Gab es ein Neolithikum vor dem Paläolithikum?

Betrachtungen zu Martin Freksas 'Das verlorene Atlantis'

von unserem Gastautor Dr. Horst Friedrich

Abb. 1 Martin Freksa - Das verlorene Atlantis, 1997

In NATUR UND KULTUR [1] hatte mein Freund Hubert Malthaner 1963 einen kleinen Beitrag unter dem Titel HOCHKULTUREN UND FLUGTECHNIK VOR DER SINTFLUT publiziert. Ohne Fragezeichen hinter dem Titel. Als einer der ersten hatte er dergleichen behauptet, und hatte sich dabei einerseits von William Nivens Entdeckung einer von Kataklysmen verschütteten prähistorischen Stadt unter dem heutigen Mexico City [2], andererseits von Desmond Leslies bekannter Zusammenfassung altindischer Angaben zu prähistorischer Luft- und Raumfahrt [3] anregen lassen.

Dieser Beitrag hatte damals noch eher Essay-Charakter gehabt. Seither ist viel Zeit vergangen und viel dazu publiziert worden. Nun hat Martin Freksa in einem ungewöhnlichen "Atlantis"-Buch [4] versucht, das Ganze in präzisen Thesen zu konkretisieren und in einen Zeitrahmen einzupassen.

Zu dem Buch sind ein paar Vorbemerkungen erforderlich. Freksa verficht weder eine neue, sensationelle Atlantis-Lokalisierung, noch vertritt er die heute öfter anzutreffende ,,Atlantis-ist-überall“-These, im Sinne einer weltweit verbreiteten prähistorischen Hochkultur. Für ihn lag Atlantis ganz ,,konventionell“ im Atlantischen Ozean.

Freksas Ausführungen haben geradezu altväterliches Niveau. Das ist überaus selten geworden in unserer hastig-oberflächlichen Zeit, in der Halb-, Viertel- und Sechzehntel-Belesene keine Hemmungen haben, das Publikum mit Büchern ebenso sensationellen wie unhaltbaren Inhalts zu "bombardieren".

Man muss das kultiviert-„zahm“ geschriebene Buch schon bis zum letzten Kapitel lesen, um zu entdecken, dass der Autor darin in der Tat zwei revolutionierende Thesen versteckt hat. Zuvor wird dem Leser erst eine kulturgeschichtliche Abhandlung (die jedoch ihren Sinn hat) über das ursprüngliche Atlantis-Szenarium der Antike vorgesetzt, das Vergessen des Atlantis-Themas während langer Jahrhunderte, das Wiedererinnern der Atlantisfrage bei den Renaissance- und Barockgelehrten, und schließlich die ,,Explosion“ des Atlantis-Themas, in Zusammenhang mit unserer Zivilisationskrise in neuester Zeit.

Tabelle 1

Freksa führt das schulwissenschaftliche Schema Steinzeit/Bronzezeit/Eisenzeit durch Funde prähistorischer Hochkultur-Artefakte ad absurdum und gelangt so zu einer Abfolge (von unten nach oben zu lesen), wie in Tabelle 1 dargestellt.

Auf eine prähistorische, vorsintflutliche Steinzeit folgt bei ihm eine metallurgiekundige Hochkulturzeit (= vorsintflutliche Metallzeit), der — nach der Sintflutkatastrophe — eine neue Steinzeit folgt. In diesem Schema würde also ein vorsintflutliches Neolithikum einem nachsintflutlichen Paläolithikum vorangegangen sein. Dies ist Freksas erste Haupt-These. Diese These reduziert er noch weiter auf den Kern wie folgt (Tabelle 2):

Seine zweite revolutionäre These ist: Atlantis wurde nicht, wie im Sintflut-Buch der Tollmanns [5] postuliert, durch einen Kometen-Impakt vernichtet, sondern durch den Einsatz einer prähistorischen Superwaffe, der ihrerseits zum Sintflut-Kataklysmus führte.

