Ist der atlantologische Diffusionismus 'Schnee von gestern'?

von Egerton Sykes (1967)

Abb. 1 Die mittel- und südamerikaischen Pyramiden, wie der 'Sonnentempel' der Maya (Bild) und ihre 'Verwandten' in der Alten Welt gehören zu den klassischen Streitobjekten zwischen Diffusionisten und Isolationisten. Handelt es sich um Produkte eines gemeinsamen Kultur-Erbes oder um Parallel-Entwicklungen?

Es war Donnelly (Abb. 2), der als erster auf die Ähnlichkeiten zwischen bestimmten kulturellen Manifestationen auf beiden Seiten des Atlantik als Evidenz für die Existenz einer kulturellen Brücke zwischen ihnen hinwies. Zunächst gibt es da die Pyramidenfrage.

Als die Vorstellung erstmalig zur Streitfrage wurde, erkannte man nicht, dass das typische glatte Erscheinungs-Bild der Großen Pyramide in Ägypten eine recht junge Idee war, während die originalen Pyramiden alle Stufenpyramiden waren, wahrscheinlich mit Rampen, die von einer Stufe zur nächsten führten, so dass an ihrer Außenseite Zeremonien abgehalten werden konnten. Dies war sicherlich bei dem großen Zikkurat von Babylon der Fall, dem Turm von Babel, dessen Überreste man heute noch sehen kann. Die Geschichte von der Verwirrung der Sprachen könnte hier durch die große Zahl von Kriegsgefangenen aufgekommen sein, die bei seiner Konstruktion beschäftigt wurden, und die, da sie aus allen Teilen des Mittleren Ostens kamen, über keine gemeinsame Sprache verfügten.

Ursprünglich hatte man angenommen, es gäbe keinerlei Ähnlichkeiten zwischen den Pyramiden Ägyptens und jenen in Mexiko, da die ägyptischen alle über innere Kammern verfügten, während dies bei den mexikanischen (Abb. 1) nicht der Fall war. [1] Jüngere archäologische Forschungen haben jedoch gezeigt, dass all die amerikanischen Innen-Kammern hatten, einige sogar besonders große. Der Haupt-Unterschied liegt in der Tatsache begründet, dass die afrikanischen [Pyramiden] Eingänge an ihren Flanken haben, während die Zugänge der amerikanischen aus, von der Oberseite nach unten verlaufenden, Schächten bestehen. Die babylonischen Exemplare sind nicht erhalten geblieben, da sie, weil es in Babylonien fast völlig an harten Baumaterialien mangelte, aus gebrannten Lehm-Ziegeln errichtet werden mussten, die schließlich aufgrund der Zerstörungskraft der Elemente zerbröselten.

Die Ursache für den Pyramidenbau scheint die Errichtung von Bauwerken gewesen zu sein, die vermutlich hoch genug waren, um die Sintflut überstehen zu können, wenn sie wieder käme. Die Geschichte von den Siriadischen Säulen, die von Suria [auch: Saurid; d. Red.] [2], einem vorsintflutlichen Herrscher errichtet worden sein sollen, eine aus Ziegeln und eine aus Stein, in denen das Wissen der Vergangenheit aufbewahrt wurde, in der Hoffnung, zumindest eine davon werde überdauern, scheint mit dem Bau dieser Pyramiden in Verbindung zu stehen. Vielleicht werden wir eines Tages etwas wirklich Interessantes darin entdecken, doch bisher ist jeder Zugang in ihr Inneres bereits vor vielen Jahren von Räubern entdeckt und ausgeplündert worden. Ein Team einer amerikanischen Universität arbeitet jetzt mit Messgeräten für kosmische Strahlen an der Großen Pyramide, im Bestreben, darin noch unbekannte Kammern aufzustöbern.

Abb. 2 Ignatius Donnelly (1831-1901) wies als erster auf die Ähnlichkeiten zwischen bestimmten kulturellen Manifestationen auf beiden Seiten des Atlantik hin und betrachtete sie als Evidenz für die Existenz einer kulturellen Brücke zwischen den Kontinenten.

Meiner Meinung nach suchen sie am falschen Platz, da ich annehme, dass sich alles Interessante unterhalb der Stellen befindet, an denen sie arbeiten [vergl. dazu: Die Sprache der Steine von Robert Bauval; d. Red.], doch das wird im kommenden Jahr zur Diskussion stehen, wenn sie ihre Tests abgeschlossen haben. Eines der geologischen Merkmale der Katastrophe war die Verbreiterung [...] des Great Rift. Bei Baalbek, im Großen Tempel, wurde einst eine jährliche Zeremonie abgehalten, bei der Meeres-Wasser, das unter Schwierigkeiten von der 30 Meilen entfernten Küste herangeschafft wurde, in eine Spalte am nördlichen Ende des Rift geschüttet wurde, um an die Tatsache zu erinnern, dass die Wasser der Sintflut schließlich durch diesen Riss im oberen Erdmantel abflossen.

