchtlichen Zeitraums erschwert wird. Wir können davon ausgehen, dass diese spezielle Debatte noch einige Zeit dauern wird.


Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Tony O’Connell (©) wurde seiner atlantologischen Online-Enzyklopädie Atlantipedia.ie entnommen, wo er am 07. Juni 2010 unter dem Titel "Deucalion, Flood of" erstveröffenlicht und nachfolgend weiter ausgebaut wurde. Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung nach dem Stand vom 20. März 2020 durch Atlantisforschung.de.

Fußnoten:

  1. Siehe: J.G. Bennett, "GEO-PHYSICS AND HUMAN HISTORY: NEW LIGHT ON PLATO'S ATLANTIS AND THE EXODUS", "9. Deucalion Flood", in: Systematics Vol. 1 No. 2, September 1963 (Links abgerufen: 21. März 2020)
  2. Siehe: Stavros P. Papamarinopoulos (Hrsg.), "The Book of Proceedings of the 1st International Conference “The Atlantis Hypothesis – Searching for a Lost Land”, Heliotopos Publications, 2007, S. 115
  3. Siehe: Israel Finkelstein & Neil Asher Silberman, "The Bible Unearthed", New York (Touchstone), 2002
  4. Siehe: Paul Seaburn, "New Search Begins for the Ark of the Covenant", 14. Februar 2017, bei mysteriousuniverse.org (abgerufen: 21. März 2020)
  5. Siehe David Rohl, The Lords of Avaris (Century-Random House, London, 2007)

Bild-Quellen:

1) Guillaume Rouille (1518?-1589), "Promptuarii Iconum Insigniorum", 1553 / Hannah (Uploaderin), bei Wikimedia Commons, unter: File:Deucalion.jpg
2) Till F. Teenck (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Relief of Deucalion and Pyrrha - Parc del Laberint d’Horta - Barcelona.jpg (Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung 3.0 nicht portiert“)