Die Sprache der Guanchen und die Frage nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit

Das Rätsel der Guanchen, Teil II

Abb 1 Der Alternativ-Historiker und Atlantologe Cedric R. Leonard betrachtet die Angehörigen der sogenannten "berber-ibero-baskische Sprachfamilie" als Vertreter eines spät- oder postchromagnoiden, atlanto-mediterranen Typus. (Karte: R. Cedric Leonard)

(bb) Die meisten Forscher schreiben den Guanchen nach wie vor eine vorwiegende Verwandtschaft mit den nordafrikanischen Ur-Berbern und den Basken in Südwesteuropa zu, eine Gemeinschaft, die man in Anlehnung an den Alternativ-Historiker und Atlantis-Experten R. Cedric Leonard als 'berber-ibero-baskischen Sprach- und Kulturraum' (Abb. 1) definieren könnte. (Wir möchten aufgrund unserer diesbezüglichen Übereinstimmung mit Leonard annehmen, dass die Kommunikation zwischen Spaniern und Guanchen zunächst gar nicht so schwierig gestaltet haben dürfte - sofern sich auch baskische Seeleute [1] auf den Schiffen der Eroberer befanden: möglicher Weise verstand man sich untereinander noch recht gut.) [2]

Gerade die sprachlichen Gemeinsamkeiten mit alten Völkern Nordafrikas erscheint jedenfalls augenfällig. Bereits die ersten Missionare auf den Kanaren-Inseln hatten im 15. Jahrhundert ein kleines Wörterbuch [3] des Guanchen-Idioms zusammengestellt, wobei sie die Begriffe ins Lateinische übertrugen. "Auch wenn letztgenannter Umstand die philologische Analyse dieser Sprache erschwert," erklärt Braghine dazu, "stellten die Philologen nichts destotrotz eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Guanchen-Sprache und den Dialekten der Berber und Tuareg fest, speziell mit einem, Senhadja genannten, Stamm aus dem Hoggar.

Darüber hinaus wurde auch ein Einfluss aus dem Arabischen entdeckt. Letztgenanntes Phänomen könnte man mit einem Verkehr zwischen Guanchen und Arabern [4] erklären, die, Sherif el Edrissi zufolge, die Kanaren noch vor den Europäern besuchten. [...] Was die Ähnlichkeit zwischen den Sprachen der Berber und Tuareg der Sahara (Hoggar-Oase) und jener der Guanchen angeht, so könnte sie durch die Hypothese eines gemeinsamen Ursprungs aller drei Stämme erklärt werden." [5]

Interessant genug, was Fachleute anhand der wenigen erhalten geliebenen Fragmente der Guanchen-Sprache noch alles herausfinden können. Immerhin steht den Sprachforschern keine authentische Grammatik zur Verfügung, und sie können nur auf ein Verzeichnis von gerade einmal 150 Wörtern zurückgreifen sowie auf insgesamt n e u n (!) Sätze, die historisch überliefert wurden. Zwei davon nennt Bolleter uns in seinem Essay aus dem Jahr 1910. Der erste Satz lautet: "Agonec acoron in at Zahana chaso namet", wobei die vorgelegte Übersetzung etwas 'exotisch' wirkt: "Ich schwöre, o Gott, den Vasallen auf den Knochen." [?] Und der zweite: "Achit guanoth Mencey reste Bencom." Übersetzung nach Bolleter: "Sei, o Bencom, Herr und Beschützer des Landes." [6]

Bolleter kommentierte damals: "Es fällt sofort auf, daß unter den Vokalen das a weit überwiegt (doppelt bis dreimal so viel wie i, e und o); daraus dürfen wir wohl schließen, daß die Sprache der Guanchen eine sehr klangvolle war. Unverkennbar läßt sich aus den bekannten Resten erkennen, daß dieselbe ein berberisches Idiom ist. Der Grundstock war allen Inseln gemein; [da] die Bevölkerungsmischung nicht überall dieselbe war und ein gegenseitiger Verkehr nicht existierte, bildeten sich insulare Dialekte, sprachliche Endemismen, aus. Die späteren Einwanderer vermochten wohl ihre Sitten und Kunstferigkeiten teilweise zu bewahren; ihre Sprache aber haben sie wahrscheinlich im Verkehr mit den Guanchen verloren." [7]

