Atlantisbericht
Noch in Arbeit
Inhaltsverzeichnis
Definition
(red) Der Atlantisbericht (auch: die Atlantida) des hellenischen Staatsphilosophen Platon stellt die zentrale Informationsquelle der Atlantisforschung (Atlantologie) dar. Die, ein legendäres, auf einer als 'Atlantis' bezeichneten Großinsel beheimatetes, Urzeit-Reich betreffenden Informationen finden sich in zwei Dialogen aus Platons Spätwerk, nämlich, nach der Stephanus-Paginierung:
Timaios (19b-27)
Kritias (108d-121c)
Zusammenfassung der Angaben im Timaios
Die literarische Figur des Kritias (Abb. 3) berichtet dort dessen fiktionalen Gesprächspartnern Timaios, Hermokrates und Sokrates unter Berufung auf Solon "eine zwar seltsame, aber durchaus in allem wahre Geschichte" (20d) über Heldentaten der urtümlichen Athener, welche aber "durch die Zeit und das Dahinsterben der Menschen in Vergessenheit geaten seien" (20e). Diese "alte Geschichte" ("palaidòn logon"; 21a), die Solon bei seiner Ägyptenreise in Saïs von einem Priester der Göttin Neith (dort gleichgesetzt mit Athene) erzählt worden sein soll (21e-22a).
Solon habe dort von den "ältesten Geschichten" (22a) aus dem Sagenschatz der Athener berichtet, woraufhin ihm ein alter Priester amüsiert eine 'Vorlesung' in Sachen Ur- und Zivilisationsgeschichte hielt. Er erklärt ihm, die Vorfahren der Athener und anderer Völker verfügten nicht über wirklich alte Überlieferungen, da ihre Vorfahren durch zyklisch-kataklysmische Ereignisse ("mannigfache Heimsuchungen [...], die größten durch Feuer und Wasser, andere geringere durch tausend andere Ursachen") immer wieder ins Stadium der Barbarei zurückgeworfen worden seinen.
Die Ursachen dieser, "nach Ablauf der gewöhnlichen Frist" eintretenden, Groß-Katastrophen seien auf astronomisch erklärbare Ursachen ("Abweichung der am Himmel befindlichen Gestirne") zurückzuführen. Aufgrund seiner geographischen Lage sei Ägypten bzw. seinen Bewohnern dieses Schicksal erspart geblieben. Die Athener aber hätten sogar vergessen, dass "der Staat, der jetzt der athenische heißt, der tüchtigste im Krieg" war; und "sich in jeder Beziehung durch eine gute gesetzliche Verfassung vor allen ausgezeichnet" habe. (22c-23c)
Auf Solons Drängen hin berichtet der Priester weiter, sowohl der saïtische Gau Ägyptens als auch Athen seien Domänen der Göttin Neith/Athene, welche sie "gedeihen ließ und heranbildete" (23d). Wie er erklärt, sei das Land der Athener 1000 Jahre früher als das der Ägypter von der Göttin kultiviert worden. "Die Zahl der Jahre aber seit der Einrichtung [des ägyptischen] Staates ist bei uns in den heiligen Schriften mit achttausend Jahren angegeben." (23e) Der Staat der 'Ur-Athener' soll bereits "vor neuntausend Jahren" (ebd.) existiert haben. Die Gesellschaft dieses urtümlichen Athens soll ständisch organisiert gewesen sein.
Es habe dort Priester, Krieger, Handwerker sowie Hirten, Bauern und Jäger gegeben, wobei Priester und Krieger als oberste Stände abgesondert von der übrigen Bevölkerung lebten. (24a-24b). Unter einer "noch vollkommneren Verfassung" (24d) als jener der Ägypter lebend, hätten die sich Athener "in jeder Tugend vor allen anderen Menschen ausgezeichnet"
Besondere Hochachtung hätten sie sich in ihrem "Heldenmut" jedoch dadurch, dass sie einer gewaltigen "Heeresmacht" Einhalt geboten hätten, "welche im Atlantischen Meere ihren Ausgangspunkt hatte und von außenher übermütig gegen ganz Europa und Asien [1] heranzog. Damals war jenes Meer nämlich noch schiffbar, denn vor dem Eingang, der, wie ihr sagt, die Säulen des Herakles heißt, befand sich eine Insel als Asien und Libyen zusammengenommen, von welchen den damals Reisenden der Übergang zu anderen Inseln und dem ganzen gegenüberliegenden Festland, an jenem wahren Meer, möglich war.
