Sardinien

Zum Einstieg in den Themenkomplex 'Sardinien und Atlantis'

Vorbemerkung

Abb. 1 Die geographische Lage Sardiniens im westlichen Mittelmeer

(red) Sardinien (Abb. 1), nach Sizilien die zweitgrößte Mittelmeer-Insel, liegt im Westen Südditaliens, ca. 200 km vom Festland entfernt, und direkt südlich der Insel Korsika, von der sie durch die Straße von Bonifacio getrennt ist. In atantologie-geschichtlicher Hinsicht gehört sie zu den eher jungen Kandidatinnen für Platons Atlantis, da sie erst in der späten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Diskurs über die Lokalisierungs-Hypothesen zu Atlantis populär wurde. [1] Nachfolgend zunächst einige einführende Informationen zur Vorgeschichte der Insel aus archäologischem Blickwinkel, die zum besseren Verständnis des Themenbereichs 'Sardinien & Atlantis' beitragen sollen:

Zur Prä- und Protohistorie Sardiniens

Die Besiedlung Sardiniens durch den Menschen reicht bis weit in die Altsteinzeit zurück. Wer allerdings die ersten Menschen waren, die auf die Insel kamen, woher sie stammten und wie sie dorthin gelangten, ist unbekannt. [2] : "Im Jahre 1979 wurden 150.000 Jahre alte menschliche Überreste gefunden. [...] Molekulargenetische Analysen lassen vermuten, dass vor ca. 13.000 Jahren eine Bevölkerungsgruppe aus dem westlichen Mittelmeerraum zuwanderte, die genetische Ähnlichkeiten mit der Bevölkerung des heutigen Baskenlandes aufweist. Dieser folgten Gruppen neolithischer Bauern. Aufgrund der Isolation der Insel haben sich genetische Merkmale einer möglicherweise mesolithischen Bevölkerung bis heute mit großer Häufigkeit erhalten. [3] 2011 fand man bei Marina di Arbus die Knochen mesolithischer Bewohner der Insel, die etwa von 9000 v. Chr. stammen." [4]

Abb. 2 Stauette einer sardischen Muttergöttin der jungsteinzeitlichen Kultur von Bonu Ighinu

Dem sardischen Archäologen Giovanni Lilliu (1914-2012) zufolge, lässt sich das regionale Neolithikum Sardiniens (6000 [5] bis 2500 v.Chr.) in drei Perioden untergliedern und wird "als Epoche der geschliffenen Steinwerkzeuge bezeichnet. Aus dem frühen Neolithikum (6000-3730 v.Chr.), die Periode, während der Landwirtschaft und Viehhaltung auf der Insel etabliert wurden, auf Sardinien stammen Funde von Keramiken mit Ritzmustern und Tongefäße aus der Höhle von Filiestru bei Mara. Das mittlere Neolithikum (3730-3300 v.Chr.) hat die Kultur von Bonu Ighinu hervorgebracht, von der Zeugnisse hochwertiger Keramik - weibliche Idole (Dea-Madre-Figuren) (Abb. 2) erhalten sind. Zum späten Neolithikum (3300-2480 v.Chr.) zählt die Kultur von Ozieri oder San Michele, die nach der Grotta di San Michele bei Ozieri benannt wurde, wo die ersten Zeugnisse entdeckt wurden: Keramiken, weibliche Idole in kykladischer Form, Gefäße und Steinbeile. Es handelt sich um die früheste Zivilisation, deren Spuren fast auf der ganzen Insel verbreitet sind. Im gleichen Zeitraum erscheint in der Gallura die Kultur von Arzachena, deren Kennzeichen runde Steinkreisgräber sind, die man auch als Gigantengräber (Abb. 3) bezeichnet." [6]

Mit dem Wechsel von der jungsteinzeilichen Periode zur Kupfersteinzeit und der nachfolgenden Bronzezeit verschwanden auch auf Sardinien nach und nach die lange gebräuchlichen Steinwerkzeuge und -waffen, die dort häufig aus Obsidian - dem 'High End'-Werkstoff steinzeitlicher Kulturen - gefertigt wurden. Dieses hochwertige Gesteinsglas, das an dem erloschenen Vulkan Monte Arci gewonnen wurde, gelangte von dort aus nicht nur nach Korsika, sondern auch in die Toskana und die Emilia sowie nach Ligurien und Südfrankreich [7], was sehr frühe Handelsverbindungen der alten Sarden im nordwestlichen Mittelmeer-Raum anzeigt.

