Jürgen Spanuth

Ein streitbarer Pastor, die Germanen und Atlantis

(red) Jürgen Georg Ferdinand Spanuth kam am 5. Sept. 1907 in Leoben (Steiermark) als Sohn streng protestantischer Eltern zur Welt. Sein Vater war Senior-Landessuperintendent der Steiermark, und unter seinen Vorfahren finden sich bis zurück zur Reformationszeit zweiunddreißig Pastoren. Auch Jürgen Spanuth fügte sich in diese Tradition ein und studierte nach dem Besuch eines Gymnasiums von 1926 bis 1931 evangelische Theologie sowie Archäologie an den Universitäten Berlin, Tübingen, Kiel und Wien. Von 1933 an war er als Pastor in der Gemeinde Bordelum bei Husum in Schleswig-Holstein tätig. Während des II. Weltkriegs diente er von 1940 bis 1945 als Soldat bei der Infanterie.

Nach Kriegsende nahm Jürgen Spanuth seine Pastoren-Tätigkeit in Bordelum wieder auf und begann nun auch mit eingehenden Studien der bronzezeitlichen, proto-germanischen Vorgeschichte Norddeutschlands. Bereits während seiner Studienzeit hatte sich mit den alten Sagen seiner friesischen Heimat beschäftigt, in denen unter anderem auch von einer untergegangen Königstadt (Basilea) berichtet wird. Diese Überlieferung stimmte seiner Meinung nach frappierend er mit den im Alten Ägypten aufgezeichneten Aussagen von gefangen genommenen Angehörigen der so genannten Seevölker überein, die während der Ära des 'Alten Reichs' mehrere erfolglose Versuche unternahmen, das Pharaonen-Imperium zu überrennen.

Diese Ereignisse sowie die altfriesischen Überlieferungen brachte Spanuth mit Platons Atlantisbericht in Verbindung, und entwickelte daraus ein komplexes Modell zur Atlantis-Lokalisierung. Seiner Überzeugung nach soll das von Platon beschriebene Inselreich in der Nordsee bei der heutigen Insel Helgoland gelegen haben, die lediglich der Überrest einer vormaligen Großinsel sei, welche ein politisches und religiöses Zentrum der Nordischen Bronzezeit dargestellt habe. Dieses 'Atlantis des Nordens' habe auch Homer in seinen Erzählungen über die Phaäaken und ihre Königsinsel (Basileia) beschrieben, und die Atlanter bzw. Phaäaken seien als "Hyperboreer" in der griechischen Mythologie verewigt worden.

Abb. 1 Jürgen Spanuth (1907-1998) gehört zu den wohl umstrittensten Atlantisforschern des 20. Jahrhunderts, was die atlantologie-historische Aufarbeitung seines Lebens und Werks ganz besonders interessant macht.

Den von Platon beschriebenen Untergang von Atlantis innerhalb "eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht" führte Jürgen Spanuth auf den Einschlag eines Kometen (ca. 1250 v.d.Z.) sowie auf die damit zusammenhängenden Folgeereignisse (Mega-Tsunamis, Sintbrände, Dürrekatastrophen etc.) zurück, die ihren Niederschlag in den Mythen des Nahen Ostens und Europas gefunden haben sollen, z.B. bei den Hellenen in Form der Phaeton-Legende, bei den Ägyptern in Gestalt der Sekhmet, in Syrien als Anat, in der Avesta als Tistrya [1], und bei den Germanen in Form des Ragnarök und 'Fimbul-Winters'. Erfolgt sei der Impakt, laut Spanuth, im Gebiet der heutigen "Tiefe[n] Senke" (auch als '"Helgoländer Loch" bekannt) vor der Mündung der Eider, die er als den Bernsteinstrom "Eridanos" der griechischen Mythologie identifiziert. [2]

Dieses katastrophale Impakt-Ereignis um 1250 v.d.Z. bewirkte einen globalen, vor allem im nördlichen Europa katastrophalen Klimasturz (vergl. dazu Die end-bronzezeitliche Klimakatastrophe aus atlantologischer Sicht) der eine Völkerwanderung verursachte. Insbesondere die überlebenden Proto-Germanen (nach Spanuth: die Atlanter) seien gezwungen gewesen, nach Süden zu ziehen, und hätten als treibende Kraft zu den sogenannten Seevölkern gehört, die um 1200 v. Chr. das pharaonische Ägypten angriffen. Dazu heißt es bei Wikipedia: "Innerhalb der Vielvölkerallianz der Seevölker identifizierten einige Anhänger von Spanuths Thesen in linguistisch zweifelhafter Weise [sic!; bb] die "Phrst" mit den Friesen, die "Sakar" mit den Sachsen und die "Denen" mit den Dänen. [3]