Während das Gros konventioneller und nonkonformistischer Forscher das Augenmerk auf naheliegende Beziehungen der Guanchen zu ihren direkten Nachbarn in Nordwestafrika richtet, betont Reinhard Prahl linguistische und andere kulturelle Gemeinsamkeiten der Alt-Kanarier mit präkolumbischen Amerikanern und Ägyptern: "Die Sprache der Guanchen scheint eine Mischung aus mesoamerikanischen und nordafrikanischen Bestandteilen zu sein, Pyramidenbauten auf Teneriffa sind denen der ältesten ägyptischen Epoche (prädynastisch), noch mehr aber südamerikanischen Pyramidenkomplexen ähnlich" (vergl. Teil I dieses Beitrags), und "laut der Anthropologin Ilse Schwedetzky ist die Guanchen-Mumifizierungsmethode nur eine vereinfachte Abart der präkolumbischen bzw. ägyptischen Technik, und die Religion der Guanchen scheint eine >Zusammenstellung< aus ägyptischen und altamerikanischen Motiven zu sein." [8] Dazu später mehr.

Abb. 2 Links: Künstlerische Impression der Chumash-Seefahrer, die Frank Joseph als Verwandte der kanarischen Guanchen betrachtet. Rechts: Eine der Chumash-Felszeichnungen, die das ringförmige 'Atlantis-Symbol' aufweisen.

Schon einige Jahrzehnte zuvor hatte jedenfalls, so A. Braghine (1940), der französische Schriftsteller Luc Durtain bei einem Besuch auf den Kanaren zu seiner Verwunderung festgestellt, dass "die Einheimischen dort auch heute noch Vasen aus Ton herstellen, die stark den indianischen Vasen im präkolumbischen Amerika ähneln." Durtain vermutete, wie Braghine erklärt, "dass die heutigen Bewohner [...] Form und Dekorations-Stil dieser Vasen von den ausgestorbenen Guanchen übernommen haben." [9]

Bei Braghine findet sich auch ein weiterer interessanter Hinweis, der zeigt, dass die heute von Prahl vertretene These einer Verwandtschaft von Guanchen, Nordafrikanern und präkolumbischen Amerikanern auch in wissenschaftlichen Kreisen keineswegs neu ist: "Professor Retzius meint, dass alle urtümlichen dolichocephalischen Stämme in Amerika sehr nahe mit den Guanchen der Kanarischen Inseln sowie mit den Rassen verwandt sind, welche die Atlantik-Küsten Afrikas bewohnen. Alle oben genannten Rassen und die dolichocephalischen Karibier haben eine rötlich-braune Haut. Es ist der Erwähnung wert, dass der mysteriöse Stamm der Masinti, der auf alten ägyptischen Fresken abgebildet ist, mit der selben Hautfarbe dargestellt wird." [10]

Möglicherweise gab es im Verlauf der Jahrtausende die von Prahl vermuteten transatlantische Migrationen von Westen nach Osten u n d andere, die vice versa verliefen. Frank Joseph vertrat z.B. 1998 in "Atlantis in Wisconsin" die Auffassung, dass etwa 5000 v.d.G. Prä- oder Proto-Guanchen die Kanarischen Inseln verließen, um später eine vergessene Frühkultur am Rock Lake in Wisconsin zu begründen. Als atlantologisches 'missing link' zwischen kanarischer und nord-amerikanischer Urgeschichte betrachtet er das ausgestorbene Volk der Chumash (Abb. 2, links), dessen Siedlungen sich schon um etwa 2950 v.d.G. in der Gegend des heutigen Santa Barbara, Kalifornien, nachweisen lassen. (Vergl. dazu: Indigenes Amerika - Erinnerungen an Atlantis von Frank Joseph)