Denn das Gebiet hier, welches innerhalb jenes Eingangs, von dem wir sprechen, liegt, erscheint nur als eine Bucht mit einer schmalen Einfahrt. Jenes aber muß wirklich als Meer und das es umgebende Land mit vollstem Recht als Festland bezeichnet werden." (24c-25b)
Auf der in diesem Meer gelegenen Insel Atlantis (Átlantìs nē̂sos [2] = "im Meer des Atlas gelegene Insel") war eine "große und bewunderungswürdige Macht von Königen" entstanden, welch nicht nur über diese Insel, sondern auch über "viele andere Inseln und Teile des Festlandes. Außerdem beherrschten diese Könige noch von den Ländern am Binnenmeer Libyen bis nach Ägypten und Europa bis nach Tyrrhenien." (25b)
Wie aus dem Bericht des Neith-Priesters weiter hervorgeht, sollen die Könige des Atlanter-Reichs schließlich den Versuch unternommen haben, auch das Land der Griechen, Ägypten "sowie überhaupt alles Land innerhalb der Meerenge durch einen einzigen Kriegszug in ihre Gewalt zu bringen." (25b)
Bei der Abwehr dieses Angriffs hätten die Athener Truppen die Führung übernommen und auch nach dem Abfall ihrer - namentlich nicht genannten - Alliierten heldenhaft weitergekämpft, obwohl sie "in äußerste Bedrängnis" gerieten, um schließlich die Atlantier zu besiegen und "ein Siegeszeichen" zu errichten. Somit hätten sie verhindert, dass weitere Völker von den Angreifern unterworfen wurden, und " uns übrigen aber, die wir innerhalb der Säulen des Herakles wohnten", halfen die Athener "großzügig zur Befreiung." (25b-25c)
"Später aber brach dann eine Zeit gewaltiger Erdbeben und Meeresüberschwemmungen herein, und es kamen EIN Tag und EINE Nacht, in der die Masse eurer [der Athener] Krieger von der Erde verschlungen wurde, ebenso versank die Insel Atlantis im Meer und wurde den Augen entzogen; daher ist das Meer dort auch heute noch (kai nyn) unzugänglich und unerforschbar wegen des sehr seicht liegenden Schlammes (pelou kárta brachéos empodon óntos), den die untergehende Insel zurückließ." (25c-25d)
Zusammenfassung der Angaben im Kritias
Die literarische Figur des Kritias (Abb. 3) greift hier in ihrem Gespräch mit Sokrates Timaios von Lokri und Hermokrates in Form eines längeren Monologs den Bericht des ägyptischen Neith-Priesters wieder auf. Dabei rekapituliert Kritias zunächst (108d) die chronologischen Angabe, "daß zusammengenommen neuntausend Jahre vergangen sind, seitdem, wie berichtet wurde, der Krieg zwischen den außerhalb der Säulen des Herakles (tois th´ hypèr Herakleias stéles éxo katoikousin) und den innerhalb derselben Wohnenden stattfand..."
Als erstes (109b-109c) weist er - ohne nähere Zeitangaben - darauf hin, dass die Götter einst die Länder der Welt einvernehmlich durch Verlosung untereinander aufgeteilt hätten, wobei Athene und Hepheistos Athen "als gemeinsamen Anteil" erhalten und der Stadt eine "verfassungsmäßige Ordnung nach ihrem Sinn" gegeben hätten.
Platon gibt nun an, von den den "ureingeborenen Männern" aus jener Zeit seien nur noch die Namen bekannt, "ihre Taten aber verschwanden durch die wiederholte Vernichtung derjenigen, die die Kunde übernommen hatten, und durch die Länge der Zeit aus dem Bewußtsein." (109d) Es folgt eine Beschreibung der kulturellen Regression infolge kataklysmischer Ereignisse (109e-110a), gefolgt von einer der Beteuerungen Platons zur Historizität der Atlantida: "Für das, was ich sage, führe ich als Beweis an, daß Solon berichtete, jene Priester haben die Namen des Kekrops, Erechtheus, Erichthonios, Erysichthon und die meisten anderen, was da an Namen vor Theseus erwähnt wird, häufig, indem sie von dem damals geführten Krieg erzählten, erwähnt, sowie desgleichen die der Frauen..." (110b)
Anschließend (110d-112e) folgt eine ausführliche Beschreibung Ur-Athens und der dortigen Lebensverhältnisse, welche auch eine Darstellung der Auswirkungen jener Katastrophen beinhaltet, die aus dem einstmals fruchtbaren Griechenland, das Platon dort beschreibt, die vergleichsweise karge Gegend gemacht haben, die es bereits in der Antike war.
