Zyklopen (Kyklopen)

Abb. 1 Phantasievolle Statue eines Zyklopen als Exponat in einem Museum

(red) Die Kyklōpen (latinisiert: Cyclopen; eingedeutscht: Zyklopen, d.h. die Rundäugigen) gehören zu den so genannten 'Fabelwesen' der hellenischen Mythologie, über die sich bei verschiedenen Autoren des Altertums zum Teil widersprüchliche Informationen finden lassen:

  • Nach Homer handelte es sich bei ihnen um ein wildes Riesenvolk von Söhnen des Poseidon, deren besonderes Merkmal in einem einzigen Auge auf der Stirn bestand. Sie lebten - jeder für sich in einer Höhle - "ohne Gesetz und Sitte" an der Küste der Insel Trinacria, kannten weder Acker- noch Weinbau, sondern nur Viehzucht, frönten aber, wenn sich die Gelegenkeit bot, der Menschenfresserei. Die Schifffahrt soll ihnen unbekannt gewesen sein, und sie ignorierten den Göttervater Zeus. "Jeder Einzelne aber spricht Recht/richtet über Kinder und Ehefrauen (θεμιστεύει δὲ ἕκαστος παίδων ἠδ' ἀλόχων)." [1]
Der bekannteste Vertreter des Geschlechts der Zyklopen bei Homer ist Polyphemos (Polyphem), der den Helden Odysseus in seiner Höhle gefangen nahm und sechs seiner Gefährten verschlang. Odysseus machte ihn mit Wein betrunken bis der Zyklop einschlief, und blendete ihn, indem er ihm das einzige Auge mit einem glühenden Pfahl durchbohrte. Polyphem, ein Sohn des Poseidon und der Nymphe Thoosa, wurde in der Literatur des klassischen Alterums aber auch als "freundliche[r] Tölpel" dargestellt: "...unermüdlich werbend folgte der Liebende der zarten, anmutigen Nereide Galateia, die sich ihm aber immer wieder zu entziehen wußte. In anderer Version tötete er mit einem Felsblock Galateias Liebhaber Akis." [2]
  • Bei Hesiod heißt es, die Kyklopen seien drei riesenhafte, einäugige Söhne des Uranos und der Gaia / Gäa gewesen: Arges, Steropes und Brontes. Sie waren Brüder der Titanen und Hekatoncheiren. Gemeinsam mit letzteren von Uranos in den Tartaros verbannt, sollen sie dem Kronos zur Herrschaft verholfen haben. Doch auch er kerkerte sie (laut Bibliotheke des Apollodor) wieder ein, bis Zeus sie schießlich befreite. Zum Dank schmiedeten sie dem neuen Götteroberhaupt seine Donnerkeile (Blitze), dem Poseidon seinen Stürme erzeugenden Dreizack, und Hades, dem Gott der Unterwelt, einen Unsichtbarkeit verleihenden Helm.
Abb. 2 Überreste der 'Zykopenmauern' von Tiryns. Sie verdanken ihren Namen der Tatsache, dass die Hellenen des klassischen Altertums ihre Errichtung zumeist den sagenhaft-legendären Zyklopen zuschrieben.
  • Auch der hellenische Historiker Strabon erwähnte die Zyklopen. Seinen Aussagen zufolge stammten sie aus Lykien in Kleinasien. Von dort aus seien sie nach Griechenland gekommen, wo sie als geniale Baumeister in der Argolis die so genannten 'Kyklopischen Mauern' (gewaltige Bauwerke aus enormen unbehauenen, meist polygonen Steinblöcken) errichteten (so z.B. in Tiryns (Abb. 2) und Mykene), die auch andernorts in Griechenland, in Italien usw. zu finden sind. Wie es heißt [3], seien diesen lykischen Zyklopen auch Arme bzw. Hände aus dem Bauch gewachsen.
  • In späteren Ausformungen der Zyklopen-Sage - z.B. bei Vergil - werden sie als Gehilfen von Hephaistos, dem Gott des Feuers und der Metall-Bearbeitung, sowie mit Vulkanen in Verbindung gebracht. In der Georgica (1, 471) lässt Vergil sie im Ätna wohnen. In Vergils Werk Aeneis (8, 418 ff.) schmieden die Zyklopen Brontes, Steropes und Pyracmon [4] auf der Insel Vulcania Blitze und Donnerkeile für Jupiter, einen Streitwagen für den Kriegsgott Mars und einen Schild für Athene. Schon einige Jahrhunderte zuvor hatte der alexandrinische Gelehrte Kallimachos von Kyrene geschrieben , die Göttin Artemis habe von den Kyklopen den Bogen erhalten, den sie zur Jagd benutzte (Hymnus an Artemis, 46 ff.). [5]
  • Erwähnung finden die Zyklopen auch in dem spätantiken, dem byzantinischen Poeten Nonnos von Panopolis zugeschriebenen Werk Dionysiaka, das Leben und Taten des Gottes Dionysos behandelt. Darin wird geschildert (14, 52 ff; 28, 172 ff.), dass die Zyklopen Brontes, Steropes, Arges, Euryalos, Elatreus, Trakhios und Halimedes den Gott auf seinem siegreichen Feldzug in Indien begleiteten. Als einziger namentlich bekannter Zyklop, der sich an diesem Kriegszug nicht beteiligte, wurde Polyphem genannt. [6]