Joseph schrieb über sie: "Symbole, welche die Chumash insbesondere über die Kanarischen Inseln [...], mit Atlantis in Verbindung bringen, wurden auf Höhlenmalereien (Abb. 2, rechts) entdeckt, die ein Paar von Ringen abbilden, die durch eine vertikale Linie miteinander verbunden sind. Auf Teneriffa, der größten der Kanaren-Inseln, wurde dieses Zeichen von den Guanchen, den alten Inselbewohnern, genau so in Höhlen angebracht. Es zeigte eine bestimmte Position der Sonne an, und die selbe Bedeutung hatte es vermutlich auch für die indigenen amerikanischen Künstler, da es dort umgeben von anderen astronomischen Glyphen auftaucht". [11]

In der Tat finden sich östlich und westlich des Atlantiik - aber eben auch auf den Kanaren – megalithische Spiralen (Abb. 12) und "Atlantis-Ringe" sowie bronzezeitliche 'cup-and-ring' Motive (vergl. dazu: Das Ringmulden-Motiv in Europa und Amerika von William R. Corliss), die es in der Gesamt-Schau höchst unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass es sich bei dieser weit verbreiteten Symolik einmal mehr um "zufällige Parallel-Entwicklungen" handeln könne, wie sie von konventionellen Forschern so gerne zur Erklärung derartiger Phänomene bemüht werden. Neben den kanarischen Pyramiden liefert gerade die Existenz dieser panatlantischen Symbole auf den Kanaren Anlass für eine Neubewertung der Guanchen-Kultur vor dem Hintergrund atlantologischer und diffusionistischer Erkenntnisse.


Kultur und Gesellschaft der Guanchen

Abb. 3 Eine der Guanchen-Felszeichnungen von La Fajana weist ein typisches Spiral-Symbol aus Megalith-Zeit auf, wie es im gesamten Atlantik-Raum zu finden ist: ein weitere Hinweis auf frühe und langandauernde überseeische Reisen oder Kontakte der Ur-Kanarier! (Foto: reisen.realedition.de)

Leider wissen wir über diese Kultur heute nur noch sehr wenig; zu gründlich wurden dieses uralte Volk und sein Erbe von den christlich-europäischen Eroberern ausgelöscht bzw. assimiliert. Charles Berlitz attestierte ihnen 1974 in "The Mystery of Atlantis" (Deutsch: "Das Atlantis-Rätsel"; 1976) "eine eigenartige Mischung aus einer zivilisierten Kultur und steinzeitlicher Primitivität" und berichtet: "Sie hatten unter anderem ein System einer Wahlmonarchie mit zehn Königen (siehe Atlantis!), beteten die Sonne an, [...] mumifizierten ihre Toten, bauten Häuser aus dicht zusammengefügten Steinen mit rot-, weiß- und schwarzfarbigen Mauern sowie gewaltige runde Befestigungsanlagen, kannten eine Art der Bewässerung durch Kanäle, nahmen Tätowierungen vor, indem sie die Haut mit Siegeln bedruckten." [12]

Nach Bolleter scheint Kleidung bei den Guanchen keine klimatische Notwendigkeit oder eine gesamt-gesellschaftliche Konvention, sondern ein Status-Symbol gewesen zu sein: "Wahrscheinlich trugen nur die Weiber und die vornehmen Männer Kleider; viele gingen nackt. Das Hauptkleid war ein weiter Kittel ohne Ärmel, welcher bis zu den Knien reichte, Tamarco genannt; er war mit großer Geschicklichkeit aus zwei Ziegenfellen zusammengenäht. Dazu trug man Bundschuhe aus dem gleichen Material; Gestalt und Namen sind bis heute geblieben (mako, xerco). Unter dem Tamarco trugen die Frauen einen bis auf die Füße reichenden Lederrock. Die Gewänder waren häufig gefärbt, meist rot, gelb oder grün. Die Fäden wurden aus den Sprungsehnen der geschlachteten Tiere hergestellt. Man kennt auch Gewebe aus Pflanzenfasern." [13]