Tabelle 2

Wie sieht Freksas Zeitrahmen aus? Ihm zufolge hätte noch um -3.100 eine Hochzivilisation, vergleichbar unserer heutigen, nämlich Atlantis, existiert, die dann aber, noch vor -3.000, durch jenen von einer Superwaffe initiierten Kataklysmus vernichtet worden sei. Zugleich sei auch, durch den Sintflut-Kataklysmus, sämtliche sonstige Hochzivilisation auf unserem Planeten ausgelöscht worden. Reste der Menschheit überlebten, machten jedoch einen tiefen Sturz in eine neue (postdiluviale) Steinzeit mit.

Selbstredend sind in unserem Jahrhundert, in dem ja das Atlantis-Thema in der Tat buchstäblich "explodierte", auch schon von anderen Autoren in diesem oder jenem Punkt ähnliche Szenarien vorgeschlagen worden, erst letzthin (1996) wieder von David Childress in LOST CITIES OF ATLANTIS, ANCIENT EUROPE & THE MEDITERRANEAN [6]. Das Freksa-Szenario scheint mir aber ganz besonders gut gelungen zu sein.

Womit nicht gesagt sein soll, dass der Verfasser dieses Beitrages sich mit allen Details des Buches identifiziert. Alle dergleichen Denkgebäude sind ja Menschenwerk, mithin (da niemand von uns göttliche Allwissenheit gepachtet hat) tentativen, provisorischen Charakters.

Immerhin kann man aber unseren Prähistorikern (die mich mit ihren ,,Stories“ allmählich unsäglich langweilen!) nur wärmstens anraten, ihre gewohnte Überheblichkeit Außenseitern gegenüber einmal zu zügeln und Freksas Gedanken ernsthaft ins Kalkül zu ziehen. Angesichts sich häufender Hinweise auf "vorsintflutliche" Hochkultur-Artefakte ist es nämlich sinnlos geworden, die alte Abstreit- und Taubstellungs-Taktik noch länger fortzusetzen!

Was ist nun von Freksas "Szenarium" zu halten? War es tatsächlich so, wie er meint? Das ist nicht so einfach zu sagen. Ein widerspruchsfreies Szenarium für einen so umfassenden Themenkomplex lässt sich nicht im Alleingang erstellen. Das kann niemand hoffen. Freksa ist zwar sehr belesen, aber es ist zu anzunehmen (ein Blick ins Literaturverzeichnis bestätigt es), dass er manchen wichtigen Punkt noch nicht in seine Betrachtungen einbezogen hat.

Die Vorschläge von Velikovsky [7], Dayton [8], Heinsohn [9] und Illig [10] für eine Chronologie-Revision, eine Chronologie-Zusammenschiebung, sind ihm beispielsweise offenbar unbekannt. Die Radiokarbon-Datierungsmethode, soeben von Blöss & Niemitz [11] als Produkt unwissenschaftlicher Manipulationen entlarvt, scheint er für etwas Seriöses, dem man Glauben schenken kann, zu halten.

Zu manchen von Freksas Sub-Thesen kann man durchaus geteilter Meinung sein. Dass der Zeus Alt-Griechenlands eine Widerspiegelung Krishnas sein soll (wegen der Atlantis vernichtenden Sudharshan-Superwaffe) erscheint, alles zusammengenommen, eher unwahrscheinlich. Für die These hingegen, dass die altwesteuropäische Megalithkultur aus der alten (vorsintflutlichen) Metallzeit, d.h. der prähistorischen Hochzivilisationszeit, stamme, könnte einiges sprechen.

Dass die Phönizier vom Persischen Golf stammen, glaube ich kaum. Weitaus mehr hat für sich, meine ich, Touchets These [12], wonach das uralte Cádiz das ursprüngliche "Tyrus" der (Proto-) Phönizier gewesen sei. Allerdings könnten jene Protophönizier, vor Freksas Sintflut-Kataklysmus, durchaus, wie in sonstigen fernen Ländern, auch am Persischen Golf Anlaufhäfen gehabt haben. Topper [13] hat gezeigt, dass im iberischen Westen gänzlich verschollene prä- oder protohistorische Hochkulturen wiederholt durch Mega-Kataklysmen vernichtet worden sind. Von dort dürften also die Protophönizier auch ihre Schrift nach Phönizien mitgebracht haben [14].

