Kykladen (Inselgruppe)

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Eine endglaziale >Super-Cycladea< in der Ägäis

Abb. 1 Eine Karte der größten Kykladen-Inseln (rot markiert) in der Südlichen Ägäis

(bb) Bei den Kykladen - griechisch Κυκλάδες (Kyklades) - handelt es sich um eine Gruppe von zahlreichen Inseln (Abb. 1) in der Südlichen Ägäis, die, wie es bei Pierre Delforge heißt,
"auf einem unter dem Meeresspiegel liegendem Plateau verstreut sind.

Dieses Plateau erstreckt sich über 24.000 km² in einer Tiefe von 200 - 500 m. Geologisch gesehen ist der Süden von Attika und 1/3 der Südseite von Euböa ein Teil davon. Von dieser Plattform erheben sich 8 Inseln, deren Fläche mehr als 100 km² beträgt (in der Reihenfolge von der Größten zur Kleinsten: Naxos 442 km², Andros 384 km², Paros und Tinos 195 km², Milos 161 km², Amorgos 123 km², Ios und Kea 103 km²) [1], elf Inseln mit einer Fläche von einschließlich 100 - 30 km², sowie 31 Inseln von 29 - 5 km² und unzählige kleinere Inselchen. Die Gesamt-Landfläche des Archipels, da[s] sich aus dem Wasser erhebt[,] beträgt ungefähr 2700 km², dies entspricht 11% der unterseeischen Plateaufläche." [2]

Abb. 2 "Aufgezeichnet ist die Küstenlinie der 200 m Isobathe im Ägäisbecken, die einer heutigen Absenkung des Meeresspiegels um 200 m entsprechen würde [...]; das heute über dem Meeresspiegel liegende Land ist schwarz gezeichnet. Die Isolation der Kykladen in der Mitte ist offensichtlich. Ein Absenken des Meeresspiegels um nur 100 m ergibt ein ähnliches Bild." (Pierre Delforge) [3]

Angesichts dieser Topographie wird es kaum verwundern, dass das Gebiet der Kykladen auch im Bereich der alternativen Ur- und Frühgeschichtsforschung bzw. Atlantologie, die sich mit versunkenen Landgebieten und vermuteten, dort ansässigen Kulturen der Vorzeit befassen, auf einiges Interesse stößt. Immerhin sind im Gebiet dieses heutigen Archipels seit dem Ende der jüngsten Eiszeit ganz enorme Landstrecken im Meer versunken. So erläuterte Dr. Vasilios Kapsimalis vom Hellenic Centre for Marine Research bei der Internationalen Atlantis-Konferenz 2005 auf der Insel Milos, wie - so der Atlantologie-Enzyklopädist Tony O’Connell - "die Kykladen, die ursprünglich eine Landoberfläche von ungefähr 7000 km2 aufwiesen, im Gefolge des Anstiegs der Meeresspiegel am Ende der jüngsten Eiszeit 75% ihres Areals verloren." [4]

Wenn wir hierzu nun - an den derzeit gängigen aktualistischen Vorstellungen zur jüngsten Erdgeschichte orientiert - annehmen, dass der Meeresspiegel in der Ägäis seit dem Ende der jüngsten Eiszeit (vor ca. 12.00 bis 11.000 Jahren) um ca. 100 m angestiegen ist [5], ist davon auszugehen, dass damals im Gebiet des Kykladen-Archipels eine zentrale, mehr oder weniger kompakte Großinsel bestand, die in ihrer flächenmäßigen Ausdehnung in etwa dem heutigen Kreta entsprach. Bei einer hypothetischen Absenkung des ägäischen Meerespiegels um 200 m würden auch große Teile der heute submarinen Bereiche des östlichen Griechenland und des westlichen Kleinasien trocken liegen. (Abb. 2)

Abb. 3 Eine Original-Karte der kykladisch-kretischen Atlantis-Lokalisierung von Diamantis Pastras aus den späten 1980er Jahren mit einigen handschriftlichen Bemerkungen des Privatforschers. In der Bildmitte befindet die von Pastras als Abbildung einer Seekarte interpretierte Tafel aus dem ägyptischen Totenbuch im Britischen Museum, welche die Grundlage seiner Forschungen war.