Bei Bolleter finden wir zudem einige recht komplexe Hinweise zur Gesellschaftsform der Guanchen: "Die Bevölkerung schied sich in Adelige, Freie und Unfreie. Die ersteren waren reich an Land und Herden und trugen einen besonderen Schmuck an Bart, Haar und Kleidung; unter ihnen ragte das Geschlecht des Königs hervor. Die Freien machten das eigentliche Volk aus. Das Handwerk, das die Hörigen ausüben mußten, war nicht sehr geachtet, am wenigsten dasjenige eines Scharfrichters, welcher begangenen Diebstahl durch Ausreißen eines Auges oder eine blutige Bastonade strafen mußte, einem zum Tode Verurteilten aber den Schädel zu zerschmettern hatte. Womöglich wurden zu diesem Amt Kriegsgefangene gezwungen.

Meist lebten die Guanchen in Geschlechterverbänden, die miteinander zu größeren Stämmen vereint waren. Die Blutsverwandten hingen eng zusammen; Beschimpfung derselben wurde als eigene Schmach empfunden und bitter gerächt. Jede Insel zerfiel in mehrere Gaue, deren jeder einen König hatte. Im Kriege war er Oberfeldherr und führte die Verhandlungen mit dem Feind; er hatte den Vorsitz in öffentlichen Versammlungen, wobei er auf einem erhöhten Steine saß. Wenn er durch das Land zog, war er von den vornehmsten Adeligen begleitet; voraus wurde eine Lanze mit einer Art Flagge getragen. Den Hofstaat bestritt er aus den eigenen Gütern. Starb ein König, so wurde er in einer besondern Höhle beigesetzt. [Die] Würde [ver]erbte sich auf den Sohn, woran die Guanchen mit Zähigkeit hingen.

Abb. 4 Zur Lagerung von Nahrungsmitteln schlugen die Guanchen Speicher-Kammern in schwer zugängliche Felswände. Am Osthang des Montaña del Gallego, im Norden der Insel Gran Canaria, befindet befindet sich einer dieser Höhlenkornspeicher, der Cenobio de Valerón.

Der Thronbesteigung ging eine große Huldigung voraus; auf Tenerife war sie das größte Fest, und zu seiner Abhaltung war allgemeiner Friede geboten. Dem neuen Könige wurde eine Reliquie, ein Armknochen oder ein Schädelstück des Urahnen, der den Gau gestiftet, überreicht, auf welche er dem Volke Treue schwur. Nachher war allgemeiner Festjubel, Kampfspiel und Gelage. Der Jahrestag der Huldigung wurde stets gefeiert; auch der Landtag und die Ernte waren Festanlässe. Die allgemeine Gauversammlung, Tagoror, übte die Rechtspflege. Der König hatte den Kulturboden neu unter die Stammesgenossen zu verteilen. Streitigkeiten über Weidegrenzen konnten zu erbitterten Fehden führen." [14]

Tatsächlich betrieben die Guanchen eine - durch Fisch- und Vogelfang ergänzte - Mischung aus Viehwirtschaft und Ackerbau, wobei sie sich selbst vermutlich als Hirten-Krieger betrachteten. Auch Bolleter bemerkt: "Die Guanchen waren ein Hirtenvolk. Große Jagdtiere fehlten; der Fischfang lieferte keinen großen Erträge [...] Man fischte mit Angel und Netz vom Lande aus oder indem man in das Meer hinauswatete. Die Guanchen liebten das Fleisch der Ziegen. Diese Tiere bildeten den Hauptbestandteil ihrer Herden, wozu noch Schweine kamen; Rind, Pferd, Esel, Kamel fehlten den alten Kanariern. [15] Auch das Fleisch junger Hunde, verwilderter Kaninchen und wilder Tauben wurde genossen. Dazu kamen Milch, Käse und Butter, welche einen wichtigen Teil der Nahrung ausmachten. Butter wurde in der Weise bereitet, daß man einen Lederbeutel mit Milch mittelst einer Schnur an einem Ast aufhängte. Zwei Frauen warfen ihn aus einiger Entfernung einander zu, daß er klatschend hin und her flog [...] Noch jetzt soll diese Art der Butterbereitung auf einzelnen Inseln üblich sein. [...]