Freksa hinterfragt zu wenig die Szenarien der Schulwissenschaft, er ist da viel zu gutgläubig. Die "heutige, weitgehend gesicherte Kenntnis der ägyptischen Dynastien-Folge" (S. 56): man merkt, hier ist das einschlägige Werk von Heinsohn & Illig [15] unbekannt. Schon Dayton [16] hatte ja in seinem Opus belegt, in welchem chaotisch-unglaubhaften Zustand sich die derzeitige ägyptologische Chronologie befindet.

Bedeutung misst Freksa einer Schrift von "Bhagwan" Shree Rajneesh ("Osho") unter dem Titel PHILOSOPHIA PERENNIS [17] zu, in der dieser sich zu Atlantis äußert. Darin wird der Untergang von Atlantis auf 2.500 Jahre vor Pythagoras datiert, also ebenfalls ins ausgehende -4. Jahrtausend. Rajneesh schreibt dazu (Übersetzung H.F.):

"Humanity is facing that same danger again. When man becomes powerful... When the power is too much and the understanding is too little, power has always proved dangerous. Atlantis was not drowned in the ocean by any natural calamity. lt was actually the same thing that is happening today: it was man‘s own power over nature. It was through atomic energy that Atlantis was drowned...".

"Der Menschheit droht heute wieder die gleiche Gefahr. Wenn der Mensch zu große Macht, bei gleichzeitig zu geringem Verständnis, erhält, hat Macht sich stets als gefährlich erwiesen. Atlantis versank nicht durch irgendeine Naturkatastrophe im Ozean. Es war der gleiche Vorgang, wie es heute geschieht: es war die Machtgewinnung des Menschen über die Natur. Atomenergie war die Ursache des Untergangs von Atlantis...".

In diesem Sinne versteht Freksa auch die "Explosion" des Interesses an der Atlantis-Frage in unserer Zeit: "Ich sehe hinter diesem Phänomen ein tiefes Bedürfnis, das kennenzulernen, wovon unsere Zivilisation der Erbe ist" (S. 130). Oder erinnern wir uns? In der Tat wird ja heute nicht selten postuliert, dass alles dies (Atlantis, prähistorische Hochzivilisationen generell und deren selbstverursachten oder durch Außerirdische oder Mega-Kataklysmen verursachten Untergang) deswegen so interessiert, weil wir einst, in anderen Inkarnationen, dabei gewesen seien.

In Freksas Szenarium ist das vorkataklysmische Alt-Indien die Gegenmacht zur Atlantischen Zivilisation, die sich deren Weltherrschaftsbestrebungen mittels der Sudharshan-Superwaffe erwehren will. Die soeben stattgefundenen Atomwaffenversuche der verfeindeten Bruderstaaten des indischen Subkontinents lassen da die Spekulation aufkommen, ob unser Heute nur eine Widerspiegelung des vorsintflutlichen Einst ist? Weigert sich, wie "Bhagwan" Rajneesh andeutet, eine schizoid-psychopathische Menschheit, aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen?

Wir haben hier einen unterschwelligen Zusammenhang zwischen Freksas Atlantis-Opus und dem oben erwähnten Sintflut-Buch der Tollmanns. Die Atlantis-Sintflut-Katastrophe wird da zwar ganz unterschiedlich datiert (auf rund -5.050 und -7.550), bei den Tollmanns durch einen Kometen-Einschlag, bei Freksa durch einen von Atom-Superwaffen verursachten Mega-Naturkataklysmus hervorgerufen. Wissen muss man dazu allerdings, dass Prof. Tollmann ein großer Vorkämpfer für die Ächtung der Atomenergie ist.

Das indische Mahabarata-Nationalepos versteht Freksa als im Kern einen Bericht über jene unmittelbar vorkataklysmischen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Indien und Atlantis, demzufolge auch ein Land namens Patala in den Großen Krieg hineingezogen wurde. Von einem Mahabarata-Helden wird gesagt, er sei mit der Tochter eines Herrschers von Patala verheiratet gewesen. "Patala aber ist von den Indern eindeutig als Amerika identifiziert worden und das Herkunftsgebiet jener Herrschertochter als Mexiko (Sanskrit: Makshika)" (S. 173). In diesem Zusammenhang ruft Freksa das Werk HINDU AMERICA von Chaman Lal [18] in Erinnerung, worin der Einfluss Alt-Indiens auf Alt-Amerika akribisch nachgewiesen wird. Im Sinne dieser Arbeit ist es also keineswegs erstaunlich, dass Kurt Schildmann Sanskrit-Inschriften in Amerika entdeckt hat [19].