Die Entstehung der Zyklopen-Legenden: Konventionelle Erklärungsmodelle

Abb. 3 Die zeichnerische Darstellung des Schädels eines jungen Elefanten.

Wie auch in Bezug auf andere 'Fabelwesen' (Riesen, Zwerge, Satyre, Zentauren usw.) wird im Rahmen schulwissenschaftlicher Betrachtungen schon lange allgemein davon ausgegangen, es habe niemals Populationen (menschliche Subspezies, Völker, Stämme usw.) echter Zyklopen gegeben. Vielmehr handele es sich bei derartigen Wesen um Phantasieprodukte. Die Vorstellung ihrer vormaligen Existenz beruhe, wie zumeist vermutet wird, auf Fehlinterpretationen, z.B. von Knochenfunden urzeitlicher Megafauna.

Derartige Fehlinterpretationen, die der britische Anthropologe Edward B. Tylor als "observation myths" (Beobachtungs-Mythen) bezeichnete [7], werden auch im Fall der Zyklopen vorausgesetzt. So heißt es beispielsweise in einem populärwissenschaftlichen Informations-Text der Humboldt-Universität zu Berlin: "Die Zyklopen der antiken Sagenwelt werden als einäugige Riesen beschrieben. Als Quellen für diesen Mythos werden unter anderem Gorillas [...] angenommen." Auch bei einem "Elefantenschädel (Abb. 3) kann die unpaare Nasenöffnung leicht für eine unpaare Augenhöhle gehalten werden. Dieser Eindruck verstärkt sich dadurch, daß die echten Augen bei Elefanten nicht rundherum von Knochen eingefaßt sind; der Kopf ist rund und erinnert somit an einen menschlichen Schädel. [...] Elefanten hatten bis in historische Zeit ein größeres Verbreitungsgebiet, welches bis in den nahen Osten reichte. Bis in das Pleistozän kamen Elefanten auf zahlreichen Mittelmeerinseln vor, das heißt, es ist durchaus denkbar, daß die Griechen damals häufiger auf fossile Elefantenskelette und -schädel gestoßen sein werden." [8]

Des weiteren wurde im zitierten Artikel der Universität spekuliert, die Sagen und Legenden über Zyklopen könnten mit der Beobachtung einer beim Menschen vorkommenden, seltenen Gesichtsschädel-Fehlbildung namens 'Zyklopie' in Verbindung stehen, bei der im Fötus die beiden Augenanlagen auf eine einelne knöcherne Augenhöhle (Orbita) reduziert sind. Diese Fehlbildung ist so gravierend, dass die davon betroffenen Kleinkinder außerhalb des Mutterleibs nicht lebensfähig sind und bald nach der Geburt sterben. U.a. aus diesem Grund ist besagter Interpretationsansatz mit einiger Skepsis zu betrachten. Schließlich lassen sich missgebildete Schädel von Föten oder Säuglingen mit minimaler Lebenserwartung kaum mit den sagenhaften Darstellungen großer - häufig riesenhafter - und ebenso kräftiger wie mächtiger Wesen in Verbindung bringen, wie es die Zyklopen gewesen sein sollen. Bei der Wikipedia vertritt man derzeit zudem die Ansicht: "Die embryonale Fehlentwicklung Zyklopie tritt zu selten auf, als dass sie den Kyklopen-Mythos beeinflusst haben könnte." [9]

Zyklopen aus krypto-anthropologischer Sicht

Abb. 4 Der Original-Artikel aus dem Milwaukee Journal vom 4. August 1973, in dem über den Fund eines 'Zyklopen-Skeletts' in Bulgarien berichtet wird

Auch im Bereich grenzwissenschaftlicher Forschung wird kaum jemand in Abrede stellen, dass die Herausbildung von 'Beobachtungs-Mythen' womöglich zur Entstehung der Zyklopen-Legenden beigetragen haben kann. Darüber hinaus muss zudem aber - gerade vor dem Hintergrund einer euhemeristischen Auslegung alter Überlieferungen - die Frage erlaubt sein, ob es womöglich nicht doch eine krypto-anthropologische Erklärung für dieses Phänomen gibt. Existierten in 'grauer Vorzeit' womöglich doch 'echte' Zyklopen?