Obwohl es in Tiahuanaco ein bogenförmig gemauertes Fenster gibt, scheint es sonst keinerlei Hinweis darauf zu geben, dass diese Frühkultur solch ein Konstruktions-Merkmal kannte, oder es verwendete. Das architektonische Level dieser rohen Stein-Gebäude war jedenfalls extrem hoch, da das Brechen der Steine, die zusammenpassen sollten, mit äußerster Sorgfalt geschah, sodass sie ohne Mörtel zusammenhielten, und tatsächlich ist es nach all den Jahren immer noch höchst schwierig, auch nur eine Messerklinge zwischen zwei der Steine zu schieben. Man ist versucht anzunehmen, dass Astronomie eine der Wissenschaften war, die ihren Ursprung in Atlantis hatte, doch hier wird man mit der Tatsache konfrontiert, dass die Astronomen der Neuen Welt denen in der Alten Welt weit voraus waren. So wurden beispielsweise in Mexiko die Venus-Durchgänge aufgezeichnet, die im Nahen Osten praktisch unbekannt gewesen zu sein scheinen.

Ebenso waren die diversen mexikanischen Kalender-Systeme, die sich in Details unterschieden, im Grundsatz jedoch die gleichen sind, so weit wir sie zurückverfolgen können, akkurat, wogegen die europäischen Systeme bis 1752 ziemliche Ungenauigkeiten aufwiesen, als in Britannien die berühmte 12-Tage-Angleichung vorgenommen wurde. Allgemein nimmt man an, dass die alten Ägypter über bemerkenswerte astronomische Kenntnisse verfügten, doch unglücklicher Weise sind uns keine astronomischen Papyri überliefert worden. Eine Mitteilung, die ich am heutigen Morgen erhalten habe, legt nahe, dass die Babylonier eine Art Stonehenge gehabt haben müssen, um Eklipsen berechnen zu können. Ein weiterer Brauch, welcher der Welt von der Atlantis-Kultur überliefert wurde, ist jener der Couvade. Er äußert sich üblicherweise darin, dass der männliche Elternteil nach der Geburt eines Kindes einen Monat lang, oder für sechs Wochen, ein rituelles Tabu durchläuft.

Diese Sitte war in erster Linie auf wichtige Familien beschränkt. Ihre Ursache mag in einer Art Schutz-Zauber [orig,: "sympathetic magic"; d. Ü.] gelegen haben, da es auf das Kind zurückfallen könnte, wenn der Kindsvater ein Unrecht begangen hat, bevor das Baby entwöhnt ist. Dieser Brauch war zu beiden Seiten des Ozeans weit verbreitet, und es gibt ihn heute noch; über einen Fall aus dem Gebiet von Bordeaux wurde um 1951 herum berichtet. In Verbindung damit stehen die Beschneidung und die rituelle Opferung von Erstgeborenen, die in etwa im gleichen Gebiet vorkam. Dies steht im Zusammenhang mit der Kirchen-Weihe von Erstgeborenen, und mit dem rituellen Opfer der Beschneidung, die sich als Ersatz-Handlungen durch-setzten. Es erscheint interessant, dass es im Nahen und Mittleren Osten nicht ein einziges öffentliches Gebäude gibt, das auf alttestamentarische Zeiten zurückgeht, wo keine kleinen Kinder geopfert wurden, deren Leichen man unter allen Eck-Steinen platzierte, vermutlich, um der Struktur Leben und Heiligkeit zu verleihen. Das selbe System findet sich auch in Meso-Amerika.

Abb. 3 Eine der Stufenpyramiden von Guimar auf den Kanarischen Inseln. Diese kanarischen Pyramiden könnten ein Bindeglied zwischen den Pyramidenbauer-Kulturen östlich und westlich des Atlantik darstellen.

Dann haben wir da die Sitte der Schädel-Deformation, die überall in Mesoamerika, Europa und Afrika zu finden ist. Da der Schädel eines neugeborenen Kindes noch weich und biegsam ist, ist es möglich, seine Form zu verändern, ohne irgendwelchen außergewöhnlichen ernsthaften Schaden anzurichten. Der Vorgang bestand üblicher Weise darin, zwei Bretter mit einem Lederband zusammenzubinden, wobei das neugeborene Kind, auf dem Rücken liegend, auf ein [Brett] gebettet ist und von dem anderen niedergehalten wird, was ähnlich wie ein Nuss-Knacker wirkt. Wenn die Bandage mehrere Monate lang jeden Tag enger geschnürt wird, verändert sich die Schädel-Form vollständig. In Britisch-Kolumbien waren die Chinook deshalb als "Flat Head"-Indianer bekannt.