Anmerkungen und Literaturquellen

Dieser Beitrag von Dr. Horst Friedrich © 1998 wurde erstmals veröffentlicht in EFODON-SYNESIS Nr. 29/1998; bei Atlantisforschung.de erscheint er nach der Online-Fassung im EFODON-Archiv (unter: http://www.efodon.de/html/archiv/vorzeit/friedrich/neolithikum.html ) in einer redaktionell bearbeiteten Fassung.

  1. Siehe: NATUR UND KULTUR Jhrg. 55, Nr. 2/1963
  2. Näheres in James Churchward: ,,The Lost Continent of Mu“, London 1959 (S. 229—239), auch im Essay "Hochkulturen im Tertiär?" in Horst Friedrich: ,,Einer Neuen Wissenschaft den Weg bahnen!“, Hohenpeißenberg 1996. --- Red. Anmerkung: Siehe dazu bei Atlantisforschung.de auch: "William Niven´s verlorene Stadt" (Ivar Zapp und George Erikson)
  3. In Desmond Leslie & George Adamski: "Flying Saucers Have Landed", Kap. "The Vimanas" (S. 80—89), New York/London 1953. --- Red. Anmerkung: Zum Thema 'Vimanas' siehe bei Atlantisforschung.de auch: "Vimanas - High-Tech-Fluggeräte im alten Indien" (bb)
  4. Siehe: Martin Freksa: "Das verlorene Atlantis", Tübingen (Klöpfer & Meyer) 1997.
  5. Siehe: Alexander & Edith Tollmann: "Und die Sintflut gab es doch", München 1993.
  6. Siehe: David Childress, "LOST CITIES OF ATLANTIS, ANCIENT EUROPE & THE MEDITERRANEAN", Stelle/Illinois (USA). Ähnliche Gedanken auch in anderen Childress-Büchern der ,,Lost-Cities“-Reihe.
  7. Etwa in Immanuel Velikovsky: "Worlds in Collision", New York 1950 (deutsch: "Welten im Zusammenstoß", Stuttgart 1951 und Frankfurt a. Main 1978), sowie von eben diesem Autor "Ages in Chaos", New York 1953 (deutsch: "Zeitalter im Chaos", Frankfurt a. Main 1981).
  8. Siehe: John Dayton: "Minerals Metals Glazing & Man", London 1978.
  9. Siehe: Gunnar Heinsohn: "Die Sumerer gab es nicht", Frankfurt a. Main 1988.
  10. Siehe: Heribert Illig: "Die veraltete Vorzeit", Frankfurt a. Main 1988.
  11. Siehe: Chr. Blöss & H.-U. Niemitz: "C14-Crash", Gräfelfing b. München 1997.
  12. Siehe: Jaques Touchet: "La Grande Mystification", kapitelweise veröffentlicht in MÉDITERRANÉA, No. 29 (1988) — 47 (1992), Carcassonne.
  13. Siehe: Uwe Topper: "Das Erbe der Giganten", Olten/Freiburg 1977.
  14. Hierzu auch Horst Friedrich: "In welchem Land lag der Salomonische Tempel?", in: EFODON SYNESIS 4/1994. (Online auch bei Atlantisforschung.de)
  15. Siehe: G. Heinsohn & H. Illig: "Wann lebten die Pharaonen?", Frankfurt a. Main 1990.
  16. Siehe: Dayton: op.cit.
  17. Anm. d. Verf.: Nicht zu verwechseln mit Aldous Huxley: "The Perennial Philosophy", London 1944 (deutsch: "Die ewige Philosophie", München 1987). Huxley zufolge wurde der Begriff "Philosophia perennis" von dem großen deutschen Philosophen und Gelehrten Gottfried Wilhelm von Leibniz geprägt.
  18. Siehe: Chaman Lal: "Hindu America", Hoshiapur (Indien) 1956. Ein Exemplar befindet sich im Orient-Lesesaal der Bayer. Staatsbibliothek.
  19. Siehe: Kurt Schildmann: "Zwei Weltsensationen", in: EFODON SYNESIS 23/1997.