Doch kannten die Guanchen auch den Ackerbau. Nachdem der weiche Tuffboden bearbeitet war - man benutzte dabei hölzerne Stiebe mit Bockshörnern oder länglichen spitzen Steinen als Hacke -, pflanzte man Gerste, Weizen und Bohnen. Sorgfältig wurden die Unkräuter entfernt. Die zunächst gerösteten Körner wurden auf einer Handmühle gemahlen, mit Milch und Wasser versehen und in einem Ledersack tüchtig geknetet. Dieses Gericht, Gofio genannt, bildet heute noch das wichtigste kanarische Nahrungsmittel. Im übrigen verzehrte man, was die Natur an Genießbarem bot: Feigen, Brombeeren, die Früchte des Erdbeerbaumes und des Mocans, Farnwurzeln, Pinienkerne, wilden Honig. Als Getränke kannte man nur Milch und Wasser." [16]

Abb. 5 Die Guanchen-Statuette einer Kriegerin oder kriegerischen Göttin (Moneiba?). Vermutlich ein kulturelles Relikt aus der matriarchalen Vergangenheit dieses Volkes. Die filigrane Schnitzarbeit zeugt vom hohen künstlerischen Entwicklungsstand jener unbekannten Periode seiner Geschichte.

Ein Blick auf Werkzeuge und Waffen der Guanchen macht den neolithischen Charakter ihrer Kultur deutlich: "Die wichtigsten Geräte waren aus Stein gefertigt. Basalt diente als Material für Hämmer, Beile, Meißel, Handmühlen; aus Obsidian machte man allerlei spitzes und scharfes Gerät. Die heutigen Sammlungen guanchischen Werkzeugs zeigen, daß man eine große technische Fertigkeit im Herstellen desselben besaß. Das Schleifen war nicht üblich; die vorhandenen geschliffenen Geräte stammen von den neolithischen Nichtguanchen. Aus Knochen von Haustieren erstellte man Pfriemen, Nadeln und Angeln, kleinere Schneidewerkzeuge auch aus Muscheln. Zur Verfertigung von Körben wurde Holz verwenden; zu Schnüren und Säcken bediente man sich des Bastes. Auch besaßen die Guanchen hölzerne Dolche, Keulen und Schilde. Die Spitze des Wurfspießes war im Feuer gehärtet. Die gefährlichste Waffe indessen war der Wurfstein, der aus freier Hand geschleudert wurde.

Der Schmuck bestand aus aneinander gereihten Muscheln oder Tonperlen. Aus Ton wurden auch Wassergefäße und Kochtöpfe hergestellt. Allerdings stand die Töpferei noch auf einer niedrigen Stufe; die Geschirre sind unregelmäßig, unverglast und mit Fingerspuren versehen. Die wenig häufig angebrachten Ornamente waren Nageleindrücke oder roh eingeritzte Parallel- und Zickzacklinien am Rand. Auf Gran Canaria hat man bessere und reicher ornamentierte Gefäße entdeckt; sie rühren von den späteren [prä-hispanischen!; bb] Einwanderern her." [17]

Was die Wohnstätten der alten Kanarier angeht, äußerte Bolleter sich undifferenziert: "Die Guanchen wohnten in Höhlen. Die Kanaren eigneten sich trefflich hiezu; die Laven weisen eine Menge von Höhlen und Gängen auf, welche einen prächtigen Unterschlupf boten. Gewöhnlich wählte man solche aus, deren Zugang sehr schwierig war. Die meist niedrigen Öffnungen wurden nur ausnahmsweise verschlossen. Wo natürliche Höhlen fehlten, grub man solche in den weichen Tuff, wie dies auch heute noch vielorts geschieht. Der Hausbau war den Guanchen fremd. [...] Das Innere der Höhlen war höchst einfach. Als Sitze dienten unbehauene Stein-blöcke, als Lager ein Haufen Laub oder Felle. In einer Ecke lag die offene Feuerstelle, über welcher nachts eine Keinfackel brannte; Feuer wurde durch Reiben zweier Hölzer erzeugt." (Bolleter, 1910)