Hinsichtlich der besagten topographischen bzw. geographischen Veränderungen in der Ägäis bemerkten im Jahr 2005 die beiden Geophysiker Kurt Lambeck und Anthony Purcell von der Australian National University:

"Zur Zeit des letzten glazialen Maximums lag ein großer Teil des heutigen Flachwasser-Areals frei. Insbsondere die Inselgruppe der Kykladen bildete ein ausgedehntes Landgebiet, das sich in nordsüdlicher Richtung über eine Distanz von ~ 160 km von Andros bis nach Ios erstreckte und eine maximale westöstliche Ausdehnung von ~ 85 km aufwies. [Die Insel] Milos blieb von dieser >Super-Cycladea< abgetrennt, doch die Separierung war stark reduziert und konnte überquert werden, ohne die Sicht auf das Land zu beiden Seiten [...] zu verlieren. Die Separierung vom griechischen Festland, zwischen Andros und Euboea, war ebenfalls gering.

Zunächst änderte sich diese Geographie nur langsam, als die Eisschilde zu schmelzen begannen und die Erde anfing, auf die sich verändernden Belastungen der Oberfläche zu reagieren. Vor etwa 14.000 Jahren hatte sich Geometrie der Küsten nur wenig verändert, doch danach wurde der Anstieg des Meeresspiegels rapider und die zusammenhängende Insel begann, in zwei Teile zu zerbrechen, die voneinander durch einen flachen Meeres-Streifen [orig.: "by a shallow sea"; d.Ü.] getrennt waren. Vor etwa 10.000 Jahren wurde der Zerfall erheblicher und die Geographie begann der heutigen Konfiguration zu ähneln: die ursprünglich ausgedehnte, relativ flache und tiefliegende Ebene [der Großinsel] wurde über einen Zeitraum von etwa 6000 Jahren hinweg fortschreitend auf ein paar felsige Eilande reduziert. Diese Entwicklung ging bis in jüngere Zeiten weiter, wenn auch mit einer stark verminderten Rate, und in der frühen Bronzezeit waren die Meeresspiegel hier [im Raum von Milos; d.Ü.] noch um 5 m niedriger als heute." [6]

Abb. 4 Eine Karte des Kykladen-Atlantis, wie es der spanische Forscher Paulino Zamarro im Jahr 2000 vorstellte (Graphik © P. Zamarro)

Wie damit deutlich geworden sein dürfte, ist die vormalige Existenz einer südägäischen Großinsel - für die wir, was die Forschung im deutschen Sprachraum betrifft, die Bezeichnung >Kykladis< vorschlagen - keineswegs ein Phantasieprodukt so genannter 'Crackpots', sondern ein wissenschaftlich belegtes Faktum. Dass diese Kykladis und die sie umgebenden kleineren Inseln im Oberen Paläolithikum von Menschen besiedelt wurden, erscheint naheliegend. Immerhin war die Großinsel sowohl vom Osten des griechischen Festlands als auch vom Westen Kleinasiens aus durch 'Inselhüpfen' sehr leicht zu erreichen, und das - im Vergleich zur damaligen Nordägäis - gemäßigte Klima auf der Kykladis dürfte dort für recht zuträgliche Lebensbedingungen gesorgt haben. Grund genug für eine Reihe von Forschern, sich in neuerer Zeit auch aus atlantologischem Blickwinkel mit der weitgehend versunkenen Kykladen-Großinsel zu befassen.

Die Kykladis und das Atlantisproblem

Tatsächlich stellen die kykladischen Atlantis-Lokalisierungen eine recht junge Hypothesengruppe dar. Der erste, der die Vorstellung eines Kykladen-Atlantis vertrat, ist nach derzeitigem Wissensstand der griechisch-australische Privatforscher Diamantis Pastras, der im Jahr 1989 dem griechischen Kultur-Ministerium ein Papier [7] präsentierte, in welchem er vorschlug, dass Atlantis im der Bereich der Kykladen und von Astypalea im Dodekanes-Archipel gelegen habe. Pastras, der offenbar auch Kreta als Teil des von ihm postulierten ägäischen Atlanter-Reiches betrachtet, ging davon aus, dass sich dort noch in der Bronzezeit ein größeres Landgebiet (Abb. 3) befunden habe, das zirka 1500 v.d.Z. durch die Minoische Eruption des Inselvulkans Thera zerstört wurde. [8] Natürlich sind die von Pastras zugrunde gelegten Annahmen zur topographischen Situation der südlichen Ägäis während der Bronzezeit [9] heute nicht mehr haltbar (siehe oben), seine initiale Interpretation einer altägyptischen Darstellung aus dem Totenbuch (Abb. 3, Bildmitte) ist zudem durchaus anfechtbar.

