Internationales Segelevent zur Expeditionsvorbereitung

Der nächste Schritt auf dem Weg zur großen Fahrt der ABORA IV

von Dr. Dominique Görlitz


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Nach den überaus erfolgreichen Segelversuchen im Sommer des letzten Jahres wird das ABORA-Team vom 11. bis 15. Mai 2018 einen weiteren Segelevent auf dem Geiseltalsee in Sachsen-Anhalt veranstalten. Doch dieses Mal reisen nicht nur die Mitglieder des in Chemnitz ansässigen ABORA-Vereins an, sondern auch die ersten internationalen Mitstreiter für die geplante neue ABORA IV-Expedition. Diese soll in den nächsten ein bis zwei Jahren vom russischen Sotschi aus starten, um über das Schwarze Meer bis tief in das Mittelmeer zu segeln. Für diese die schwierige Mission im Kielwasser frühgeschichtlicher Seefahrer trainieren inzwischen Anwärter aus sechs Nationen.

Die Hintergründe der neuen Seereise

Abb. 2 Die DILMUN S im Segeltest auf dem Geiseltalsee 2017. Das Segelrevier in der Mitte Deutschlands bietet guten Wind und ausreichend Raum für die Segelanwärter. Das Segelfloß lässt sich mit den seitlich am Rumpf befestigten Kielschwertern ausgezeichnet navigieren.

Bis vor wenigen Jahren ging man in der Archäologie davon aus, dass die großen Zivilisationen des Altertums, wie die sumerische und |ägyptische, für alle technischen Innovationen verantwortlich waren. Diese breiteten sich danach in die Levante, das Minoische Kreta und noch später ins 'barbarische' Europa sowie den Kaukasus aus. Heute kann jedoch gezeigt werden, dass diese Beeinflussung auch in umgekehrter Richtung von den frühesten Metallkulturen am Fuße des Kaukasus und Mitteleuropas aus erfolgte. Dies legen auch die Überlieferungen Herodots nahe, der älteste Handelskontakte der Ägypter bis ins östliche Schwarzmeergebiet hinein beschrieb. Die Schwarzmeerregion im Südosten Russlands, Georgiens, der Nordtürkei und Armeniens wurde in der Antike als Phasis oder auch Kolchis bezeichnet, welches sich durch die Verhüttung seltener Metalle wie Gold, Bronze und Eisen einen Namen machte. Antike Überlieferungen berichten von uralten Handelsfahrten der Ägypter bis an den östlichen Rand des Schwarzen Meers. Diese Überlieferungen über sehr ausgedehnte Fernhandelsfahrten werden von vielen Archäologen noch immer stark vernachlässigt.

Die bedeutende Rolle der altertümlichen Seefahrt im Schwarzen Meer und dem angrenzenden Mittelmeer soll nun durch die neue ABORA-Schilfbootexpedition untermauert werden. Sie wird mit ihrer Fahrt die technologische Möglichkeit maritimer Verbindungen zwischen den frühgeschichtlichen Bronzekulturen des Schwarzen Meeres mit denen des östlichen Mittelmeeres belegen. Bei deren frühen Kontakten spielten vermutlich auch seltene Materialien aus Mitteleuropa wie Bernstein von der Ostsee sowie Zinn aus dem Erzgebirge eine überaus wichtige Rolle.

Die Vorbereitung der anstehenden Seereise

Für die Vorbereitung der neuen Hochseeexpedition konstruierte der Verein eine Art »Mini-ABORA«, die DILMUN S. Sie ist das fünfte Experimentalfloß einer kleineren Baureihe, um die künftigen Mitsegler für die anstehenden Manöver auf der ABORA IV vorzubereiten. Im Unterschied zu dem großen Vorbild Thor Heyerdahl, der auf seinen Ozeanexpeditionen stets den großen Meeresströmungen auf Vorwindkursen folgte, segelt das Team um Dominique Görlitz immer auf schwierigeren Kursen. Sie erfordern ein aktives und anspruchsvolles Segeln, das heißt die ABORA-Schiffe müssen auch gegen die Winde und z.T. sogar gegen die Strömung navigieren können.