Tatsächlich nutzten nicht nur die Guanchen, sondern offenbar alle späten ur-kanarischen Kulturen Höhlen als Wohn- und Lagerräume (Abb. 9), was durchaus nicht bedeuten muss, dass dies immer so war. Auch Bolleter war als Forscher rechschaffen genug, um zumindest in einer Randbemerkung "von früheren freistehenden Häusern in Hierro, Lanzarote, Fuerteventura und Gran Canaria" zu berichten, die man entdeckt habe. Auf diesen Inseln sei "aber die Mischung mit den später erschienenen Rassen bedeutender" gewesen, sodass diese Bauwerke späteren prä-hispanischen Siedlern zuzuchreiben seien. (Bolleter, 1910)

Auch wenn wir hier die bislang ungekläre Frage nach diesen Bauwerken, ihrer Datierung und den kulturellen Einflüssen, unter denen sie entstanden, bei Seite lassen müssen, wird immerhin durch diese Randnotiz deutlich: Die Guanchen scheinen keineswegs so völlig vom Rest der Welt isoliert gewesen zu sein, wie dies auch heute noch häufig zu Unrecht vorausgesetzt wird - ein Problem, mit dem wir uns später noch ausführlicher beschäftigen werden.

Unsere Betrachtung der Kultur der Guanchen - und ihrer kanarischen Nachbarn - wollen wir hier mit einem Blick auf die besondere Stellung der Frau in ihren Gesellschaften beschließen. So hatte bereits Bolleter über sie festgestellt: "Die Ehe wurde in freier Wahl geschlossen, ohne Zeremonie; sie galt als heilig. Verletzung wurde mit dem Tode bestraft. Die Frauen genossen auch in der Öffentlichkeit große Achtung; sie wurden nicht selten in allgemeinen Angelegenheiten um Rat gefragt. Im übrigen lagen ihnen die eigentlichen Hausgeschäfte ob, obenso die Heilkunst. Sie bereiteten Kräutertränke und Salben aus Butter und Mark von Ziegen." (Bolleter, 1910)

Wie A. Braghine (1940) erwähnt, soll es bei ihnen sogar "eine Art Vestalinnen-Orden" gegeben haben [18]), die Hohepriesterinnen der Mahorero Fuerteventuras haben wir bereits kennengelernt, und die "Frauen von Hierro beteten eine Göttin namens Moneiba an", wie es bei WIKIPEDIA heißt. All dies lässt in der Tat Rückschlüsse auf spät-matriarchale Kultur-Relikte und einen nordafrikanischen Ursprung der späten Ur-Kanarier - oder zumindest eine kulturelle Verwandtschaft bzw. enge Beziehungen zwischen diesen Völkerschaften - zu.


Fortsetzung:


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Bernhard Beier © wurde 2006 für Atlanisforschung.de erstellt.