Abb. 5 Die größtenteils versunkene Kykladen-Großinsel als Atlantis nach Christos A. Djonis (©)

Bewusst in Gegensatz zu gängigen universitär-fachwissenschaftlichen Lehrmeinungen zur jüngsten Erdgeschichte des Mittelmeer-Raums stellt sich im Jahr 2000 [10] der spanische Forscher Paulino Zamarro, der ebenfalls die Annahme einer kykladischen Atlantis (Abb. 4) vertritt. Ebenso wie z.B. der Biologe François de Sarre [11] und der Physiker Prof. Axel Hausmann [12] geht er von einer rezenten Flutung des mediterranen Beckens durch Atlantik-Wasser nach einem 'Dammbruch' bei Gibraltar aus. Diese kataklysmische Flutung, die sich um 5500 v.d.Z. ereignet haben soll, betrachtet er ald Ursache des Untergangs von Atlantis. [13] Sie dürfte - sofern sie tatsächlich erfolgte - sowohl den größten Teil der Kykladis sowie der kleineren Inseln als auch die tief liegenden Küstengebiete der Ägäis innerhlb weniger Tage überspült haben.

In ozeanographischer und paläogeographischer Hinsicht etwas konservativer [14] als Zamarro, stellte der in den USA lebende Zypriot Christos A. Djonis 2013 [15] sein Modell eines englazialen Kykladen-Atlantis vor. Ähnlich wie vor ihm bereits D. Pastras identifiziert er das Atlanter-Reich als Allianz urtümlicher Kreter und der Bewohner der Kykladen-Großinsel, wobei er sich an Platons Zeitangaben hält, also ein spätpaläolithisches Atlantis propagiert.

