Theorien über Atlantis III - Das neolithische Atlantis
(bb) Relativ jung, doch bereits recht populär, ist die dritte Richtung der Atlantisforschung, deren Vertreter man typologisch als Mittelzeitler einstufen darf, da sie die Zeit des Neolithikum (vor etwa 7000-5000 Jahren) als atlantidische Epoche betrachten, und somit chronologisch etwa in der Mitte zwischen den beiden anderen Hauptrichtungen anzusiedeln sind. Auch bei den Mittelzeitlern werden Platons Zeitangaben interpretiert, um die betreffenden Angaben der Atlantida mit ihren Theorien zu synchronisieren. Ihre geographischen Lokalisierungsansätze umfassen hauptsächlich die Gebiete Nord- und Südwesteuropas, Nordafrikas sowie des westlichen Mittelmeers, in denen verschiedene Zentren megalithischer Kultur und Zivilisation (Abb. 1) gelegen haben müssen.
E.J. de Meester und Paul Dunbavin suchen die Hauptstadt des Atlanter-Reichs beispielsweise in England bzw. Irland (siehe: Atlantis in Britannien und Atlantis - eine Spurensuche in Irland), Helmut Tributsch vermutete sie im heutigen Frankreich, und durch - ansonsten höchst unterschiedlich ausgerichtete - ForscherInnen wie Prof. Dr. Axel Hausmann, Dr. Christiane Dittmann, Dr. h.c. Hubert Zeitlmair und Chris Agius Sultana wurden die heutigen Inseln Malta und Sizilien als megalithische Kulturzentren zu atlantologischen Forschungsobjekten, und auch auf der Halbinsel von Iberien wurde das megalithische Atlantis lokalisiert.
Auch bei den Mittelzeitlern gibt es höchst unterschiedliche Ansätze und Grundhaltungen; das Spektrum reicht auch hier von streng konformistischen Theorien, bis hin zu ausgesprochen katastrophistischen Modellen. Zu den Kernthesen einiger katastrophistischer Atlantologen gehört die Annahme einer rezenten (in jüngster erdgeschichtlicher Vergangenheit erfolgten) Flutung des Mittelmeerbeckens, das bis zum Ende der prädiluvialen Zeit, vielleicht auch noch einige Jahrtausende länger, weitgehend ausgetrocknet gewesen sein könnte. Die gewaltige Flutwelle aus Atlantikwasser, die bei dem vermuteten "Dammbruch" der Landbrücke von Gibraltar aus gen Osten gedonnert sein muss, soll auch das Ende der atlantisch-megalithischen Hochkultur im mediterranen Raum besiegelt haben. Nicht nur archäologische Befunde, sondern auch historisch-zoogeographische Forschungsergebnisse lassen ein solches Szenario realistisch erscheinen.
Die derzeit vermutlich spannendste Theorie dazu vertritt der schon erwähnte Aachener Physikprofessor Axel Hausmann, der den Untergang eines sizilianisch/maltesischen Atlantis im Jahr 3481 v. Chr. voraussetzt. Als Ursache betrachtet er eine "Große Konjunktion der Planeten", unter deren Gravitationseinfluss eine besonders heftige Flut die Gibraltar-Barriere überspült und durchweicht habe, was zu deren Bruch geführt haben soll. Hausmanns Katastrophen-Szenario ist allerdings keineswegs regional auf den mediterranen Raum beschränkt. Vielmehr weist der Physiker nach, dass eine Verlagerung solch gewaltiger Wassermassen, wie bei einer plötzlichen Flutung des Mittelmeerbeckens, zu einer deutlichen Veränderung des Drehimpulses der Erde und zu einer Verschiebung ihrer Rotationsachse führen muss.
Dieses Szenario könnte Antworten auf viele Fragen geben, die sich alternativen Ur- und Frühgeschichtlern seit langem stellen. Dies gilt ebenso für die Auswertung der weltweiten Sintflut- und Weltuntergangs-Mythen, wie für die schlüssige Interpretation der megalithischen Relikte und anderer prädiluvialer Artefakte. Und Atlantis? Ganz zu Recht weisen De Meester und andere Atlantologen auf die frappierende Übereinstimmung des von Platon beschriebenen Grundrisses der Atlanterhauptstadt mit den megalithischen Kreis- und Ringsymbolen hin, die noch heute überall im Verbreitungsgebiet der Atlantiker in Felsbildern und steinernen Bauwerken wieder zu finden sind.
Es erscheint jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass Platons Beschreibung von "Atlantis-City" zu den authentischen Segmenten seines Berichts gehört, in dem überliefert wird, was die Neith-Priester in Saïs zu dieser Zeit noch über die Metropole (oder auch eines von mehreren, vergessenen oder ihnen unbekannt gebliebenen, urbanen Zentren des Neolithikum) wiedergeben konnten. Sollte in diesem Jahrhundert die Entdeckung, bzw. der schlüssige Nachweis für die Existenz urban konzipierter (zumindest: bewohnter) Megalithanlagen mit zwei- bis dreifach gegliederter Ringstruktur geführt werden können, so wäre dies ein weiteres Indiz für den im Grundsatz historischen Charakter der Atlantida sowie für die Identität von atlantischer und megalithischer Kultur.
Fortsetzung:
Theorien über Atlantis IV - Atlantis mal X: Synthese-Theorien
Bild-Quelle
(1) Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Megalithkultur