Herwig Görgemanns

Forscher- und Autorenportrait

(red) Herwig Görgemanns (* 2. September 1931 im niederrheinischen Alpen) ist ein deutscher Altphilologe und Platon-Experte, der im Gegensatz zur Mehrheit seiner Fachkollegen einen historischen Kern des Atlantisberichts annimmt. Damit gehört er zu jenen, für die moderne Atlantisforschung ausgesprochen bedeutsamen Fachwissenschaftlern, deren Expertise belegt, dass die Fiktionalitäts-These zur Atlantida auch in altphilologischer Hinsicht keineswegs 'alternativlos' ist, oder eine 'gesicherte Erkenntnis' darstellt.

Berufliche Laufbahn

Abb. 1 Das Frontcover von Görgemanns Platon-Abhandlung aus dem Jahr 1994

Nachdem Herwig Görgemanns 1959 an der Universität Würzburg mit Beiträgen zur Interpretation von Platons Dialog Nomoi in Klassischer Philologie promoviert hatte, erlangte er 1965 mit seinen "Untersuchungen zu Plutarchs Dialog >De facie in orbe luna<" seine Habilitation an der Universität Heidelberg. Sein dortiger Lehrer war Franz Dirlmeier. 1967/1968 war er als Fellow am Center for Hellenic Studies der Harvard University tätig. 1972 folgte Görgemanns dem Ruf an die Universität Heidelberg, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997 eine Professur für Klassische Philologie innehatte. Der Schwerpunkt seines Werkes liegt auf dem Gebiet der griechischen Philosophie, insbesondere des Platonismus, aber er befasste sich u.a. auch mit den Schriften des frühchristlichen Theologen Origines, dessen Opus "Peri archon / De principiis" er gemeinsam mit dem Kirchenhistoriker Heinrich Karpp (1908–1997) übersetzte. [1]

Herwig Görgemanns und Atlantis

Wie auch andere Vertreter der altphilologischen Minorität - z.B. Wilhelm Brandenstein und Alois Jacob - weist auch Görgemanns die vorherrschende Lehrmeinung zurück, es handele sich beim Atlantisbericht um einen Platonischen Mythos. Dazu heißt es bei Thorwald C. Franke: "Görgemanns bestreitet den mythischen Charakter der Atlantiserzählung, weil Platons Mythen stets einen übernatürlichen Kern hätten. Im Falle der Atlantiserzählung jedoch kämen Mythen nur am Rand vor, z.B. als Gründungsmythen, der Kern jedoch sei sehr faktisch.

Abb. 2 Die altägyptische Darstellung eines Kriegers der 'Seevölker'. In deren Versuch einer Invasion des Pharaonen-Reiches sieht Herwig Görgemanns einen historischen Kern des Atlantisberichts.

Die Frage, ob Platon mit der Atlantiserzählung nicht eine Art Roman verfasst haben, und die enthaltenen Wahrheitsbeteuerungen in Wahrheit auf dessen Unwahrheit hinweisen könnten, beantwortet Görgemanns so, dass eine solche literarische Tradition erst nach Platon entstand. Zudem beschreibe Platon selbst sein literarisches Verfahren: Eine vollkommen erfundene Darlegung wird verworfen und Platons Idealstaat in eine historische Überlieferung eingefügt. Da der Idealstaat Ur-Athen sein soll, wäre Atlantis also nicht >eingefügt<." [2]

Zudem erweist Görgemanns sich als früher Verfechter der Annahme einer Art 'Patchwork'-Charakters des Atlantisberichts: "Eine ganze Reihe von Elementen der Atlantiserzählung gehen laut Görgemanns auf Platon selbst zurück, die er in gutem Glauben hinzufügte. Insbesondere die Chronologie (9000 Jahre zuvor), die Geographie (im Atlantik) und der Untergang." [3]

Der historische Kern der Atlantis-Überlieferung sei, wie es bei Franke weiter heißt, aus Görgemanns Sicht "in dem großen Krieg zu sehen, den Atlantis gegen Ur-Athen, Ägypten und alle anderen Länder geführt habe. Dies weise laut Herwig Görgemanns deutlich auf die sogenannten Seevölkerkriege hin, die um 1200 v.Chr. stattfanden und auf ägyptischen Monumenten bis heute dokumentiert sind. [...] Die genaue Herkunft dieser Seevölker lässt Görgemanns offen, sie ist bis heute in der Wissenschaft umstritten." [4]

Zur Überlieferungskette des Atlantisberichts stellte Görgemanns, wie wir bei Franke erfahren, eine interessante, aber hoch spekulative Hypothese vor: "Einen besonderen Augenmerk richtet Görgemanns auf die Frage, wie die Überlieferung von Ägypten nach Griechenland kam. Er glaubt, dass es unwahrscheinlich sei, dass Solon oder auch Platon davon in Ägypten gehört hätten. Görgemanns weist auf eine Inschrift in Athen hin, die von einer ägyptischen Gesandtschaft nach Athen im Jahr 362/1 v.Chr. berichtet. Görgemanns glaubt, diese Gesandtschaft habe die Atlantiserzählung mit nach Athen gebracht, um Athen zu einem Bündnis mit Ägypten zu bewegen. Das würde auch so manche Verzerrung der historischen Überlieferung erklären, denn die Ägypter hätten die Geschichte zu ihrem politischen Nutzen >frisiert<. Problematisch an dieser Hypothese ist, warum dann nur Platon von Atlantis wusste, und nicht auch andere." [5]


Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Beiträge zur Interpretation von Platons Nomoi (= Zetemata. H. 25). Beck, München 1960 (überarbeitete Dissertation, Universität Würzburg, 1959).
  • Untersuchungen zu Plutarchs Dialog „De facie in orbe lunae“ (= Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften. Bd. 33). Winter, Heidelberg 1970 (Habilitationsschrift, Universität Heidelberg, 1965).
  • Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien (= Texte zur Forschung. Bd. 24). Hrsg., übersetzt, mit kritischen und erläuternden Anmerkungen versehen von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1976, ISBN 3-534-00593-7.
  • Platon. Winter, Heidelberg 1994, ISBN 3-8253-0203-2.
  • Platon und die atlantische Insel. Die Entstehung eines Geschichtsmythos. In: Hellenische Mythologie: Vorgeschichte. Die Hellenen und ihre Nachbarn von der Vorgeschichte bis zur klassischen Periode. Tagung, 9.–11.12.1994, Ohlstadt, Oberbayern, Deutschland. DZA Verlag für Kultur und Wissenschaft, Altenburg 1996, S. 107–124.
  • Wahrheit und Fiktion in Platons Atlantis-Erzählung, in: Hermes Nr. 128 / 2000; S. 405-420. [6]



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Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Herwig Görgemanns (abgerufen: 2. Juni 2015)
  2. Quelle: Thorwald C. Franke, "Herwig Görgemanns und die ägyptische Spur", 28. Juli 2013, bei atlantis-scout.de (abgerufen: 2. Juni 2015)
  3. Quelle: ebd.
  4. Quelle: ebd.
  5. Quelle: ebd.
  6. Quelle der Publikationsliste: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Herwig Görgemanns (Stand: 2. Juni 2015)

Bild-Quellen:

1) Thorwald C. Franke, "Herwig Görgemanns und die ägyptische Spur", 28. Juli 2013, bei atlantis-scout.de
2) Hope College / Bild-Archiv Atlantisforschung.de