Zu guter Letzt ist auch noch kurz auf zwei akademische Teams hinzuweisen, die im neuen Millenium Beiträge zur Diskussion um ein Kykladen-Atlantis geleistet haben. Zum einen sind dies Vasilios Kapsimalis, Petros Pavlakis, Dimitrios Filippas und Christos Anagnostou vom Hellenic Centre for Marine Research in Griechenland, die zu der bereits erwähnten internationalen Atlantis-Konferenz im Jahr 2005 auf Milos ein Referat mit dem Titel "The Cyclades Plateau (Aegean Sea) – A Lost “Atlantis" [16] beigesteuert haben. Zum anderen sind im vorliegenden Zusammenhang erwähnenswert: Kalliopi Gaki-Papanastassiou, Niki Evelpidou, H. Maroukian und A. Vassilopoulos von der Universität Athen, die 2010 in ihrem unverfänglich "Palaeogeographic Evolution of the Cyclades Islands (Greece) During the Holocene" betitelten Beitrag zu einem wissenschaftlichen Fachbuch [17] unvermittelt auch das Thema 'Atlantis' aufgriffen und vorsichtig eine Lokalisierung zwischen den heutigen Inseln Naxos, Paros und Antiparos vorschlugen.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung (Paros.de): Es gibt gravierende Unterschiede in den Zahlenangaben der Fachliteratur, sowie der griechischen Landkarten, die der Allgemeinheit zugänglich sind; die hier angeführten Flächenangaben stammen aus der Publikation von PHILIPPSON (1959).
  2. Quelle: Pierre Delforge, "Orchids of Europe, North Africa and the Middle East", Timber Press, 2006; nach der Übersetzung des Zitats ins Deutsche bei: Paros.de, unter: "Geographie - Geologie: Einführung" (abgerufen: 16. Juni 2016))
  3. Quelle: ebd.
  4. Quelle: Tony O’Connell, "Cyclades", 29. Mai 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 16. Juni 2016; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  5. Anmerkung: Laut dem britischen Archäologen Sir Barry Cunliffe lag der Wasserspiegel des Mittelmeers im Periglazial der Würm- bzw. Weichsel-Eiszeit etwa 120 m tiefer als heute. Siehe: Barry Cunliffe, "Europe between the Oceans. 9000 BC-AD 1000", New Haven (Yale University Press), 2008, S. 64 (Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: Mittelmeer, Fußnote 9; abgerufen: 17. Juni 2016)
  6. Quelle: Kurt Lambeck und Anthony Purcell, "Palaeogeographic reconstructions of the Aegean. Was Atlantis on the doorstep of Athens?", Referat auf der International Conference on “The Atlantis Hypothesis: Searching for a Lost Land”, Juli 2005, "Milos, Griechenland; Zusammenfassung nach: Melinda Black, Atlantis - Keystone Research on Ronnie Alonzo's Atlantis Hypothesis", bei Academia.edu (abgerufen: 16. Jumi 2016; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  7. Siehe: Diamantis Pastras, "Final Solution to The Question of Atlantis", Forschungspapier, 1989; überarbeitet 2002, 2005 und 2008
  8. Quelle: Stelios Grant Pavlou, "Diamantis Pastras", bei Atlantipedia.com (abgerufen: 17. Juni 2016)
  9. Anmerkung: Für eine ausgezeichnete Präsentation heutiger schulwissenschaftlicher Sichtweisen zur Ägäis der Bronzezeit siehe: Diamantis Panagiotopoulos, Th. Guttandin, H. Pflug und G. Plath, "Inseln der Winde. Die maritime Kultur der bronzezeitlichen Ägäis", Heidelberg 2011, online bei academia.edu (abgerufen 17. Juni 2016)
  10. Siehe: Paulino Zamarro, "Del Estrecho de Gibraltar a la Atlántida: Claves Que Han Hecho Posible Determinar la Extensión y Situación Exactas de la Atlántida", Selbstverlag, 2000
  11. Siehe: François de Sarre, "Als das Mittelmeer trocken war: die katastrophische Geschichte des mediterranen Gebietes", EFODON, 1999; sowie dazu online bei Atlantisforschung.de: Dr. Horst Friedrich, "François de Sarre: »Die Landenge von Gibraltar«"; und: Bernhard Beier, "Spurensuche im Mittelmeerraum: Historische Zoo-Geographie im Einsatz"
  12. Siehe: Axel Hausmann, "ATLANTIS - Die versunkene Wiege der Kulturen", BoD., 2000; sowie online bei Atlantisforschung.de: Ders., "ATLANTIS WAR SIZILIEN - Vom Mythos zur Realität"
  13. Quelle: Tony O’Connell, "Zamarro, Paulino (m)", 13. Juni 2010, bei: Atlantipedia.ie (abgerufen: 17. Juni 2016)
  14. Anmerkung: In Hinblick auf die Positionen konventioneller Urgeschichtsforschung kann man Christos A. Djonis dagegen durchaus als 'Erz-Häretiker' bezeichnen: Er vertritt die primhistorische und diffusionistischen Annahmen der Exstenz entwickelter Kulturen in der späten 'Altsteinzeit' und interkontinentaler maritimer Kontakte zwischen Alter und Neuer Welt während prä- und protohistorischer Zeiten. Außerdem ist er ein Verfechter von Vorstellungen aus dem Bereich der Paläo-SETI.
  15. Siehe: Christos A. Djonis, "Uchronia: Atlantis Revealed", Page Publishing, Incorporated, 2013
  16. Anmerkung: Der vollständige Text des Referats ist leider nicht im Internet zu finden, vermutlich aber hier: Stavros Papamarinopoulos (Hrsg.), "Proceedings of the International Conference on >The Atlantis Hypothesis: Searching for a Lost Land< (Milos, 2005)", Heliotopos Publ., 2007. Eine Art 'summary' ist hier online: International Conference - The Atlantis Hypothesis: Searching for a Lost Land, 11 - 13 July 2005, Milos Island, Greece unter: Authors (abgerufen: 19. Juni 2016)
  17. Siehe: Kalliopi Gaki-Papanastassiou, Niki Evelpidou, H. Maroukian und A. Vassilopoulos, "Palaeogeographic Evolution of the Cyclades Islands (Greece) During the Holocene, Kapitel 28 in: D.R. Green (Hrsg.), "Coastal and Marine Geospatial Technologies", Springer, 2010

Bild-Quellen:

1) Bgabel (auf wikivoyage shared) bei Wikimedia Commons, unter: File:Kykladen-donoussa.png; Lizenz: Creative-Commons 2.5 generisch (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) Paros.de, unter: "Geographie - Geologie: Einführung" (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
3) sakketosaggelos.gr, unter: Μια νέα έρευνα για τη Χαμένη Ατλαντίδα!... (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
4) Tony O’Connell, "Zamarro, Paulino (m)", bei Atlantipedia.ie (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
5) Christos Djonis, UCHRONIA? - ATLANTIS REVEALED; nach: Derselbe, "Atlantis Revealed: Plato's Cautionary Tale Was Based On A Real Setting", 12 Juni 2015, bei Ancient Origins - Reconstructing the story of humanity's past (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)