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Abb. 3 Die geplante Reiseroute der ABORA IV: Von Sotschi geht es 1.000 km quer über das Schwarze Meer nach Varna/Bulgarien. Diese Überfahrt wird zu einem der schwierigsten Abschnitte der Seereise, weil der nahe Kaukasus berüchtigt für Starkwinde und abrupte Wetterwechsel ist. Aber auch die anschließende Fahrt durch den Bosporus und die Dardanellen ist alles andere als einfach. Danach geht es per „Island Hopping“ weiter in Richtung Süden durch die Ägäis. Das Endziel ist noch ungewiss, denn immer neue Entdeckungen und Entwicklungen haben Einfluss auf die Dauer und die Richtung der Fahrt.

Dafür bietet der Geiseltalsee gute Voraussetzungen, denn der See erstreckt sich in seiner NW-Ausrichtung über mehrere Kilometer, so dass man nicht quer und gegen den Wind, sondern auch gegen eine auf den Meeren immer vorhandene Dünung ansegeln muss. Im letzten Jahr gelang es dem Team, seine Erfahrungen mit der steinzeitlichen Seitenschwert-Segeltechnik erheblich zu erweitern. Es segelte vom Starthafen Braunsbedra aus einen Rundtörn, auf dem die Crew ganz auf die Heckruder verzichtete und nur mit den Seitenschwertern ihr Segelfloß auf Kurs hielt. Diese Steuerung 'ganz ohne Ruder' wurde durch den Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859) überliefert. Er beobachtete auf seiner Forschungsreise über den Pazifik weit von der südamerikanischen Küste entfernt große besegelte Inka-Flöße aus Balsaholz, die ganz ohne Ruder gesteuert wurden.

Dieses Beispiel belegt nicht nur, dass schon man lange vor der europäischen Seefahrt in der frühen Neuzeit in der Lage war, die Meere zu befahren, sondern zudem, dass man die wichtigsten Probleme der Navigation (Manövrierfähigkeit und Orientierung) schon in früheren Zeiten gelöst haben muss. Diese seefahrerischen Leistungen bedingen eine entwickelte Segeltechnik und nicht zuletzt hohe Teamkompetenz, weshalb auch die Mannschaft der DILMUN S diese Manöver wieder und wieder einüben muss.

Großes Interesse internationaler Archäologen an der kommenden Expedition

Die Vorbereitungen für die neue Expedition laufen schon seit zwei Jahren. Bereits vor einem Jahr nahm Expeditionsleiter Kontakt mit Wissenschaftlern aus den Anrainerstaaten der geplanten Route auf, die großes Interesse an einer Expeditionsteilnahme zeigen. So meldete sich letztes Jahr der bulgarische Archäologe und Kurator des Gold-Museums Varna, Teodor Rokov, um für die Fahrt der ABORA IV anzuheuern. Für Rokov steht fest, dass sie viele wichtige Fragen für die Handelsbeziehungen der ältesten Gold-Kultur der Welt in Varna (4.300-4.100 v.Chr.) beantworten kann.

Abb. 4 Als neuer Fan des ABORA IV Projektes plant auch der türkische Archäologe Prof. Rüstem Aslan (rechts neben Dr. Görlitz), anzuheuern. Der Troja-Experte erforscht seit vielen Jahren die kulturellen Wechselwirkungen der türkischen Bronzekultur mit den Nachbarn im Norden und Süden. Die Fahrt der ABORA IV kann somit viel zum Verständnis von Funden mit unklarer Herkunft beitragen.

