Gernot L. Geise und Reinhard Prahl: Auf der Suche nach der Mutterkultur - Rezension

Eine Rezension von Dr. Horst Friedrich

Abb. 1 "Auf der Suche nach der Mutterkultur" (257 S., zahlr. Abb., Hardcover) von Gernot L. Geise und Reinhard Prahl erschien 2005 im Michaels-Verlag (Peiting). Erhältlich für € 24.00. ISBN: 5-89559-620-6

Für alle, die sich mit dem Alter und den Ursprüngen von Hochkultur auf unserem Planeten beschäftigen, ein beachtenswertes Buch! Prahl ist ein durchaus ernstzunehmender Privatgelehrter (um die heute öfter gebrauchten, aber de facto viel zu verschwommenen Wortbegriffe "Grenzwissenschaftler" oder "Laienforscher" zu vermeiden), der insbesondere in der Ägyptologie große Kompetenz besitzt. Von ihm stammt der Hauptteil des Buches. es ist sein nicht übel gelungenes Erstlingswerk.

Von Co-Autor Geise stammen die letzten Kapitel zu Atlantis (einschließlich der Antarktis-Atlantis-These), eventuellen prä- / protohistorischen "Riesen"-Menschenrassen, den weltweiten vergleichenden Toponym-Forschungen von B. Vámos-Tóth und (dem Rezensenten allerdings zu "leichtfüßig" angedachten) Betrachtungen zu Ursprung und Herkunft "der weißen Rasse". [1] Zum Unterschied in der Arbeitsweise sagen die Autoren in den Vorbemerkungen selbst, "es wurde dieses Buch von zwei Autoren verfaßt, die in vielen Fragen der Archäologie und der Geschichtsschreibung doch sehr unterschiedlicher Ansicht sind. Der eine von uns (Prahl) verwendet gerne die sogenannte orthodoxe Archäologie als Basis für seine weiterführenden Forschungen, der andere steht diesem Gebiet eher skeptisch gegenüber... Gerade hieraus bezieht dieses Werk seine Kraft." (S. 14)

Große Anregungskraft wohnt diesem Buch in der Tat inne. Der Rezensent hatte bisher kein vergleichbares Werk in Händen, in dem so brandaktuell und nachvollziehbar wie von Prahl im Hauptteil des Buches Argumente dafür zusammengetragen werden, daß die Rolle Alt-Südamerikas hinsichtlich Alter und Ausstrahlung von Hochkultur (abgesehen von möglicherweise in den Ozeanen versunkenen Hochkulturen) bisher möglicherweise völlig unterschätzt wurde. Zu dieser Frage hatte der Rezensent sich schon 1995 in einem kleinen Artikel "Altamerika: Wiege der Hochkulturen?" [in: EFODON-SYNESIS Nr. 12/1995, S. 18] gesagt. Aber Prahl ist hinsichtlich der in den letzten Jahren entdeckten, phantastisch früh datierten alt-südamerikanischen Hochkultur-Überresten wie Caral viel präziser und bringt eine Fülle von Material.

Sehr beachtenswert läßt er sich auch über die offensichtlich bestehenden Zusammenhänge zwischen Alt-Südamerika, Kanaren / Guanchen und Alt-Ägypten aus. Wären dem Rezensenten diese Zusammenhänge schon eher bekannt gewesen, hätte er sie selbstredend in seine Arbeit von 1995 "Die Entstehung von Ober- und Unter-Ägypten in diffusionistischer Sicht" [erstveröffentlicht in EFODON SYNESIS Nr.9/1995; S. 18] eingearbeitet. Dem weltweiten Rätsel-Phänomen der prähistorischen Schädel-Trepanationstechniken [siehe: Die Kenntnis der Trepanation - Ein weltweites Phänomen der Steinzeit von Reinhard Prahl; d. Red.] wird ebenfalls ein gesondertes Kapitel gewidmet. Ebenso den bisher noch umstrittenen und von der Establishment-Wissenschaft noch nicht so recht "geglaubten" und schon gar nicht "verdauten" unterseeischen Hochkultur-Überresten in japanischen Gewässern nahe Taiwan [siehe dazu auch: Yonaguni - Le(Mu)rias Spuren vor Japans Küsten?, ff.; d. Red.], bei denen sich Affinitäten zu alt-südamerikanischen Hochkulturen herausgestellt haben.

Das ganze Prahl-Geise-Opus läuft auf ein sehr hohes Alter von Hochkultur, auf einen seit un-gezählten Jahrtausenden in Gang befindlichen weltweiten Kulturdiffusionismus [siehe dazu: Stichwort: Diffusionismus; d. Red.], und auf ein Verwerfen des Beringstraßen-Dogmas [siehe dazu: Farewell, Clovis! - Vom langsamen Sterben eines Paradigma, ff.; d. Red.] hinaus. Der Rezensent bezweifelt nicht, daß über Beringstraße / Aleuten zu allen Zeiten ein gewisser Austausch stattgefunden haben mag. In der ausschließlichen und übertriebenen Form, in der dieses Dogma im Establishment-Mainstream im Schwange war, kam es ihm aber in der Tat als Lehrbuch-Beispiel für "Pseudowissenschaft" vor.

