Die altertümlichen Riesen Italiens

Eine Einführung in die Thematik

Abb. 1 Eine der zahlreichen Zyklopenmauern Latiums, die sich bei Alatri in der hügeligen Landschaft der Ciociaria befindet. Dem Volksglauben zufolge wurden sie vom Riesenvolk der Zyklopen errichtet.

(bb) Italien gehört bereits seit der Antike zu den Ländern Europas, deren Vergangenheit von seinen Bewohnern mit Riesen in Verbindung gebracht wird. Schon damals spekulierten die Menschen darüber, ob die gewaltigen Megalith-Bauwerke, die dort - vor allem in der mittelitalienischen Region Latium (Abb. 1) - bis heute in Teilen erhalten geblieben sind, von Riesen, genauer gesagt den Zyklopen, errichtet wurden. Dieser alte Volksglaube, dem das so genannte 'Zyklopenmauerwerk' immerhin seinen Namen verdankt, wird von universitären Fachwissenschaftlern natürlich nur belächelt. Im Bereich der alternativen Forschung stieß die Vermutung riesenhafter und / oder kulturell überlegener vorzeitlicher Errichter dieser beutechnischen Meisterwerke in jüngerer Vergangenheit dagegen auf einiges Interesse, wobei bisweilen auch die Atlantis [1] oder deren italienisches 'Pendent', die Tirrenide [2], ins Spiel gebracht wurde. Was die Antike betrifft, sollten auch kurz die sagenhaften, bei Homer [3] und Ovid [4] erwähnten, Laistrygonen genannt werden, kannibalische Riesen, deren Wohnsitz man auf Sizillien vermutete.

Abb, 2 Foto einer Büste des römischen Kaisers Maximinus Thrax, der von 235 bis 238 n.Chr. herrschte und angeblich die ganz enorme Körpergröße von ca. 2,60 m aufwies - eine alles andere als gesicherte Behauptung!

Im klassischen Altertum sollen in Italien nicht nur Funde der Skelette prähistorischer Riesen erfolgt sein (bei welchen es sich den betreffenden Größenangaben zufolge um Megafauna-Relikte gehandelt haben wird) [5], sondern es dürften dort damals auch veritable menschliche 'Giganten' gelebt haben. So wird in modernen Veröffentlichungen zum Thema 'Riesen' häufig der römische Imperator Maximinus Thrax (Abb. 2) genannt, der mit einer angeblichen Körpergröße von ca. 2,60 Meter eine im Wortsinn 'überragende Persönlichkeit' gewesen sein soll. [6]

Leider findet sich diese Größenangabe nach derzeitigem Wissensstand des Verfassers nur in einer einzigen historischen Quelle, der Historia Augusta. Diese spätantike Sammlung von Lebensbeschreibungen römischer Herrscher ist jedoch alles andere als eine durchgängig zuverlässige Quelle, sondern sie enthält offenbar auch zahlreiche fiktionale Elemente. Jedenfalls sollten wir bedenken, dass eine derart anomale Körpergröße wie jene, die darin dem Maximinus Thrax unterstellt wird, mit Sicherheit auch in anderen alten Aufzeichnungen Erwähnung gefunden hätte. [7] Die Story vom mehr als zweieinhalb Meter großen Kaiser von Rom ist also vermutlich eine Art 'Tall tale'.

Abb. 3 Hier die Illustration zu einem zeitgenössischen Bericht über den Riesenfund von Agrigent auf Sizilien anno 1807

Durchaus kritisch zu behandeln sind auch mittelalterliche und neuzeitliche Fundmeldungen aus Italien, wie der Riesenfund von Palermo (1516) oder jener von Tiriolo, Kalabrien, im Jahr 1663, die aber keinesfalls grundsätzlich zu verwerfen sind, sondern sehr differenziert betrachtet werden sollten. Dies gilt insbesondere für solche aus Gegenden Italiens, in welchen, wie z.B. im Fall Kalabriens, auch in jüngerer Zeit entsprechende Entdeckungen gemeldet wurden. [8]

Von besonderem Interesse für die Gigantologie sind natürlich die vergleichsweise späten Fundmeldungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Hier finden wir eine ganze Reihe von Hinweisen auf riesenhafte Knochen und Skelette unterschiedlicher Größe, die jedenfalls keine Fehlinterpretationen von Überresten ausgestorbener Großtierarten darstellen können, wobei natürlich auch hier im Einzelfall Übertreibungen nicht auszuschließen sind.