Abb. 3 Das 'Gigantengrab' von Coddu Vecchiu bei Arzachena in der Region Gallura auf Sardinien.

Zu den wichtigsten sardischen Kulturen dieses Zeitraums gehören die Monte-Claro-Kultur (ca. 2700 bis 2200 v. Chr., die erste rein kupferzeitliche Kultur der Insel), die Kulturen von Abealzu-Filigosa (frühe Kupferzeit) die Bonnanaro-Kultur (ca. 2200 bis 1600 v. Chr.), die den Übergang von der Kupfer- zur frühen Bronzezeit markiert, sowie (ab ca. 1600 v. Chr.) die Nuraghenkultur der Bronze- und Eisenzeit. Diese nach den von ihren Angehörigen erbauten, charakteristischen Rundtürmen (Nuraghen) (Abb. 4) benannte, letzte und bedeutendste der alten sardischen Kulturen, ging - nach konservativer Lehrmeinung - letztlich erst im Gefolge der Besetzung ihrer Insel durch die Karthager (ab ca. 500 v.Chr.) unter. [8]

Zur Zeit der Nuraghenkultur fand offenbar eine massive Ausweitung der sardischen Handelsbeziehungen bis weit ins östliche Mittelmeer hinein statt. Dazu heißt es bei der deutschsprachigen Wikipedia:

Abb. 4 Die Ruine der Nuraghe Santa Barbara

"Sardinien pflegte ab dem 14. Jahrhundert v. Chr. Beziehungen zum östlichen Mittelmeerraum, wie Funde meist ägäischer Herkunft vor allem im Südosten der Insel zeigen. [9] Zu den frühesten Importfunden zählt das Fragment eines Elfenbeinkopfes einer Kriegerstatuette. Auch mykenische Keramik erreicht Sardinien um diese Zeit. Die frühesten Stücke datieren in die Mitte bzw. ins dritte Viertel des 14. Jahrhunderts v. Chr. (Periode SH IIIA2). Während des 13. Jahrhunderts v. Chr. intensivieren sich die Kontakte, speziell zur mykenischen Kultur und zu Zypern. Sie setzten sich auch im 12. Jahrhundert v. Chr. fort. Neben originaler mykenischer Keramik fanden sich auch viele lokal hergestellte Gefäßfragmente in mykenisierendem Stil. Kupfer war auf Sardinien begehrt.

Beachtlich ist die relativ große Zahl auf Sardinien entdeckter Kupferbarren in Form einer Ochsenhaut [10] (Ochsenhautbarren) [11] Sie waren zu dieser Zeit die typische Handelsform für Kupfer im Mittelmeerraum. Ochsenhautbarren wurden auf Zypern produziert. Ungeklärt ist, weshalb sie auf Sardinien eingeführt wurden, da Sardinien ausreichend Kupfervorkommen besaß. Eine Spurenelementanalyse und massenspektrometrische Untersuchung von spätbronzezeitlichen Kupfer- und Bronzefunden aus Sardinien sowie von Kupfererzen erbrachten das Ergebnis, dass sämtliche sardischen Ochsenhautbarren aus Zypern stammen, während die respektablen Kupfer- und Bronzegegenstände der Nuraghenkultur aus einheimischem Kupfer gefertigt sind. Womit die Nuragher im Gegenzug Handel mit Griechenland und Zypern trieben, bleibt offen." [12]

Nach dieser kleinen Einführung in die sardische Vor- und Frühgeschichte präsentieren wir Ihnen nun eine Reihe von Beiträgen, die sich mit der Hypothese einer Identität des bronzezeitlichen Sardinien mit Platons Atlantis bzw. der Nuragher mit den Atlantiern befassen. Ergänzend stellen wir nachfolgend auch einige derjenigen Forscher und Autoren vor, die diese Annahme vertreten. Zudem präsentieren wir hier aber - etwas off topic - auch Materialien zum Thema 'die prähistorischen Riesen Sardiniens'.