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Zu den Basken und ihren Ursprüngen vergl.: Das Land der Basken, eine atlantische Insel in Europa von Jürgen Hepke
  2. Anmerkung: Der Anomalist William R. Corliss weist zudem auch auf den Gebrauch einer Pfeifsprache durch die Guanchen hin, mittels derer sie über weite Entfernungen miteinander kommunizieren konnten. Es wäre interessant zu erfahren, ob es auch bei Basken und Berbern solche Pfeif-Sprachen gibt oder gab!
  3. Anmerkung: Dr. E. Bolleter bemerkte dazu: "Alonse de Espinosa, ein Dominikaner auf Tenerife, war der erste, welcher eine zusammenhängende, wenn auch kurze Darstellung über die Guanchen brachte, die zugleich einige Wörter und Sätze enthielt; sie erschien im Jahre 1594. 1604 verfaßte Antonio de Viana, der auf Tenerife geboren war, eine Geschichte der Inseln in Versen; sie enthält zahlreiche Traditionen und Sprachüberreste. Galindo, ein Franziskaner auf Palma, brachte 1632 wenig Neues bei. In neuester Zeit hat Lord Bute die eingehendsten Studien über die Guanchensprache gemacht. Nach ihm sind heute außer den zahlreichen Orts- und Personennamen kaum 150 Wörter bekannt, deren Sinn mit Sicherheit ermittelt ist." Dr. Bolleter stellt "einige derselben" in seinem Essay vor:
    • achimeyce, Mutter.
    • afaro, Korn.
    • aguere, See.
    • ahof, Milch.
    • ana, Schaf.
    • aran, Bauernhof.
    • ataman, Himmel.
    • axo, xayo, Leiche.
    • banot, Speer.
    • benesmen, Saezeit.
    • cabuco,Ziegenstall.
    • cancha, Hund.
    • cel, Mond.
    • chamato, Frau.
    • gofio, Mehlspeise (s. oben).
    • guan, Sohn.
    • guanche, Zusammenziehung von guanchinerfe, Sohn von Tenerife.
    • hacichei, Bohnen.
    • manse, Küste.
    • mencey, Herr.
    • oche, geschmolzene Butter.
    • samet, sance, Bruder.
    • tagoror, Versammlung. Wurzel auch in Taoro und Orotava.
    • tara, Gerste.
    • yoya, Saft von Mocan.
    • sucasa, Tochter.
    (Quelle: Dr. E. Bolleter, "Bilder und Studien von einer Reise nach den Kanarischen Inseln (1910)", Kapitel 6: Die Guanchen, die Urbevölkerung der Kanaren, online unter http://www.zum.de/stueber/bolleter/kapitel_06.html)
  4. Anmerkung: Zu rezenten Kontakten der Guanchen mit arabischen Handelsreisenden bemerkte A. Braghine 1940 zudem: "Kürzlich wurden in einer Grotte auf der Insel Teneriffa, nahe San Miguel, sechzig Mumien, viel alte Keramik und Löwenfelle entdeckt, wobei die zuletzt genannten die Wissenschaftler perplex machten, da es auf den Inseln niemals Löwen gegeben hatte, und sich ihr Vorhandensein lediglich durch Handel mit den Arabern erklären ließ." (S. 157)
  5. Quelle: Alexander Braghine, "The Shadow of Atlantis" (Erstveröffentl. 1940), THE ATLANTIS REPRINT SERIES bei ADVENTURES UNLIMITED PRESS, Kempton, Illinois (USA), 1997, S. 156-157
  6. Quelle: Dr. E. Bolleter, "Bilder und Studien von einer Reise nach den Kanarischen Inseln (1910)", Kapitel 6: Die Guanchen, die Urbevölkerung der Kanaren, online unter http://www.zum.de/stueber/bolleter/kapitel_06.html
  7. Quelle: ebd.
  8. Quelle: Gernot L. Geise und Reinhard Prahl, "Auf der Suche nach der Mutterkultur", Michaels Verlag (Peiting), 2005, S. 141
  9. Quelle: Alexander Braghine, "The Shadow of Atlantis" (Erstveröffentl. 1940), THE ATLANTIS REPRINT SERIES bei ADVENTURES UNLIMITED PRESS, Kempton, Illinois (USA), 1997, S. 157
  10. Quelle: ebd., S. 38
  11. Quelle: Frank Joseph, "Atlantis in Wisconsin", Galde Press Inc., Lakeville, USA, 1998, S. 29 - 37; als auszugsweise Erstveröffentlichung in deutscher Sprache unter dem Titel: "Indigenes Amerika - Erinnerungen an Atlantis" bei Atlantisforschung.de --- Anmerkung: Joseph weist dort auch darauf hin, dass die Chumash-Zeichnungen, ebenso wie jene der Guanchen, vorwiegend in Schwarz, Weiß und Rot gehalten sind, jenen Farben, die nach Platon auch für die Bauwerke der alten Atlantier charakteristisch gewesen sein sollen.
  12. Quelle: Charles Berlitz, "Das Atlantis-Rätsel", Zsolnay, 1976, S. 204/205. --- Anmerkung: 1.) Bei Braghine, der Berlitz offenbar als Quelle gedient hat, heißt es über solche Tätowierungs-Siegel oder -Stempel: "... analoge Siegel [aus Ton; bb] wurden in den neolithischen Schichten Thrakiens, Liguriens und Puglias gefunden. Ich habe persönlich eine reichhaltige Sammlung solcher Siegel [die allerdings aus Stein bestanden; bb] in Quito (Ecuador) gesehen. Der Eigentümer dieser Kollektion, Herr Ernesto Franco, hat sie in Esmeralda (Ecuador) aus einer Tiefe von mehr als dreißig Fuß ausgegraben, und die Geologen halten diese Schicht für 20 000 Jahre alt". (S. 157, 158)

