Der Umm al-Binni See - wahrscheinlich ein bronzezeitlicher Impakt-Krater im Irak

Abb. 1 Die geographische Lage des Sees Umm al Binni im Süden des heutigen Staates Irak

(red) Der Umm al Binni See ist ein inzwischen größtenteils ausgetrockenes Gewässer in den Sümpfen des Gouvernements Maysan im Südirak (Abb. 1). Dieser See mit einem Durchmesser von ca. 3,4 km, etwa 45 km nordwestlich des Zusammenflusses von Tigris und Euphrat gelegen, stellt möglicherweise den Schüssel zur Erklärung katastrophischer Ereignisse dar, die u.a. im frühen 22. Jahrhundert v. Chr. zum Untergang des Reiches von Sumer führten, dessen Herrscher zuvor große Teile Mesopotamiens unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Angestoßen hat derartige Überlegungen der südafrikanische Geologe Dr. Sharad Master (Abb. 2) von der Geowissenschaftlichen Fakultät (School of Geosciences) der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. [1]

Bereits im Jahr 2001 [2] war ihm bei der Betrachtung von Satellitenbildern die nahezu kreisrunde Form des Umm al Binni Sees sowie dessen leicht polygonale Randform aufgefallen, die in deutlichem Kontrast zu allen anderen Seen in der Region stehen. Deshalb und aufgrund weiterer Details gelangte er zu der Annahme, dass es sich bei diesem See um das Relikt eines Impakt-Kraters handelt. Karst-Topographie, Salzstockbildung, tektonische Verformung und magmatisches Eindringen sowie irgendweche menschlichen Einflüsse schloss der Geologe schon bals als Ursachen für die Entstehung dieser topographischen Anomalie aus. [3] [4] [5] [6]

Abb. 2 Der Geologe Dr. Sharad Master (Foto: Tony Martin)

Das Alter des Kraters schätzt Master auf weniger als 5000 Jahre, genauer gesagt, auf zwischen 2000 und 3000 v. Chr., und zwar aufgrund der Ablagerung von Sedimenten in der Tigris-Euphrat-Ebene infolge der 130–150 km langen Progradation des Persischen Golfs in Richtung Meer während dieser Zeit. [7]

Einige Autoren bringen die vermutete Einschlagstelle von Umm al Binni mit der so genannten '2350 v. Chr.-Anomalie im Nahen Osten' in Verbindung [8], andere mit dem '4,2-Kilojahr-Ereignis' [9] Das Fehlen von Erwähnungen dieses Ereignisses durch bekannte antike Autoren wie Herodot (484–425 v. Chr.) und Nearchos (360–300 v. Chr.) oder spätere Historiker könnte aber auch darauf hindeuten, dass der Impakt womöglich schon deutlich früher zwischen 2000 und 3000 v.Chr. erfolgte. [10] Zu dieser Zeit lag das Gebiet von al-'Amarah ungefähr 10 m tiefer als der Persische Golf [11]. Impaktbedingte Tsunamis hätten somit sumerische Küstenstädte völlig verwüstet. Dies wäre eine alternative Erklärung für den Ursprung der 2,6 m hohen Sedimentschicht, die Leonard Woolley bei seiner Ausgrabung der sumerischen Stadt Ur (1922-1934) entdeckt hat. Die folgende dramatische Passage aus dem Gilgamesch-Epos (ca. 1600–1800 v. Chr.) könnte durchaus die Beschreibung einen solchen Impakts mit nachfolgendem Sturzregen, Stürmen, Verdunkelung und Tsunamis darstellen, was auf eine Verbindung zur sumerischen Sintflut hindeuten mag:

Abb. 3 Nach einer Studie von Duane Willis Hamacher aus dem Jahr 2005 dürfte die beim Umm al-Binni-Impakt freigesetzte Energie der einer Explosion von 190 bis 750 Megatonnen TNT entsprechen.
"Die Anunnaki hoben Fackeln empor, mit ihrem graus[ig]en Glanz das Land zu entflammen. Die Himmel überfiel [...] Beklommenheit, jegliches Helle in Düster verwandelnd. Das Land, das weite, zerbrach wie ein Topf. Einen Tag lang wehte der Südsturm…, eilte dreinzublasen, die Berge ins Wasser zu tauchen, wie ein Kampf zu überkommen die Menschen. Nicht sieht einer den andern, nicht erkennbar sind die Menschen im Regen. Vor dieser Sintflut erschraken die Götter, sie entwichen hinauf zum Himmel des Anu – Die Götter kauern wie Hunde..." [12]

Jedenfalls gehen neben Dr. Master auch zahlreiche andere Wissenschaftler davon aus, dass die plötzlichen Klimaveränderungen und katastrophischen Ereignisse um 2200 v. Chr. - einschließlich des Zusammenbruchs der sumerischen Zivilisation - mit einem Kometen- oder Asteroiden-Einschlag in Verbindung gebracht werden können. [13] [14] [15] [16] [17] Master hat vermutet [18] [19], dass der vorauszusetzendee Impakt von Umm al Binni, der diese Katastrophe verursacht haben soll, eine Energiemege erzeugt hat, die Tausenden von Hiroshima-Bomben entspricht.