Abb. 4 Der Artikel aus dem Wanganui Herald vom 17. Juni 1892

Nicht so im folgenden Beispiel: 1892 wurde in einer Meldung aus Rom eine interessante Entdeckung aus dem französisch-italienischen Grenzgebiet in einer Grotte an der Mittelmeerküste - nicht weit entfernt von Nizza - beschrieben, die weltweit auf Interesse stieß und sogar in Neuseeland Beachtung fand. Dort berichtete die Tageszeitung Wanganui Herald (Abb. 4) in ihrer Ausgabe vom 17. Juni jenes Jahres über das betreffende prähistorische Fundgut: "Gegenwärtig sind dort drei Skelette gefunden worden [...] Eines ist das eines Mannes, dessen geschätzte Größe 7 Fuß und 9 Zoll [ca. 2,36 m; d.Ü.] betrug. Der Kopf des Skeletts fehlt. Ein anderes ist das Skelett einer 6 Fuß und 3 Zoll [ca. 1,90 m; d.Ü.] großen Frau, und das dritte ist das eines Heranwachsenden." [9]

Rekordverdächtig - und schon weit im Grenzbereich dessen, was wir als glaubwürdig ansehen dürfen - erscheint dagegen eine Meldung, nach der 1931 in einem italienischen Kohlebergwerk ein 11,6 Fuß (ca. 3,77 m) großes Skelett entdeckt worden sein soll. [10] Ebenfalls außergewöhnlich - aber keineswegs unglaubhaft - ist allerdings der Riesenfund von Porto Torres auf der zu Italien gehörenden Insel Sardinien im Jahr 1953. Dort wurden damals bei Sassari zwei Skelette von Menschen der Bronzezeit freigelegt, die beide immerhin mehr als acht Fuß (> 2,44 m) groß waren.

Aus römischer Zeit stammt ein weitaus 'bescheideneres' Skelett, dessen vormaliger Träger (in etwa ein Zeitgenosse des Maximinus Thrax), wie es bei nationalgeographic.com heißt, mit seiner Größe von "6 Fuß und 8 Zoll (202 Zentimeter) [...] im Rom des dritten Jahrhunderts n.Chr. ein Riese gewesen sein muss, wo Männer im Durchschnitt etwa fünfeinhalb Fuß (167 Zentimeter) groß wurden." [11] (Abb. 4)

Abb. 5 Eine Tibia (d.h. Schienbein) des 1991 entdeckten 'Riesen von Fidenae' im Vergleich mit demjenigen eines seiner römischen Zeitgenossen von damals 'normaler' Größe

Wie es in unserer Quelle weiter heißt, wurde dieses Skelett im Jahr 1991 während der Ausgrabung einer Nekropolis bei Fidenae am Tiber, nördlich von Rom, entdeckt. "Zu dieser Zeit stellte die archäologische Oberaufsicht von Rom, die das Projekt leitete, fest, dass das Grab des Mannes ungewöhnlich lang war. Erst bei einer späteren anthropologischen Untersuchung stellten sich jedoch auch die Knochen als ungewöhnlich heraus." [12] Kurz darauf wurden sie einem wissenschaftlichen Team um die Paläopathologin Simona Minozzi von der Universität Pisa für weitergehende Analysen übersandt.

Es wird kaum verwundern, dass Dr. Minozzi et al. zu dem Ergebnis kamen, der 'Riese von Fidenae' habe unter pathologischem 'Gigantismus', d.h. unter krankhaftem Riesenwuchs gelitten - die schulwissenschaftliche Standardmeinung zur Erklärung von Skelett-Funden altertümlicher Menschen mit 'Übergröße'. Im vorliegenden Fall soll ein Tumor eine Funktionsstörung der Hypophyse des Mannes bewirkt und dazu geführt haben, dass sie im Übermaß Wachstumshormone produzierte. Dieser Diagnose schloss sich nachfolgend auch Charlotte Roberts an, eine Bioarchäologin der britischen Durham University.

Der Verfasser will hier keineswegs die Befunde der betreffenden Wissenschaftler/innen zum 'Riesen von Fidenae' in Frage stellen, die gut fundiert erscheinen. Allerdings muss auch an dieser Stelle einmal mehr betont werden, dass sich das Phänomen prä/historischer Riesen keineswegs auf paläopathologischer Ebene erklären lässt. Dies ergibt sich schon aus dem krassen Widerspruch zwischen den massenhaften Berichten aus den jüngsten Jahrhunderten, welche Funde riesenafter menschlicher Überreste beschreiben, und der Seltenheit krankhaften Riesenwuchses. [13] Auch bei nationalgeographic.com bemerkt man, freilich unter der irrigen Prämisse, 'gigantische' Skelette seien eine pathologisch zu erklärende Rarität: "Solche Skelette sind nur selten zu finden, weil Gigantismus selbst extrem selten ist und heute weltweit [lediglich] etwa drei Millionen Menschen betrifft." [14]