    2.) Berlitz´ Vergleich der Monarchie der Guanchen mit dem atlantidischen Königtum nach Platon beruht möglicherweise auf einem Missverständnis. So berichtete Dr. E. Bolleter 1910 über die Kanarier Teneriffas zur Zeit der hispanischen Invasion: "Auf dieser Insel hatte im Anfang des 15. Jahrhunderts ein einziger König geherrscht, Tinerfe. Nach seinem Tode war das Reich in 9 Gaue zerfallen (Anagra, Tegueste, Tacoronte, Taoro, Icod, Daute, Guimar, Abono und Adexe), die unter seine 9 Söhne verteilt wurden." (Bolleter, 1910) Zuvor hatten offenbar 'Menceys' (Gaufürsten) aus dem Guanchen-Adel als Beamte die einzelnen Provinzen des Insel-Reichs regiert, keine souveränen Herrscher eines royalen Kollegiums, dem ein 'primus inter pares' vorstand, wie es im Atlantier-Imperium der Fall gewesen sein soll. Zudem hatten die Guanchen offenbar KEINE Wahlmonarchie, wie Berlitz angibt, sondern - wie auch die Atlantier bei Platon - eine Erb-Monarchie, bei der die Königswürde vom Vater auf den (ältesten?) Sohn übertragen wurde.
  13. Quelle: Dr. E. Bolleter, "Bilder und Studien von einer Reise nach den Kanarischen Inseln (1910)", Kapitel 6: Die Guanchen, die Urbevölkerung der Kanaren, online unter http://www.zum.de/stueber/bolleter/kapitel_06.html
  14. Quelle: ebd.
  15. Anmerkung: Zumindest, was Pferde angeht, müssen wir Bolleters Angaben vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse in Zweifel ziehen. So heißt es etwa bei Jürgen Spanuth: "Felsritzungen von Pferden und Wagen zeigen, daß sie [die Kanarier] das gezähmte Pferd kannten". (Quelle: J. Spanuth, "Die Atlanter - Volk aus dem Bernsteinland", Tübingen, 1976, S. 190; Spanuth beruft sich dazu auf: Biedermann, 1974, S. 14)
  16. Quelle: Dr. E. Bolleter, op. cit.
  17. Quelle: ebd.
  18. Quelle: Alexander Braghine, "The Shadow of Atlantis" (Erstveröffentl. 1940), THE ATLANTIS REPRINT SERIES bei ADVENTURES UNLIMITED PRESS, Kempton, Illinois (USA), 1997, S. 157

Bild-Quellen:

1) R. Cedric Leonard, atlantisquest.com (nicht mehr online)
2) Links: http://www.mms.gov/omm/pacific/kids/watercraft.htm (nicht mehr online)
2) Rechts: http://projects.edtech.sandi.net/kimbrough/californiahistory/images/chumash1.jpg (dort nicht mehr online; Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) reisen.realedition.de, unter:Guanchen bei La Fajana
4) Bildquelle unbekannt
5) juergen-koerner.de, unter: Informationen über Gran Canaria vom September 2001 und August 2003