Danach (Ende 112e/113a) beginnt Platons Beschreibung der "damaligen Gegner" Ur-Athens, wobei er eine kurze Erklärung vorausschickt: "damit ihr euch nicht wundert, wenn Barbaren Hellenische Namen führen. [...] Da nämlich Solon die Absicht hatte, diese Erzählung für eine eigene Dichtung zu benutzen, forschte er nach der Bedeutung der Namen und fand, daß jene Ägypter, welche sie als erste aufzeichneten, dieselben in ihre eigene Sprache übersetzt hatten. Er (Solon) erwog nun seinerseits den Sinn jedes Namens noch einmal und übersetzte ihn in unsere Sprache und schrieb ihn so nieder. Diese Aufzeichnungen befanden sich bei meinem Großvater und befinden sich jetzt noch bei mir und sind von mir schon als Knabe gründlich studiert worden."
Die nachfolgende Beschreibung von Atlantis lässt sich folgendermaßen aufgliedern: Zunächst (113c-114d) wird der Gründungs-Mythos des Inselreiches nacherzählt, in welchem das Geschlecht der Könige von Atlantis auf die Söhne (fünf Zwillingspaare) zurückgeführt wird, die der Gott Poseidon mit der Sterblichen Kleito gezeugt habe. Auch die charakteristische, dreifach gestaffelte Ring-Struktur (Abb. 4) der Metropolis sei auf das Wirken des Gottes zurückzuführen, wie es dort heißt. Dem schließt sich eine quasi naturkundliche Betrachtung von Atlantis an (114e-115b), in der die üppige und z.T. exotische Fauna und Flora der 'heiligen Insel' (nesos hierà; 115b) beschrieben wird, wobei Platon die Opulenz der dortigen Natur betont.
Es folgt (115d-117e) eine Beschreibung der Entwicklung bzw. Ausgestaltung der atlantidischen Metropolis durch ihre Bewohner. Platon stellt 'Atlantis City' [3] quasi als historisch gewachsene Stadt dar, die über einen langen Zeitraum hinweg nach und nach immer weiter ausgebaut worden sei, wobei er sie eindeutig sowohl als religiöses Zentrum als auch als, quasi 'internationales', maritimes Handelszentrum darstellt. Die "Seezufahrt und der größte Hafen wimmelte von Schiffen und Kaufleuten, die von allen Orten dort zusammenströmten und durch ihr massenhaftes Auftreten bei Tage und bei Nacht Geschrei, Getümmel und Lärm mannigfacher Art verursachten." (117e)
Was nun folgt (118a-119a), ist eine erdkundlich-topographische Beschreibung des übrigen Landes auf der Insel "nach seiner natürlichen Beschaffenheit" und eine Beschreibung des komplexen, künstlichen Kanalsystems sowie, daran anschließend, eine Darlegung der "Art der Verwaltung" seiner Bewohner. An der Küste vor der Stadt "lag nach dem Bericht ein Felsen, der sehr hoch und wie mit dem Messer abgeschnitten (sphódra te hypselòs kaí apótomos ek thaláttes) aus dem Meere aufstieg. Die Umgebung der Stadt hingegen war durchweg eben (pãn pedíon). Diese die Stadt umgebende Ebene war von Erhebungen umgeben, die sich am Meer entlang hinzogen.
Die Ebene war glatt und flach und als Ganzes ein längliches Dreieck, nach der einen Seite dreitausend Stadien [Attisches Stadion = 177,6 m; d. Red.] lang, in der Mitte vom Meer aus 2000 Stadien breit. Das ganze Gebiet der Insel lag zum Südwind gewandt und vom Sternbild des Bären abgewandt, geschützt vor dem Nordwind. Von den diese Ebene umgebenden Bergen wurde damals gerühmt, daß sie an Zahl, Größe und Schönheit alle jetzt vorhandenen übertroffen hätten. [4] [...] Folgendermaßen war nun die Ebene von Natur aus und durch die Arbeit vieler Könige in langer Zeit beschaffen. Sie bildete Größtenteils ein rechtwinkliges und längliches Viereck (Abb. 5), wo es aber daran fehlte, hatten sie es durch einen ausgehobenen Graben ringsherum gerade gerichtet. Was die Tiefe und Breite desselben betrifft, so klingt das bei einem Werk von Menschenhand unglaublich [...] Ein Plethron tief soll er gegraben gewesen sein, und überall ein Stadion breit, um die ganze Ebene herum beträgt das eine Länge von zehntausend Stadien.