Beiträge bei Atlantisforschung.de:

  • Sergio Frau ...und sein 'Atlantis auf Sardinien': Eine Bilanz nach zehn Jahren (bb)
  • Tharros - Befand sich das biblische Tarschisch auf Sardinien? (red)


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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Ideengeschichtlich scheint die atlantologische Sardinien-Hypothese allerdings schon etwas älter zu sein. Zumindest erwähnte Richard Hennig sie bereits 1925 am Rande seines Buches "Das Rätsel der Atlantis" (S. 6) unter "Andere Deutungen [des Atlantis-Problems; bb], denen im Einzelnen nicht nachgegangen werden soll".
  2. Quelle: Peter Höh, "Reise Know-How Sardinien: Reiseführer für individuelles Entdecken", Reise Know-How Verlag Peter Rump, 2016, S. 604
  3. Siehe: Anna Olivieri, Carlo Sidore, Alessandro Achilli et al., "Mitogenome Diversity in Sardinians: A Genetic Window onto an Island's Past", in: Molecular Biology and Evolution, Volume 34, Issue 5, 1 May 2017, Pages 1230–1239
  4. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Sardinien" (abgerufen: 07. November 2017)
  5. Anmerkung: Zu dieser Zeit wanderten die Angehörigen der so genannten Cardial- oder Impressokultur auf Sardinien ein.
  6. Quelle: Manfred Wöbcke und Barbara Branscheid, "Baedeker Reiseführer Sardinien: mit Downloads aller Karten und Grafiken", Mair Dumont DE, 2017
  7. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Geschichte Sardiniens" (abgerufen: 07. November 2017)
  8. Quellen: Die im obigen Absatz verlinkten Lemmata bei Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (alle abgerufen: 07. November 2017)
  9. Anmerkung bei Wikipedia: Eine ausführliche Übersicht zu den Importen bietet: Laura Soro, "Sardinien und die mykenische Welt: Die Forschungen der letzten 30 Jahre", in: Fritz Blakolmer u.a. (Hrsg.), Österreichische Forschungen zur Ägäischen Bronzezeit 2009. Akten der Tagung vom 6. bis 7. März 2009 am Fachbereich Altertumswissenschaften der Universität Salzburg, Wien 2011, S. 283–294
  10. Vergl. dazu bei Atlantisforschung.de auch: "Prähistorischer Kupferbergbau in Nordamerika und eine frühe Transatlantik-Connection (II) - Oxhyden, Reels und anomale Bronzefunde in Nordamerika (bb)
  11. Anmerkung bei Wikipedia: Bis zum Jahr 2000 wurden an 26 verschiedenen Orten Sardiniens komplette oder fragmentierte Ochsenhautbarren entdeckt. Siehe: Lucia Vagnetti, "Western Mediterranean Overview: Peninsular Italy, Sicily and Sardinia at the time of Sea Peoples", in: Eliezer D. Oren (Hrsg.), The Sea Peoples and Their World. A Reassessment, Philadelphia 2000, S. 313
  12. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Geschichte Sardiniens" (abgerufen: 07. November 2017)

Bild-Quellen:

1) TUBS (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Sardinia in Italy.svg
2) Sailko (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Neolitico, cultura di bonu ighinu, statuetta della dea madre, 400-3500 ac., da s. mariedda (olbia).JPG
3) Heinz-Josef Lücking (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Giants' grave Coddu Vecchiu (Sardegna).jpg
4) Sailko (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Nuraghe santa barbara, veduta 01.JPG