Spanuth bringt mit den Naturkatastrophen um 1250 v. Chr. und dem vermeintlichen Untergang von Atlantis folglich die Urnenfelder-Wanderung und dorische Wanderung genauso in Zusammenhang wie die "dunklen Jahrhunderte" und die deukalische Flut in Griechenland, die biblischen Plagen in Ägypten und den Exodus der Israeliten, den Seevölkersturm, sowie die Ansiedlung der Philister und Entstehung der Phönizier in Palästina. Die nach Süden wandernden atlantischen Nordvölker sollen als Dorer den Griechen erst die Kultur und den fremden Hyperboreer-Gott Apollon gebracht haben. Später sollen sie als Seevölkerstamm der "Sakar" zu den phönizischen Seefahrern geworden sein, die sich in Palästina niederließen und den dort ansässigen semitischen Völkern die Alphabetschrift mitgebracht haben und für sie den Salomonischen Tempel erbauten." [4]

Abb. 2 Sofort nach der Veröffentlichung von J. Spanuths atlantologischen Werk von 1956 begann eine 'Schlammschlacht' gegen ihn, die noch heute nachwirkt.

Bereits kurz nach der Veröffentlichung seiner ersten Publikation zu diesem weitläufigen Themenkomplex ("Das enträtselte Atlantis", Stuttgart, 1953) (Abb. 2) begann ein wütender Gelehrtenstreit um Spanuths Atlantis-Theorie, der bald in eine regelrechte Hetzkampgne gegen den "Atlantis-Pastor" ausartete, welche durchaus Parallelen zur sogenannten "Velikowsky Affair" aufweist. (Zur angeblich "wissenschaftlichen" Rezeption des Spanuth´schen Werks und zu der 'Schlammschlacht', die über viele Jahre hinweg gegen ihn geführt wurde, siehe: "Jürgen Spanuth - eine atlantologie-historische Betrachtung" von Bernhard Beier)

Von Beginn an wurde die Auseinandersetzung um Jürgen Spanuth und sein Werk auch durch Versuche geprägt, ihn - durchaus zu Unrecht - in die Nähe ario-atlantistischer "Atlantissuche" während des 'Dritten Reichs' zu rücken (siehe: J. Spanuth, das SS-Ahnenerbe und die Atlantisforschung vor Helgoland - Vermeintliche Zusammenhänge unter die Lupe genommen), oder ihn als "Germantentümler" und "rechten Historiker" abzuqualifizieren. Spanuth selbst trug durch seine persönliche Indifferenz, die er - seine Arbeit instrumentalisierenden - Claqeuren aus dem 'rechten Lager' entgegen brachte, und durch seine völlige Instinktlosigkeit in dieser Hinsicht nicht unerheblich dazu bei, dass ihm dieses 'Stignum' erfolgreich und nachhaltig aufgedrückt werden konnte.

Bis zu seinem Tod (er verstarb am 17. Oktober 1998) begriff Spanuth nicht, dass er selbst durch sein Festhalten an einem, in 'rechtsextremes Fahrwasser' abdriftenden Verlag, durch Veröffentlichungen in ultra-rechten Publikationen und durch die - eher psychologisch als politisch zu bewertende - dankbare Entgegennahme dubioser Auszeichnungen aus diesem Spektrum seine Reputation als Forscher massiv unterminierte.

Trotz dieser und anderer markanter Defizite - so konstatiert ihm etwa der Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich, der Mitte der 1980er Jahre brieflich und fernmündlich mit Spanuth kommunizierte, eine "bemerkenswerte Halsstarrigkeit" und "Intoleranz gegenüber fachlichen Meinungen, die von der seinen abwichen" [5] - verdient das Gesamtwerk des 'Atlantis-Pastors' heute, vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse, zweifellos eine differenziertere Betrachtung als sie ihm in der Vergangenheit zuteil wurde, und welche auch seine unzweifelhaften Meriten um die Erforschung der europäischen Urgeschichte sowie um den Neo-Katastrophismus und die Atlantologie würdigt.

Team Atlantisforschung.de


Beiträge über Jürgen Spanuth & sein Werk

Jürgen Spanuth - eine atlantologie-historische Betrachtung (bb)

J. Spanuth, das SS-Ahnenerbe und die Atlantisforschung vor Helgoland - Vermeintliche Zusammenhänge unter die Lupe genommen (bb)

Spanuths 'Schlüssel zum Atlantisbericht' (bb)

Zur Diskussion um Spanuths Phaéthon-These (bb)

Uwe Topper versus Jürgen Spanuth (bb)

Jürgen Spanuth wider die klassische Atlantis-Theorie (bb)

Jürgen Spanuths Umdeutung des platonischen Atlantis-Berichts (Martin Freksa)

Jürgen Spanuth über Schultens Tartessos-Theorie (bb)

Jürgen Spanuth über 'Atlantis in der Ägäis' (bb)


Externa

André Kramer, Die Kontroverse um das Helgoländer Kupfer, bei: Mysteria 3000

Jürgen Spanuth, Ein Brief an Rainer Kühne, Januar 1991" (PDF-File, 568,89 KB), bei: Atlantis-Scout