Er nahm die von den Bergen herabströmenden Flüsse auf, bildete um die Ebene einen geschlossenen Ring und erreichte die Stadt von beiden Seiten, dort ließ er sie (die Flüsse) zum Meer abfließen. Von seinem oberen Teil wurden nämlich geradlinige Kanäle meist hundert Fuß breit in die Ebene geführt, welche wieder in den vom Meer aus gezogenen Kanal einmündeten und zwar jeder dieser Kanäle hundert Stadien von dem anderen entfernt." (118a-118d)
Zur Bevölkerung und der Verwaltungsstruktur führt Platon im Kritias (118e-119a) aus: "Was aber die Zahl der Bewohner anlangt, so bestand die Anordnung, daß jeder Distrikt in der Ebene aus der kriegstüchtigen männlichen Bevölkerung einen Anführer stellen sollte, die größe eines Distriktes aber betrug hundert Landlose. Die Gesamtzahl aller dieser Distrikte aber betrug 60 000. Auf den Bergen und im übrigen Lande gab es, wie erzählt wurde, eine große Menschenmenge. Alle aber waren nach Ortschaften und Flecken einem dieser Distrikte und dem betreffenden Anführer zugewiesen." (118e-119a)
Hier beginnt Platon, für den eine Trennung ziviler und militärischer Verhältnisse eines Staates im heutigen Sinne nicht existierte, übergangslos mit einer kurzen Beschreibung der Streitkräfte von Atlantis (119a-119b), die wir an anderer Stelle abhandeln. Danach berichtet er, was ihm durch seinen Informationsgeber Solon über die Regierungsform und die Machtverteilung im Reich von Atlantis überliefert wurde: "Von den zehn Königen ["Archonten"; d. Red.] war ein jeder in seinem Gebiet mit dem Wohnsitz in seiner eigenen Stadt Herr über die Bewohner und über die meisten Gesetze, so daß er strafen und hinrichten konnte, wen er wollte.
Anmerkungen und Quellen
Die in diesem Beitrag verwendeten Zitate aus den Dialogen Timaios und Kritias wurden der Übersetzung der platonischen Texte aus dem Altgriechischen von Jürgen Spanuth entnommen. Aus: J. Spanuth, Die Atlanter - Volk aus dem Bernsteinland, Tübingen 1990, S. 445-474
- ↑ Anmerkung: Unter 'Asien' verstand man damals das heutige Kleinasien; d. Red.
- ↑ Red. Anmerkung: Da wir feststellen mussten, dass es bei einigen Browsern offenbar zu technischen Problemen bei der Darstellung des Wortes kommt, bilden wir es hier noch einmal als Graphik ab:
- ↑ Einen Eigennamen der Atlantier-Metropolis, die er schlicht als "Stadt" bezeichnet ("ásty"; Krit. 117e), hat Platon nicht überliefert. Kunstnamen wie "Poseidonis" und "Poseidonia" sind moderne Erfindungen.
- ↑ Anmerkung: Es stellt sich hier natürlich die Frage, wann "damals" gewesen sein soll. Zu Solons Zeiten? Die Epoche der Atlanter - wann auch immer sie gewesen sein mag - kann jedenfalls nicht gemeint sein, weil dies den Gesetzen der Logik widersprechen würde!
Bild-Quellen
(1) Wikimedia Commons, unter: File:Socrates Massimo Inv1236.jpg
(2) Wikimedia Commons, unter: File:Locri-strada.jpg
(3) Kritias aus Athen (? - 403 v. Chr.), bei: philos-website.de (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)
(4) Günter Bischoff, Atlantis – die Enträtselung im 20. Jahrhundert (Veröffentlicht in EFODON-SYNESIS Nr. 3/2005) - (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)
(5) Dr. Nikolai Zhirov, "Atlantis - Atlantology: Basic Problems", Moskau, 1969/1970; bearb. nach: Mysterious World, unter: The Legend of Atlantis, Part IV: Atlantis Rising
(6) Jim Allen, Historic Atlantis in Bolivia, Part III



