Joseph Prestwich

Der letzte Katastrophist des 19. Jahrhunderts

Auf einen Blick

Abb. 1 Sir Joseph Prestwich (1812-1896)

(red) Sir Joseph Prestwich (Abb. 1) FRS, (* 12. März 1812 in Clapham, London; † 23. Juni 1896 in Shoreham, Kent) [1] war ein britischer, hauptberuflich lange als Unternehmer tätiger Geologe. Bekanntheit erlangte er vor allem als Experte für die Erdzeitalter des Tertiärs und Quartärs sowie für die Bestätigung der seinerzeit hoch umstrittenen Existenz des frühen (paläolithischen) Menschen anhand der Steinwerkzeug-Funde von Jacques Boucher de Perthes bei Saint-Acheul, einem Vorort von Amiens. [2] Kaum bekannt ist dagegen, dass er augenscheinlich auch von einem noch höheren Alter der Menschheit ausging und die Annahme mega-katastrophischer Umwälzungen am Ende der jüngsten Eiszeit verfocht, womit er sich gegen das damals in der Geologie prädominant gewordene Paradigma des Aktualismus (Uniformitarismus) stellte.

Biographische Notizen

Über Joseph Prestwichs Vita erfahren wir in der deutschsprachigen Wikipedia: "Prestwich erhielt seine Erziehung in Paris und Reading, bevor er am University College in London Chemie und Naturphilosophie studierte. Dort war er ein eifriger Besucher der geologischen und mineralogischen Sammlung des Museums der Universität. [3] 1830 begann er, im Weinhandel der Familie mitzuarbeiten – eine Arbeit, die er erstaunlicherweise neben seiner Tätigkeit als Geologe bis ins Jahr 1872 aktiv ausübte. [4] Diese Arbeit brachte es mit sich, dass er ausgedehnte Reisen quer durch das Vereinigte Königreich und jenseits des Ärmelkanals in Frankreich und Belgien unternehmen musste. Auf seinen Reisen machte er zahlreiche geologische Beobachtungen und suchte die Bekanntschaft der dort tätigen Geologen. 1833 wurde er Mitglied der Geological Society of London.

Ausgangs der 1860er Jahre diente Prestwich bei der Royal Coal Commission und der Royal Commission on the Metropolitan Water Supply. 1870 heiratete er Grace Anne McCall, die Nichte seines Freundes Hugh Falconer. Nach seinem Rückzug aus dem Weinhandel wurde er 1874 auf den Lehrstuhl für Geologie der University of Oxford berufen, den er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1888 innehatte. Nach der Emeritierung zog er sich nach Darent Hulme zurück, sein Haus in Shoreham, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1896 seine geologischen Studien weiter betrieb." [5]

Prestwich, das Alter der Menschheit und Mega-Katastrophen der jüngsten Erdgeschichte

Abb. 2 Das Titelblatt von Joseph Prestwichs Abhandlung 'On certain phenomena belonging to the close of the last geological period...' aus dem Jahr 1895

Wenn es einen guten Grund gibt, sich auch noch posthum respektvoll vor Joseph Prestwich zu verneigen und ihn als Vorbild für heutige junge Wissenschaftler anzuführen, so ist es seine Unbeirrbarkeit in Bezug auf das Festhalten an seinen - von ihm ohne Wenn und Aber als zutreffend erachteten - Befunden, selbst wenn diese nicht in Einklang mit den von der scientific community vertretenen Lehrmeinungen standen, oder ihnen sogar widersprachen. Dies gilt insbesondere für seine mutige Annahme der vormaligen Existenz des "prähistorischen (pleistozänen) Menschen", die noch zu Beginn der 1880er Jahre allgemein als "Mythos" betrachtet wurde. [6] Schon mehr als zwanzig Jahre zuvor (1858) hatte er sich, wie bereits eingangs erwähnt im Rahmen seiner Feldforschungen in Frankreich vom Gegenteil überzeugt.

Damals "traf er sich", um noch einmal die Wikipedia zu zitieren, "auf Drängen Hugh Falconers in Abbeville mit dem Archäologen John Evans und reiste nach St. Acheul, von wo Boucher de Perthes den Fund von Feuerstein-Werkzeugen in den Kiesablagerungen des Somme-Tals gemeldet und so ein hohes Alter des Menschen postuliert hatte. [...] Zusammen mit Evans untersuchte Prestwich die Kiesgruben von St. Acheul und konnte die Beobachtungen von de Perthes bestätigen. Prestwichs Bericht zu dieser Sache wurde in den Proceedings of the Royal Society für 1859/1860 veröffentlicht. Auch wenn die wissenschaftliche Kontroverse um die Bedeutung dieser Funde noch lange andauerte, war doch die Bestätigung der Funde durch Prestwich und Evans ein wichtiger Meilenstein für die Erforschung der Menschheitsgeschichte." [7] [8]

Dass Joseph Prestwich sogar von einem noch höheren (vermutlich bis ins Tertiär zurückreichenden) Alter des urtümlichen Menschen ausging, legt ein Artikel nahe, in dem er sich in seinem letzten Publikationsjahr (1895) während der Debatte um die so genannten 'Eolithen' äußerte. In diesem, in der Zeitschrift "Eolithic man" erschienenen Beitrag, in dem er übrigens die Verwendung der Bezeichnung 'Eolithen" vermied, befasste Prestwich sich mit pliozänen Feuersteinen in Kent. "Vorher sprach er", wie es bei Michael Brandt heißt, "von groben Werkzeugen, die einen nichtpaläolithischen Charakter besitzen und nannte sie gemeinsam mit paläolithischen Stücken kurz "Plateau-Implemente<" [9]