Genauere Berechnungen hat der Astronom und Physiker Dr. Duane Willis Hamacher von der Universität Melbourne angestellt. [20] Unter Verwendung von Gleichungen, die Aufpralleffekte beschreiben, basierend auf Arbeiten von Collins et al. [21], Shoemaker [22], Glasstone & Dolan [23] und anderen, kam er zu dem Ergebnis, dass der Einschlag eines Asteroiden beziehungsweise Kometen, der zur Entstehung der Umm al-Binni]-Struktur geführt haben kann, Energie im Bereich von 190 bis 750 Megatonnen TNT erzeugt haben dürfte. Zum Vergleich: Es wurde geschätzt, dass der Tunguska-Vorfall von 1908 eine Sprengkraft von etwa 10 bis 15 Megatonnen TNT entwickelte. Die Hiroshima-Bombe ('Little Boy') brachte es sogar 'nur' auf 13 Kilotonnen TNT, tötete aber schon bei ihrer Explosion 20.000 bis 90.000 Menschen.

Die scheinbare Ungenauigkeit des Ergebnisses von Hamacher hängt damit zusammen, dass bei einer solchen Berechnung zahlreiche Variablen, wie z.B. Dichte, Größe und Aufprallgeschwindigkeit des Impaktors zu berücksichtigen sind. Um einen Einschlagkrater mit den Abmessungen des Umm al Binni-Sees zu erzeugen, wäre jedenfalls ein Nickel-Eisen-Asteroid (Dichte = 7860 kg / m ^ 3, v = 15 km / s) mit einem Durchmesser von etwa 100 m nötig gewesen, oder aber ein Komet bzw. Kometen-Fragment (Dichte = 500 kg / m 3, v = 25 km / s) mit einem Durchmesser zwischen 200 m und 300 m. Die daraus resultierenden Aufpralleffekte hätten ein Gebiet mit einer Größe von Tausenden von Quadratkilometern massiv zerstört, wären jedoch allein nicht ausreichend gewesen, um den großflächigen Schaden zu verursachen, der in Entfernungen von mehr als 100 Kilometern vom Aufprall-Ort zu beobachten war, und konnten daher nicht allein für viele der entfernteren verheerenden Auswirkungen verantwortlich sein.

Obwohl in der Literatur eine Vielzahl von Evidenzen zur Stützung der Annahme veröffentlicht wurde, dass es sich bei Umm al Binni um einen Einschlagkrater handelt, konnten bisher - vor allem aufgrund der nach wie vor unbeständigen Sicherheitslage im Irak - vor Ort noch keine Analysen im Rahmen geologischer Feldforschung durchgeführt werden. Daher wird der See offiziell weiterhin als mögliche, aber noch unbestätigte Impakt-Struktur eingeordnet.


Externa

Umm al Binni:

Zu einem weiteren anzunehmenden Impaktereignis - im Grenzgebiet von Jordanien und Saudi-Arabien in der Mittel-Steinzeit siehe:


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel "Umm al Binni lake" (Stand: 19. April 2020) bei Wikipedia - The Free Encyclopedia. Übersetzung ins Deutsche und intensive redaktionielle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de.