Ein ähnlicher Typ von Deformation wurde extensiv in Mexiko betrieben und, nach Portaits zu schließen, auch in Ägypten. Heutzutage gibt es dies im Sudan und noch weiter südlich, obwohl dort einfache Bandagen üblicher als die Holz-Rahmen sind. Ein typisches Beispiel für solche Schädel, doch möglicher Weise ein Geburtsfehler, zeigt sich am Kopf der Nefertiti, der schönsten Frau des frühen Altertums [...] Die Feststellung ist von Interesse, dass der Ausdruck "auf jemanden herabsehen" von derartigen Menschen herrühren könnte, die ihren Schädel, aufgrund seiner Form, anwinkeln mussten, wenn sie jemand ansehen wollten, wobei sie, statt die Person direkt anzuvisieren, nach 'unten' blicken mussten.

Der Grund für diese Deformation liegt in der Tatsache, [...] dass diese Schädelform bei den Bewohnern von Atlantis recht üblich war, und dass Mütter aus gesellschaftlichen Gründen die Feststellung machten, dass es möglich war, diese Form künstlich zu erzeugen. Es müssen zehntausende solcher künstlich deformierten Schädel in Museen auf der ganzen Welt existieren, und einige Prachtstücke befanden sich im Museum of the Royal College of Surgeons, bevor es im Krieg zerbombt wurde. Mumifizierung war zu beiden Seiten des Atlantik üblich [3] und [in Amerika] erstreckte sie sich gen Süden sogar bis nach Peru. Der dazu gehörige Kult der Aufbewahrung der Überreste in, den Göttern der vier Himmelsrichtungen geweihten, Gefäßen war sowohl in Ägypten als auch in Mexiko üblich. Diese himmlischen Gefäße scheinen bis weit in die Geschichte zurückzureichen, doch sie scheinen lediglich im kulturellen Umfeld von Atlantis vorgekommen zu sein. [4]

Die ersten Ball-Spiele, die auf Plätzen gespielt wurden, entstanden während dieser Kultur-Periode. Die Ball-Spiele der Maya und Azteken, [...] deren direkter Nachfolger heute das Pelota ist, das die Basken spielen, gehörten zu den ersten Spielen mit einem Gummi-Ball. [...] Das königliche Tennis, das in Shakespeares 'Heinrich der Fünfte' erwähnt wird, wurde in Europa bereits hunderte von Jahren gespielt, bevor Kolumbus Amerika erreichte. Es stammt wahrscheinlich von den Basken, deren Überlieferungen von Atlantis sich in Verdegauers "Atlantida" kristallisierten. Sie wurde vor etwa hundert Jahren gedruckt und wurde kürzlich zum Stoff für eine Oper.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Egerton Sykes erschien erstmals in englischer Sprache im Jahr 1967 (vermutl. in 'Atlantis', London). Übersetzung ins Deutsche, Titel und redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de nach http://kengarman.tripod.com/thelegendofatlantis/id9.html (nicht mehr online)

  1. Red. Anmerkung: Innenräume gab es offenbar auch in den noch wenig bekannten chinesischen Pyramiden. Vergl. dazu: "Pyramiden im Reich der Mitte" von Hartwig Hausdorf
  2. Red. Anmerkung: Zum Namen des mythischen Herrschers "Suria" vergl. auch den Hindu-Begriff "Surya" --- Zu Saurid siehe bei Atlantisforschung.de auch: "Sintflut, Katastrophen und verstecktes Geheimwissen in den Pyramiden von Giseh" (rmh)
  3. Red. Anmerkung: Obwohl die meisten amerikanischen Mumien aufgrund eines natürlichen, klimabedingten Dehydrierungs-Prozesses entstanden, gibt es im Einzelfall auch konkrete Hinweise auf die Anwendung expliziter Mumifizierungs-Techniken, wie sie z.B. im alten Ägypten angewendet wurden. Vergl. dazu etwa: Riesen und andere Nicht-Amerinden - in Kentucky
  4. Red. Anmerkung: Bei einem kurzen Seitenblick in den asiatischen Großraum stoßen wir allerdings auch auf vergleichbare Specimen (siehe: Laos und das Rätsel der Steinkrüge von Luc Bürgin). Dies lässt entweder Rückschlüsse auf entsprechende, paläolithisch-mesolithische Migrationen aus dem Atlantik-Raum zu (vergl. dazu: Peter Marsh´s Szenario zur Besiedlung des Pazifikraums), oder Sykes diesbezügliche Aussagen sind zu relativieren.


Bild-Quellen

(1) http://www.seapyramid.net/pictures/images-pic2/Build_maya_TempleoftheSun.jpg (nicht mehr online)

(2) http://members.chello.nl/afriele/SPELLEN/atlantis.htm (nicht mehr online)

(3) http://www.htwm.de/abora/english/triangle/triangle.htm (nicht mehr online)