Wie wenig anfällig Prestwich für zeitgeistige Modeerscheinungen in der Wissenschaft war, zeigt gerade sein Spätwerk On Certain Phenomena Belonging to the Close of the Last Geological Period... [10] (Abb. 2) aus dem Jahr 1895, das wohl letzte bedeutende - und dabei auch modernste - Werk des historischen Katastrophismus. [11]

Auf der Grundlage seiner Feldforschung der vorausgegangenen Jahrzehnte konstatierte Prestwich darin, "daß Mitteleuropa, England und die Mittelmeerinseln Korsika, Sardinien und Sizilien während des raschen Abschmelzens der Eisschilde mehrmals völlig unter Wasser standen: >Die Tiere zogen sich, als das Wasser vordrang, natürlich tiefer in die Hügel zurück, bis sie sich eingekesselt fanden... Sie drängten sich in großer Zahl zusammen und quetschten sich in die leichter zugänglichen Höhlen, bis sie vom Wasser eingeholt und vernichtet wurden... Felstrümmer und große Felsblöcke von den Seiten der Hügel wurden durch die Wassermassen nach unten geschleudert, so daß sie die Knochen zerschmetterten. Einige Gemeinschaften der ersten Menschen müssen in dieser allgemeinen Katastrophe zu Schaden gekommen sein<." [12]

Für Prestwich war und blieb es, wie der Neokatastrophist und promovierte Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich feststellte, "eine bewiesene Tatsache, dass >am Ende der Eiszeit< große Teile Westeuropas von gewaltigen, kataklysmischen Flutwellen überrollt wurden, wobei das Land teilweise tektonische Hebungen und Absenkungen erlebte<." [13] Damit war der britische Geologe an der Schwelle zum 20. Jahrhundert eine weit aus der Masse herausragende Forscher-Persönlichkeit, die es wagte, sich offen gegen das aktualistische Dogma zu stellen, und weiterhin katastrophistische Lösungen für erd- und menschheitsgeschichtliche Probleme vorzulegen, wie sie auch heute wieder im Diskurs sind.



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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Wikipedia - the Free Encyclopedia, unter: "Joseph Prestwich" (abgerufen: 24. Februar 2019)
  2. Quelle: Wikipedia - die freie Enzyklopädie, unter: "Joseph Prestwich" (abgerufen: 24. Februar 2019)
  3. Siehe: Obituary Notices of Fellows Deceased, in: Proceedings of the Royal Society of London (1854–1905). 60, 1896, S. xii
  4. Siehe: ebd., S. xiv
  5. Quelle: Wikipedia - die freie Enzyklopädie, unter: "Joseph Prestwich" (abgerufen: 24. Februar 2019)
  6. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: "Die prähistorischen Troglodyten von Bully-les-Mines - Wurden 1883 in einem nordfranzösischen Kohlebergwerk die Überreste einer Uralt-Kultur von Höhlenbewohnern entdeckt?" (nach: Nature, 21. Juni 1883); sowie: "Die prähistorischen Troglodyten von Bully-les-Mines (II) - Ein Addendum mit weiterem Informationen" (bb)
  7. Siehe: H.W. (His Wife, d.i. Grace Anne McCall), "Life and Letters of Sir Joseph Prestwich, M.A., D.C.L., F.R.S., F.G.S., formerly Professor of Geology in the University of Oxford. Written and Edited by his wife", 8vo; xvi und 444, Edinburgh und London (William Blackwood & Sons, 1899, S. 8vo; xvi und 444
  8. Quelle: Wikipedia - die freie Enzyklopädie, unter: "Joseph Prestwich" (abgerufen: 24. Februar 2019)
  9. Quelle: Michael Brandt, "Vergessene Archäologie - Steinwerkzeuge fast so alt wie die Dinosaurier", SCM Hänssler im Verlag SCM GmbH & Co. KG, 2011; der entsprechende Abschnitt des Buches (S. 47-48) ist bei Atlantisforschung.de online abrufbar unter: Derselbe, "Was ist ein Eolith?"
  10. Siehe: Joseph Prestwich, "On Certain Phenomena Belonging to the Close of the Last Geological Period and on their Bearing upon the Tradition of the Flood", London und New York (Macmillan & Co.), 1895 (digitalisiert online abrufbar bei Archive.org)
  11. Anmerkung: Bereits ca. zwei Jahre zuvor hatte Prestwich eine andere katrastrophistisch orientierte Abhandlung publiziert: Derselbe, "On the Evidences of a Submergence of Western Europe and the Mediterranean Coasts at the Close of the Glacial or so-called Post-Glacial Period, and Immediately Preceding the Neolithic or Recent Period", in: PHILOSOPHICAL TRANSACTIONS of the Royal Society, London 1893
  12. Quelle: Joseph Prestwich, 1895, S. S. 51f; zit. bei Graham Hancock, "Die Spur der Götter - Das sensationelle Vermächtnis einer verschollenen Hochkultur", Bastei Verlag, 2003. Bei Atlantisforschung.de sind der entsprechende Textauszug und mehr Informationen über Prestwichs katastrophistische Ansichten online nachlesbar unter: Graham Hancock, "Das Ende der Eiszeit - Epoche der Katastrophen", Teil II
  13. Quelle: Joseph Prestwich, "On the Evidences of a Submergence of Western Europe and the Mediterranean Coasts...", London, 1893; zit. bei: Dr. Horst Friedrich, "Jahrhundertirrtum Eiszeit", EFODON (Edition Meson), 2. Auflage 2006, S. 55

Bild-Quellen:

1) Ineuw (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:PSM V52 D158 Joseph Prestwich.jpg
2) Archive.org, unter: On certain phenomena belonging to the close of the last geological period and on their bearing upon the tradition of the Flood by Prestwich, Joseph, Sir, 1812-1896