Anonymus, Zwischen Himmler und Arte

Avram Kokhaviv, "Die nordische Götterwelt und die Rolle der Juden"

Anonymus, ATLANTIS / FORSCHUNG - Zwischen Sylt und Helgoland, aus: Der Spiegel, Nr. 39/ 27.09.1950 (sowie der Original-Artikel als PDF-File, 306,88 KB)

L., "Das Geheimnis der Ofensau - Streit um Pastor Spanuths Atlantis-Theorie", aus: DIE ZEIT, 22.10.1953, Nr. 43

Heidrun Beißwenger, "Atlantis enträtselt - die Spuren führen nach Helgoland - Die Katastrophe von 1220 v. u. Z." (bei: Philognosie ... Ihr Wissen im Internet)

Günter Bischoff, "Der Sturz des Phaéthon - Studie zu einer frühgeschichtlichen Katastrophe"

Günter Bischoff, "Atlantis - Die Enträtselung im 20. Jahrhundert"


Publikationen von Jürgen Spanuth

  • "Nordfrieslands Bekehrung zum Christentum", Berlin (Verl. d. Evang. Bundes), 1939
  • "Das enträtselte Atlantis", Stuttgart, 1953

Atlantis unravelled.jpg

  • "Atlantis - "The Mystery Unravelled", Arco, 1956
  • "Und doch: Atlantis enträtselt!", Stuttgart, 1955 / Tübingen, 1976
  • "Atlantis", Tübingen, 1965
  • "Atlantis. Heimat, Reich und Schicksal der Germanen", Tübingen, 1965 [1982]
  • "Der Vulkan Thera-Santorin in der Forschung der letzten Jahre", in: 'Deutsche Hochschullehrer-Zeitung', Tübingen, 1968, H. 2
  • "Die Große Wanderung", Ludwigsburg, 1969
  • "Widerlegungen der Fälschungen von C. Schott an seinen eigenen und meinen Veröffentlichungen", in: 'Erdkunde', Archiv für wissenschaftliche Geographie, Bd. XXIII, Lfg. 1, 1969, Bonn
  • "Lag Atlantis in der Ägäis? Besprechung der Bücher von J.V. Luce, 1969, und J.W. Mavor jr. 1969, in: 'Deutsche Hochschullehrer-Zeitung', 1970, H. 1
  • "Widerlegung der Fälschungen von W. Wetzel an seinen eigenen und meinen Veröffentlichungen", in: 'Nordfries. Jahrbuch', 1971
  • "Rätsel um Atlantis, Antwort auf eine Fernsehsendung von Ernst v. Khuon am 29.10. 1972", in: 'Deutschland in Geschichte und Gegenwart', Nov. 1972
  • "Alles über Atlantis? Besprechung des Buches von O. Muck", DGG, 1976
  • "Die Atlanter - Volk aus dem Bernsteinland", Tübingen, 1976
  • "Atlantis of the North", New York, 1979
  • "Die Philister, das unbekannte Volk : Lehrmeister und Widersacher der Israeliten", Osnabrück : Zeller, 1980
  • "Stollberg : ein altes friesisches Zentralheiligtum"; Erstveröffentlichung in Jahrbuch des Heimatbundes Nordfriesland, Band 25, Jahrgang 1938, [Bredstedt], M. L. Weisser, 1982
  • "Die Phönizier : ein Nordmeervolk im Libanon, Osnabrück (Zeller) 1985
  • "Die Rückkehr der Herakliden : das Erbe der Atlanter; der Norden als Ursprung der griechischen Kultur", Tübingen (Grabert), 1989
  • "Eine Ehrenrettung Platons", 1. Aufl. - München : Dt. Akad. für Bildung und Kultur, 1992


Anmerkungen und Quellen

Verwendetes Material

Munzinger, unter: Jürgen Spanuth - deutscher ev. Geistlicher und Forscher

Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, Stichwort: Jürgen Spanuth

  1. Anmerkung: The Persian god associated with the rains and fertility, the personified deity of Sirius the Dog Star. He leads the armies of Ahura Mazda against the forces of evil and he defeated the archdemon Apaosa. The forth month and the thirteenth day of the month are dedicated to him. He shows some similarities with the Armenian god Tir. (nach: Micha F. Lindemans, "Tistrya", in: Encyclopedia Mythica)
  2. Siehe zu dieser Annahme auch: Kai Helge Wirth, "Der Ursprung der Sternzeichen", 2000
  3. Siehe dazu: Walter Stender, "Die Wirklichkeit der Phaéton-Sage", in EFODON-SYNESIS Nr. 24/1997
  4. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, Stichwort: Jürgen Spanuth, Stand: 26.10.09
  5. Quelle: Dr. Horst Friedrich in einem Telefonat mit Bernhard Beier am 21. Dez. 09.