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Ausführliche Informationen über Dr. Master und seine Arbeit finden sich hier: Geological Society of Zimbabwe, unter: Dr Sharad Master (online als PDF-Datei; abgerufen am 18. April 2020)
  2. Quelle: Sharad Master und Tsehaie Woldai, "Umm al Binni Structure, Southern Iraq, as a Postulated Late Holocene Meteorite Impact Crater", in: Peter T. Bobrowsky & Hans Rickman (Hrsg.), "Comet/Asteroid Impacts and Human Society: An Interdisciplinary Approach", Jan. 2007, Springer, Kap. 4, S. 89-104
  3. Siehe: Sharad Master, "A Possible Holocene Impact Structure in the Al Amarah Marshes, Near the Tigris-Euphrates Confluence, Southern Iraq", in: Meteoritics & Planetary Science 36: A124 (2001)
  4. Siehe auch: Derselbe, "Umm al Binni lake, a possible Holocene impact structure in the marshes of southern Iraq - Geological evidence for its age, and implications for Bronze-age Mesopotamia", in: S. Leroy und I.S. Stewart (Hrsg.), "Environmental Catastrophes and Recovery in the Holocene", Abstracts Volume, Department of Geography, Brunel University, Uxbridge, West London, UK, 29 August - 2 September 2002, S. 56–57
  5. Siehe auch: S. Master und T. Woldai, "Umm al Binni structure, southern, as a postulated late Holocene meteorite impact crater: new satellite imagery, and proposals for future research", in: P. Bobrowsky und H. Rickmann (Hrsg.), "Comet/Asteroid Impacts and Human Society - An Interdisciplinary Approach", Heidelberg (Springer-Verlag), 2007
  6. Anmerkung: Für eine wissenschaftliche 'Gegenrede' zur Impakt-These siehe: Varoujan K. Sissakian & Hayder A. Al-Bahadily, "The geological origin of the Umm Al-Binni Lake within the Ahwar of Southern Mesopotamia, Iraq", in; Arabian Journal of Geosciences volume 11, Article number: 669 (2018)
  7. Vergl.: C.E. Larsen und G. Evans, "The Holocene Geological History of the Tigris-Euphrates-Karun Delta", in: W.C. Brice (Hrsg.), "The Environmental History of the Near and Middle East Since the Last Ice Age" London (Academic Press), 1978, S. 227–244
  8. Siehe z.B.: Marie-Agnès Courty, "Causes and effects of the 2350 BC Middle East anomaly evidenced by micro-debris fallout, surface combustion and soil explosion", in: B.J. Peiser, T. Palmer und M.E. Bailey (Hrsg.), "Natural catastrophes during Bronze Age civilisations: archaeological, geological, astronomical and cultural Perspectives", British Archaeol Reports S728, 1998, Oxford (Archaeopress)
  9. Siehe z.B.: Joachim Seifert und Frank Lemke, "The destruction of the city of Akkad by a cosmic asteroid impact and the link to global climate change", 2013, online als PDF-Datei bei Friends of Lancashire Archives (abgerufen: 19. April 2020)
  10. Siehe: Sharad Master, op. cit. (2002)
  11. Siehe: C.E. Larsen und G. Evans, op. cit. (1978)
  12. Quelle: Sumerische Götter, unter: "Gilgamesch Epos 11. Tafel", bei die-goetter.de (abgerufen: 19. April 2020)
  13. Siehe: J.K. Bjorkman, "Meteors and Meteorites in the Ancient Near East", in: Meteoritics 8(2): 91, 1973
  14. Siehe: H. Weiss, M.-A. Courty, W. Wetterstrom, F. Guichard, L. Senior, R. Meadow und A. Curnow, "The genesis and collapse of Third Millennium North Mesopotamian civilization", in: Science 261, 1993, S. 995–1004
  15. Siehe: M.-A. Courty, "Causes And Effects of the 2350 BC Middle East Anomaly Evidenced By Micro-debris Fallout, Surface Combustion and Soil Explosion", Society for Interdisciplinary Studies Conference: Natural Catastrophes during Bronze Age Civilizations, 11.–13. Juli, 1997, Cambridge, UK
  16. Siehe: B. Peiser, "Comets and Disaster in the Bronze Age", in: British Archaeology 30: 6-7, 1997
  17. Siehe: W. Napier, "Cometary Catastrophes, Cosmic Dust and Ecological Disasters in Historical Times: The Astronomical Framework", Society for Interdisciplinary Studies Conference: Natural Catastrophes during Bronze Age Civilizations, July 11–13, 1997 in Cambridge, UK
  18. Siehe: S. Master, op. cit. (2001)
  19. Siehe auch: S. Master und T. Woldai, "The Umm al Binni structure in the Mesopotamian marshlands of southern Iraq, as a postulated late Holocene meteorite impact crater", in: Economic Geology Research Institute Information Circular, Oktober 2004, Johannesburg (University of Witwatersrand)
  20. Siehe: D.W. Hamacher, "The Umm Al Binni Structure and Bronze Age Catastrophes", in: The Artifact: Publications of the El Paso Archaeological Society, vol. 43, 2005, pp 115–138
  21. Siehe: G.S. Collins, H.J. Melosh und R.A. Marcus,"Earth Impact Effects Program: A Web-based computer program for calculating the regional environmental consequences of a meteoroid impact on Earth", in: Meteoritics & Planetary Science 40: 817. 2005
  22. Siehe: E.M. Shoemaker, "Asteroid and comet bombardment of the Earth", in: Annual Review of Earth and Planetary Sciences 1(1), 1983, S. 461-494
  23. Siehe: S. Glasstone und P.J. Dolan, "Effects of Nuclear Weapons" 3rd Edition, Washington D.C. (United States, Department of Defense and Department of Energy), 1977

Bild-Quellen:

1) Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Umm al-Binni; auf Basis von: Tschubby (Urheber) bei Wikimedia Commons, unter: File:Reliefkarte Irak.png (Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“)
2) Tony Martin (Fotograph), bei Geological Society of Zimbabwe, unter: Dr Sharad Master (online als PDF-Datei; Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) Hans-Günter Olszynski, rostseite.de (Bild dort nicht mehr online)