Natürlich ist die Indizien-Lage, auf die sich eine entsprechende, vorsichtige Vermutung stützen kann, weitaus 'dünner' als sich vergleichsweise die Evidenzen für die inzwischen gut belegte These zur Existenz prähistorischer Populationen von Riesen und Zwergen präsentieren; doch immerhin sind uns inzwischen zumindest drei Fundmeldungen (aus dem späten 19., dem 20. und 21. Jahrhundert) bekannt, in denen über die Entdeckung von - keineswegs riesenhaften - menschlichen Skeletten mit 'Zyklopen-Schädeln' berichtet wurde. Interessanter Weise befinden sich zwei der drei genannten Fundorte nicht im Mittelmeer-Raum, sondern in Nordamerika und Südostasien (auf den Philippinen).

Abb. 5 Auf der philippinischen Insel Mindanao und nördlich von ihr sollen erst vor wenigen Jahren diverse 'Zyklopen-Schädel' entdeckt worden sein.

Der älteste dieser 'Zyklopenfunde', über den wir an anderer Stelle ausführlicher berichten, erfolge einer Meldung der New York Times zufolge im Sommer 1891 in Buzzards Bay, Massachusetts. Bei der Umgestaltung des Gartens von Joseph Jefferson, einem damals prominenten Schauspieler, stieß ein Arbeiter auf die sterblichen Überreste eines knapp zwei Meter großen Mannes. Außergewöhnlich war jedenfalls der Schädel dieses Skeletts: "Er war wie ein gewöhnlicher Schädel, nur größer und abgesehen davon, dass er, soweit zu sehen war, keine Stellen hatte, wo die Augen waren. Es gab nur ein Loch in der Mitte der Stirn, das einstmals einem Auge [als Höhle] gedient haben könnte." [10]

Dem mediterranen Großraum zuzurechnen ist ein Fund aus dem Jahr 1973, der in Bulgarien gemacht worden sein soll. Über ihn hieß es z.B. in einem Artikel (Abb. 4) der US-amerikanischen Zeitung The Milwaukee Journal: "Wie die bulgarische Nachrichtenagentur BTA erklärte, haben bulgarische Archäologen bei Ausgrabungen in der Nähe der Stadt Raslog im Südwesten des Landes das Skelett eines >Zyklopen< freigelegt. Der kurze Bericht besagt, das Skelett, welches in einer Grabstätte gefunden wurde, sei fünf Fuß und acht Inches [ca. 1,73 m; d.Ü.] groß gewesen und habe nur eine Augenhöhle über den Nasenhöhlen..." [11]

Die jüngste der drei Meldungen, in der von diversen (!) solchen Funden im Gebiet der philipinischen Insel Mindanao (Abb. 5) die Rede ist, stammt aus dem Jahr 2002. In einem Artikel der Zeitung The Philippine Star heißt es dazu: "Sehr alte Schädel mit einer einzigen Augenhöhle, die in Kalkstein-Höhlen gefunden wurden, haben Berichten zufolge Stammesangehörige im Hinterland von Bohol, Bukidnon und Agusan verblüfft. Die Existenz der Schädel, welche jenen der Zyklopen ähneln, einer Rasse von Riesen der griechischen Mythologie mit einem einzigen Auge inmitten der Stirn, hat Spekulationen darüber ausgelöst, dass einäugige altertümliche Siedler einst die südlichen Inseln des Landes durchstreiften.

Die seltsamen Schädel wurden wie verlautet in Kalkstein-Höhlen im Einzugsgebiet von Bohol, beim Mt. Palaupau in Sumilao, Bukidnon, und in einigen Teilen von Agusan gefunden. Stammes-Überlieferungen besagen, dass einst Riesen über die Ebenen des zentralen und nördlichen Mindanao streiften, deren bekanntester, einer Legende Bukidnons zufolge, >Agyo< war, der gegen die ersten spanischen Conquistadoren kämpfte. Bukidnons Stammes-Bewohner sollen, wie es heißt, über Skelettreste als Reliquien in einer heiligen Höhle verfügen, von denen sie glauben, es seien diejenigen von Agyo.