Prahl hebt ganz besonders die Bedeutung von Caral / Peru (entdeckt bereits 1905, ernsthaft untersucht erst ab 1994!) hervor, "die älteste Pyramidenstadt Amerikas, ja vielleicht sogar der Welt" (S. 9) und betont, daß die Hochkultur in Südamerika um Jahrtausende älter als Alt-Ägypten mit seinen Pyramiden ist. Hier bricht also ein allzulange künstlich aufrecht erhaltenes 'Weltbild' total zusammen! In diesem Sinne heißt es bereits in der Einleitung: "Die Wiederentdeckung Carals ... widerlegte eines der wichtigsten Argumente gegen den Diffusionismus, der Theorie, nach der sich die alten Kulturen über den Seeweg bereits sehr früh gegenseitig befruchteten ... Eines der wichtigsten Argumente gegen den Diffusionismus ist somit endgültig und unwiederbringlich widerlegt." (S. 9/10) Und es wird das Fazit gezogen: "Es gab über einen langen Zeitraum Kontakte zwischen allen Kontinenten, die zu nachhaltigen Beeinflussungen führten." (S. 11)

Das ist also die bekannte Weltanschauung des Diffusionismus. Das Buch geht aber über das allgemeine Diffusionismus-"Leitmotiv" noch hinaus, indem es den Standpunkt einer ganz speziellen (auch bisher schon oft in vielen Varianten postulierten) Diffusionismus-Version einnimmt: "Mehr noch; Es muß einst eine Mutterkultur gegeben haben, von der alles ausging!" (S. 11) Das mag in der Tat sein, manches spricht dafür. Im Rahmen dieses Postulats sind allerdings viele Versionen denkbar. Es könnte sein, daß jene postulierte Mutterhochkultur (von hypothetischen extraterrestrischen Ursprüngen erdemenschlicher Hochkultur im Sinne der 'Paläo-SETI'-These ganz zu schweigen) noch Jahrtausende weiter zurück in der Vergangenheit, ja vielleicht sogar in vergangenen Erdzeitaltern lag.

Sie könnte dann von kosmisch-terrestrischen Kataklysmen total vernichtet und unter geologischen Ablagerungen dem Auge entzogen worden sein. So weit gehen die Autoren nicht zurück. Sie "glauben belegen zu können, daß es einst auf einem weit entfernten Kontinent ... die oben erwähnte Hochkultur um -10 000 gab" (S. 14) und sagen: "Vieles deutet darauf hin ..., daß das Volk, welches die antiken Kulturen nachhaltig beeinflußte, aus Amerika kam!" (S. 12) Sie vermuten, daß diese Hochkultur durch einen "großen Kataklysmus" (S. 14, keine näheren Angaben zu einem solchen) verrichtet wurde und Überlebende zunächst "einen neuen Kontinent besiedelten und hier die Eingeborenen unterrichteten". (S. 15)

Erst dem Epilog (S. 250) läßt sich dann explizit entnehmen, daß die vernichtete Hochkultur auf dem Antarktis-Kontinent gelegen haben soll: "Diese 'Atlanter' stammten zwar aus Antarktika, flohen aber nach einem entsetzlichen Kataklysmus von dort nach Südamerika... Es waren die Nachfahren dieser Menschen, die den Gedanken der Hochkultur über die Erde trugen." Es ist diese Möglichkeit wohl nicht ganz auszuschließen. Der Rezensent hofft jedoch, daß sich die Autoren zu einem Folgeband oder einer überarbeiteten Auflage entschließen, in dem auch die ganz wesentliche Region Südostasien / Pazifik / Indischer Ozean integriert worden ist.

Die Frage eines ehemaligen mittelpazifischen Kontinents ("Mu") [siehe dazu auch: Le(Mu)ria - Das Atlantis des Pazifik /Ein Plädoyer für die grenzwissenschaftliche Lemuria-Betrachtung, ff.; d. Red.] wird im vorliegenden Buch nur gestreift. Childress´ LOST CITIES OF ANCIENT LEMURIA & THE PACIFIC (1986) könnte da Anregungen geben. Insbesondere die Frage der Ursprünge der indischen Hochkultur [2], etwa im Sinne des Werkes IN SEARCH OF THE CRADLE OF CIVILIZATION (1995) von Feuerstein, Kak und Frawley, müßte aber in einer Neuauflage mitbehandelt werden. Der Diffusionismus muß weltweit denken, insofern kann dieses beachtenswerte Werk nur erst als die Darstellung eines (wenn auch wesentlichen) Teil-Aspekts des Gesamtproblems gelten.


Anmerkungen und Quellen

Diese Rezension von Dr. Horst Friedrich © wurde als Erstveröffentlichung in den FRANKFURTER BRIEFEn, Vereinsnachrichten der Giordano-Bruno-Gesellschaft e.V., Frankfurt am Main, Oktober 2005, veröffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint sie in einer redaktionell bearbeiteten und illustrierten Online-Fassung.

  1. Red. Anmerkung: Zu einer "schulwissenschaftlichen" Kritik des "Rasse"-Begriffs siehe: Wir sind alle Afrikaner von Prof. Volker Sommer (London); zu einer "grenzwissenschaftlichen" Kritik dazu siehe: Fünf Thesen zur Vorgeschichte von Dr. Horst Friedrich.
  2. Vergl. dazu: War Alt-Indien der wahre Vorgänger der westlichen Zivilisation? von Dr. Horst Friedrich.


Bild-Quellen

(1) http://www.michaelsverlag.de/shopbilder/1110439993Geise%20Mutterkultur.jpg