Ähnlich sieht es auch der türkische Archäologe Prof. Dr. Rüstem Aslan (Abb. 3). Er leitet die Ausgrabungen von Troja (-2.900- 600 n.Chr.), das direkt an den Dardanellen, am Ausgang des Schwarzen Meers, lag. Gemeinsam mit Görlitz hielt Aslan auf der Internationalen Tourismus-Börse Berlin (ITB) im März 2018 einen Vortrag, auf dem beide Wissenschaftler die Bedeutung Trojas als interkulturelle Schnittstelle und Handelszentrum in der frühen Bronzezeit herausstellten. Prof. Aslan führt übrigens das Vermächtnis des deutschen Archäologen Prof. Manfred Korfmann (1942-2005) fort, der mit Görlitz gut befreundet war und ihn schon 1998 bat, mit der ABORA I den Bosporus und die Dardanellen für Forschungszwecke zu befahren. Doch auch im Norden, Osten und Süden des Schwarzen Meeres ist das Interesse an der Segelexpedition sehr groß. Görlitz pflegt seit Jahren einen engen Austausch mit Wissenschaftlern der Lomonossow Universität Moskau, die auch in Sotschi eine Außenstelle betreibt. Zum anderen haben auch die Kollegen in Armenien und in Griechenland ein großes Interesse an der Expedition, die viele Bereiche der Vor- und Frühgeschichte beleuchten wird.

Aus diesem Grund kommen am 14. Mai ab 12 Uhr auch Vertreter der Türkei, Russlands und vermutlich auch Griechenlands zum Geiseltalsee, um an den Vorbereitungen und ersten Segeltests teilzunehmen. An diesem Nachmittag sollen weitere Freundschaften und Kooperationen zwischen den Partnern geknüpft und ausgebaut werden. Aber auch aus den USA und den Niederlanden reisen eigens neue Crewmitglieder an, um sich für die anstehende Fahrt als Landesvertreter fit zu machen. Captain Tom Murphy – ehemaliger Leiter der Feuerwehrwache New Jersey/USA – hat bereits 2007 das ABORA III-Team aktiv an Land unterstützt. Er wird als amerikanischer Vertreter bei der Expedition anheuern und das internationale Team verstärken. Vielleicht trägt seine Teilnahme in einer internationalen Mannschaft auch dazu bei, die Verständigung zwischen den verschiedenen Nationen zu verbessern. Immerhin haben friedlicher Handel und kulturelle Kooperationen von je her dazu beigetragen, politische und auch ökonomische Differenzen zu beseitigen. [1]

Die alte 'Seidenstraße des Nordens', wie dieser Handelsweg auch bezeichnet wird, könnte durch die Fahrt der ABORA IV wieder mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken und verdeutlichen, dass viele Errungenschaften der Vergangenheit uns auch heute helfen können, einen besseren Weg in die Zukunft zu finden. Bis dies jedoch soweit ist, müssen das ABORA-Team und seine neuen internationalen Bewerber noch viel mit ihrem frühzeitlichen Gefährt DILMUN S auf dem Geiseltalsee üben und weitere Segelerfahrungen sammeln.



Geplanter Ablauf der Auftaktveranstaltung des internationalen ABORA-Segelcamps am 14. Mai 2018 am Geiseltalsee


Die Veranstaltung beginnt ab 12.00 Uhr in der Marina Braunsbedra (06242 Braunsbedra, Am Hafen 1)

Derzeit geplant:

Abb. 5 Eine Luftaufnahme der DILMUN S in der Marina Braunsbedra, Geiseltalsee (Foto: Frank Stegmann; Screenshot aus dem Video "Geiseltal 2017")
  • 12.00 Uhr - Empfang der Gäste
  • 12.30 Uhr - Eröffnung des Events und Vorstellung der Gäste
  • 13.15 Uhr - Segeltörn als Begleitung der DILMUN S
  • 14.30 Uhr - kleine Pause
  • 15.00 Uhr - Möglichkeit zur Mitfahrt auf dem Experimentalfloß mit permanentem Wechsel auf dem See (ein Shuttelservice ist eingerichtet)
  • 17.00 Uhr - voraussichtliches Ende

Bitte beachten, dass bei Schlechtwetter der ganze Event auf einen Tag später, d.h. auf Dienstag den 15. Mai 2018, verschoben wird!



Anmerkungen und Quellen

Fußnote:

  1. Red. Anmerkung: Zur ABORA IV-Expedition als Friedensmission siehe auch: Dr. Dominique Görlitz, "'Sailing for Peace' mit der ABORA IV - Das ABORA-Team segelt nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen"

Bild-Quellen:

  • Abb. 1 bis 4: Bild-Archiv Dr. Dominique Görlitz