Berichte über die sonderbaren Schädel hatten Archäologen des Nationalmuseums veranlasst, eine Ausgrabung bei Bohol in Gang zu setzen, und sie entdeckten in der Tat einen solchen Schädel. Der Archäologe Rey Santiago sagte, ein intensives Studium des Schädels habe gezeigt, dass er zu einem altertümlichen Siedler gehört. Er theoretisierte allerdings, dass der Kalkstein in den Höhlen, wo die 'Zyklopen-Schädel' gefunden wurden, eine chemische Reaktion in dem Skelett-Teil ausgelöst habe, die eine neue Augenhöhle schuf. [sic!; d. Red.] >Menschliche Knochen und Kalkstein haben eine ähnliche (Zusammensetzung)<, sagte er. Ungeachtet Santiagos Erklärung beharrt das Stammes-Brauchtum jedoch darauf, dass es dort in alten Zeiten zwei Rassen von Riesen gab — die Kapre, die mit dem Bösen assoziiert werden, und die einäugigen Riesen, welche die frühen Siedler als ihre Heroen betrachteten." [12]


Anmerungen und Quellen

Vorwiegend verwendetes Material:

Abb. 6 Abschließend noch die phantasievolle Darstellung eines 'fabelhaften', riesigen Zyklopen mit tierischer Physiognomie aus dem späten neunzehnten oder frühen 20. Jahrhundert.

Fußnoten:

  1. Quelle des Zitats: Albrecht, 14.04.2014, in seiner Antwort auf die Frage: "Sind die Zyklopen bzw. Kyklopen und Hekatoncheiren alle männlich?", 13.04.2014, bei: gutefrage.net (abgerufen: 3. April 2015)
  2. Quelle: Herbert Gottschalk, "Lexikon der Mythologie", München (Wilhelm Heyne Verlag) 1993, S. 223
  3. Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 901-902; Stichwort: Kyklōpen
  4. Anmerkung: "Ovid Fasti 4, 288 nennt [namentlich] Brontes, Steropes und Acmonides (griechisch wäre dies Akmonides [Άκμωνίδης])." Quelle: Albrecht, 14.04.2014, in seiner Antwort auf die Frage: "Sind die Zyklopen bzw. Kyklopen und Hekatoncheiren alle männlich?", 13.04.2014, bei: gutefrage.net (abgerufen: 3. April 2015)
  5. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Kyklop (abgerufen: 02. April 2015)
  6. Quelle: ebd.
  7. Quelle: o.A., "Why All Chrildren and Many Grown-Ups Believe in Giants", 15. Dez. 1928, in: The Milwaukee Sentinel; online bei: Google News Newspaper Archive
  8. Quelle: o.A., "Präsentation eines Elefantenschädels als Zyklop", bei Wissenschaftliche Sammlungen an der Humboldt-Universität zu Berlin - Portal der Sammlungsaktivitäten und Sammlungserschließungen (undatiert)
  9. Quelle: : Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Kyklop (abgerufen: 02. April 2015)
  10. Quelle: o.A. "MR. JEFFERSON’S CYCLOPS - A giant skeleton unearthed at Buzzard’s Bay", in: The New York Times, 5. Juli 1891; nach: Chris L. Lesley, "Buzzard Bay Giant Skeletons", 6. Februar 2012, bei Greater Ancestors World Museum (abgerufen: 31.05.2014; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  11. Quelle: o.A., "Bullgarians Find Cyclops Skeleton", 4. Aug. 1973, in: The Pittsburgh Press; sowie: o.A., "Diggers Claim to Find Cyclops", 4. Aug. 1973, in: The Milwaukee Journal; beide nach: Google News Newspaper Archive (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  12. Quelle: Perseus Echeminada, "Cyclops skulls’ baffle tribal folk", 24. Feb. 2002, bei The Philippine Star; nach: o.A., "Cyclops Skulls Found In Filipino Caves Linked To Giants Legend", bei: The Forbidden Knowledge (abgerufen: 19. März 2015)

Bild-Quellen:

1) Deror avi (own work) bei Wikimedia Commons, unter: File:Cyclops P6110086.JPG
2) Nick Stenning (Flickr) bei Wikimedia Commons, unter: File:Tiryns - Cyclopean masonry.jpg
3) Johann David Schubert bei Wikimedia Commons, unter: File:Goethe.elefant.schaedel2.jpg
4) "Diggers Claim to Find Cyclops", 4. Aug. 1973, in: The Milwaukee Journal; nach: Google News Newspaper Archive
5) Eugene Alvin Villar (seav) (English Wikipedia) bei Wikimedia Commons, unter: File:Ph locator map bukidnon.png
6) Bild-Archiv Atlantisforschung.de