Spätestens dann, wenn Funde ganzer Gruppen solcher Skelette ins Spiel kommen, die offenbar Clans, Familien (vergl. oben den Fund bei Nizza von 1892) oder Stämmen usw. von Riesen angehörten, machen pathologische Ausdeutungen des Fundguts keinerlei Sinn mehr. So etwa im Fall einer 1934 erfolgten Entdeckung in Piemont, über die es in einer Kurzmeldung der amerikanischen Zeitung Evening Star vom 5. Mai jenes Jahres heißt: "Skelette von sechs Riesen, eines davon 6 Fuß und 9,5 Zoll [ca. 2,07 m; bb] groß, wurden kürzlich bei Moncalieri in Italien ausgegraben." [15]


Beiträge zu diesem Thema


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe z.B.: Richard Cassaro, "Hidden Italy: The Forbidden Cyclopean Ruins (Of Giants From Atlantis?)", 1. Mai 2013, bei richardcassaro.com (abgerufen: 17. Mai 2018)
  2. Siehe z.B. online: Die Atlantis-Theorie des Costantino Cattoi (red)
  3. Siehe: Homer, Odyssee 10, 80-132
  4. Siehe: Ovid, Metamorphosen 14, 233ff.
  5. Anmerkung: Eine Quellenangabe wird nachgereicht.
  6. Siehe z.B.: Chris L. Lesley, "Maximinus Thrax 8′ 6″ in height", 24. November 2011, bei greaterancestors.com (abgerufen: 17. Mai 2018)
  7. Anmerkung: Unstrittig erscheint jedenfalls, dass Maximinus Thrax ein Mann von beeindruckender Statur war. So soll der römische Historiker Herodian über ihn geschrieben haben: "Er war definitiv ein Mann von so beängstigender Erscheinung und kolossaler Größe, dass es gar keinen Vergleich mit einem der am besten ausgebildeten griechischen Athleten oder dem grimmigsten aller Barbaren geben kann." Quelle: MVargic, "5 Largest Giants in History!", 30. Dez. 2013, bei History Rundown (abgerufen: 18. Mai 2018; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  8. Siehe dazu z.B.: Ferdinand Speidel (Editor), "Die Riesen von Tiriolo", 2014, bei Atlantisforschung.de
  9. Quelle: o.A., "Giant Skeletons Found in a Cave", 17. Juni 1892, in: Wanganui Herald; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach: Chris L. Lesley, "Seven foot nine inch skeleton", 1. Dezember 2012, bei Greater Ancestors World Museum" (abgerufen 18. Mai 2018)
  10. Quelle: Indianapolis News, 10. Nov. 1975; zit. in: Carroll C. Calkins (Hrsg.), "Mysteries of the Unexplaned", Reader's Digest Assoc., 1982 (Recherche: Xavier Séguin, "The Ancient Giants", 27. Februar 2012, bei Eden Saga; abgerufen: 17. Mai 2018)
  11. Quelle: Christine Dell'Amore, "Ancient Roman Giant Found—Oldest Complete Skeleton With Gigantism", 10. Nov. 2012, bei National Geographic (News) (abgerufen: 18. Mai 2018; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  12. Quelle: ebd.
  13. Anmerkung: Zur statistischen Problematik in Hinsicht auf Funde riesenhafter präkolumbischer Human-Relikte in Nordamerika siehe: Dr. Greg Little, "Die Wahrheit über Riesenskelette in indianischen Mounds", 2015 bei Atlantisforschung.de
  14. Quelle: Christine Dell'Amore, op. cit. (2012)
  15. Quelle: o.A., "Giant Skeletons Found", 05. Mai 1934, in: Evening Star (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de nach der digitalisierten Version der Zeitung bei CHRONICLING AMERICA - Historic American Newspapers)

Bild-Quellen:

1) Links: TUBS bei Wikimedia Commons, unter: Datei:Lazio in Italy.svg Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert
1) Rechts: vimana131, "Tirrenide", 31. Dez. 2013, bei UFOFORUM.IT (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) Saperaud~commonswiki (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Max thrax.jpg
3) Archive.org, unter: The tongue of time, and star of the states : a system of human nature, with the phenomena of the heavens and earth ... also an account of persons with two souls, and of five persons who took colors by the touch
4) Chris L Lesley, "Recent Roman Giant", bei Greater Ancestors World Museum
5) Chris L Lesley, "Seven foot nine inch skeleton, bei Greater Ancestors World Museum"