Atlantisforschung

Definition

(red) Atlantisforschung (auch: Atlantologie; Gegenwort: Atlantismus) ist ein vielschichtiges und komplexes Forschungs- oder Studiengebiet, das sich „unter Einsatz der jeweils angemessenen Forschungsmethoden“ der systematischen "Sammlung, Vertiefung, Ordnung und laufenden Verbesserung des Wissens" [1] bezüglich aller Probleme befasst, die im Zusammenhang mit dem platonischen Atlantisbericht und seiner Exegese stehen, sowie mit verwandten Themenfeldern und Forschungsbereichen, deren Einbeziehung zur Lösung des Atlantis-Problems notwendig erscheinen. Außerdem umfasst sie auch meta-atlantologische [2] Aspekte, z.B. im Bereich der Atlantologie-Kritik oder Atlantologie-Historik.

Zu den herausragenden Merkmalen der Atlantisforschung gehören Lehrmeinungs- und Theorienpluralismus sowie ihre paradigmatische Diversität, durch welche sie sich von universitären 'Normalwissenschaften' grundlegend unterscheidet. Da es sich bei ihr um kein schulwissenschaftlich anerkanntes Forschungsgebiet handelt, kann sie nur autodidaktisch, aber nicht an Universitäten studiert werden.


Wissenschaftssystematischer Standort

Typologisch stellt die Atlantisforschung als inter- oder transdisziplinäre Verbund-Wissenschaft [3] eine – im 'klassischen' Sinn des Wortes – Grenzwissenschaft dar, da sie höchst unterschiedliche Fachgebiete – sowohl aus dem geistes- als auch aus dem naturwissenschaftlichen Bereich – unter ihrem Dach vereint, die im Kontext atlantologischer Studien jeweils auch als Hilfswissenschaften zu verstehen sind (z.B. Geschichtsforschung/Archäologie, Altphilologie, Mythologie, Geographie, Geologie, Ethnologie, Forensik usw., aber auch andere Grenzwissenschaften im traditionellen Sinn des Wortes, wie die Historische Zoo-Geographie, Astro-Archäologie oder die Ethno-Botanik).

Wird sie im Rahmen konventioneller Schulwissenschaft betrieben – also unter grundsätzlicher Anerkennung universitärer Lehrmeinungen zur Prä- und Protohistorie sowie auf Basis der im 'Real existierenden Wissenschaftsbetrieb' derzeit vorherrschender Paradigmen zur Erd-, Menschheits- und Zivilisationsgeschichte, lässt Atlantisforschung sich als Spezialgebiet der Geschichtsforschung und Altphilologie verstehen; im Sinne nonkonformistischer Alternativforschung stellt sie als Kryptowissenschaft [4] eine Disziplin der alternativen Erd-, Menschheits- und Zivilisations-Geschichtsforschung, oder auch ein Spezialgebiet der Primhistorik dar.

Sowohl in Anbetracht ihrer Forschungsgegenstände [5] als auch unter methodologischen Gesichtspunkten (siehe unten) sowie aufgrund ihrer paradigmatischen Diversität [6] ist es daher unzutreffend, Atlantisforschung wissenschaftssystematisch in toto als Grenzwissenschaft (im Sinne einer so genannten "Parawissenschaft") zu verorten. In ihrer Tendenz zu kontinuierlicher Fortentwicklung innerhalb des wissenschaftshistorischen Prozesses, in dem erkennbaren Bemühen von Atlantisforschern um fachliche Professionalisierung und einer kritisch-reflektiven Grundhaltung der eigenen Forschung gegenüber [7] sowie in ihrer bewussten Abgrenzung vom unwissenschaflichen Atlantismus stellt sie insgesamt vielmehr eine Protowissenschaft dar.


Instrumente und Methoden

Die Methoden und Instrumente, mit denen im Rahmen der Atlantisforschung Wissen gesammelt und Erkenntnisse gewonnen und ihnen zugrunde liegende Argumentationen, Erklärungen, Indizien und Evidenzen überprüft werden können, entsprechen im Grundsatz denen ihrer universitären Hilfswissenschaften, wobei im Bereich der devianten, grenzwissenschaftlichen Atlantologie nicht selten gerade auch solche Forschungsinstrumente kritisch hinterfragt und allenfalls unter Vorbehalt genutzt werden, die im universitären Wissenschaftsbetrieb als allgemein anerkannt gelten. [8]

Ein häufiger Irrtum in Bezug auf atlantologische Methoden betrifft den Bereich mythologischer Forschung. Auch wenn es auf dem Gebiet der Atlantisforschung in der Vergangenheit "Irrläufer", wie etwa Lewis Spence (1874-1955), gab, die dies anders sahen [9], werden die Ergebnisse mythologischer Betrachtungen heute grundsätzlich nicht als Evidenzen, sondern als Indizien betrachtet, die im Rahmen flankierender bzw. weiterführender Forschung auf anderen Gebieten - z.B. durch archäologische Beweisführung - gestützt werden müssen, um Erkenntnisse zu erbringen.

Die Nutzung parapsychologischer Methoden, etwa der Einsatz von 'Medien', [10] gehört allenfalls zu den Randerscheinungen, keineswegs jedoch zu den üblichen und anerkannten Praktiken der Atlantisforschung nonkonformistischer Ausprägung. Ein Beweischarakter ist so genannten Channelings (medialen Übermittlungen), wie sie im esoterischen Atlantismus üblich sind, aus atlantologischer Sicht keineswegs zuzubilligen, da sie sich in aller Regel empirischer Überprüfbarkeit entziehen. [11]


Anmerkungen und Quellen

  1. Anmerkung: Die beiden oben zitierten Passagen des Satzes sind einer Definition akademischer Wissenschaft entlehnt, die bei Horst Schaub und Karl G. Zenke, "Wörterbuch Pädagogik", 6. Aufl., München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 2004, S. 594 zu finden ist. (Zitiert nach: Marcel Bohnert, „Verlorengegangene Ethik? Betrug und Fälschung in der Wissenschaft“, GRIN Verlag, 2007, S. 7)
  2. Anmerkung: Vergl. dazu den Begriff "Metawissenschaft"
  3. Anmerkung: Modifizierte Definition nach N. Zhirov (1903-1970), in: "Atlantis - Atlantology: Basic Problems", Moskau 1970). Zhirov (sprich: Schiroff) bezeichnete Atlantologie dort u.a. als: "interdisciplinary compound science".
  4. Anmerkung: Die Gesellschaft für Anomalistik e.V. unterscheidet wie folgt zwischen "Kryprowissenschaften" und "Parawissenschaften": "Kryptowissenschaftliche Behauptungen beziehen sich auf außergewöhnliche Dinge oder Objekte (z.B. ein Yeti oder ein UFO), wogegen parawissenschaftliche Behauptungen sich auf außergewöhnliche Prozesse oder Beziehungen zwischen ansonsten ganz gewöhnlichen Dingen beziehen (z.B. Behauptungen zu >Gedankenübertragung< oder einer Beziehung zwischen der Stellung der Planeten und menschlichen Charaktereigenschaften)." (Quelle: Marcello Truzzi, „Was ist Anomalistik?“, 1999; bei: Gesellschaft für Anomalistik)
  5. Anmerkung: Vergl. Anmerkung Nr. 4
  6. Anmerkung: Jede typologische Klassifizierung der Atlantisforschung unter wissenschaftssystematischen Gesichtspunkten hat die Tatsache zu berücksichtigen, dass in der modernen Atlantisforschung / Atlantologie sowohl eine explizit 'schulwissenschaftliche' als auch eine grenzwissenschaftliche Richtung festzustellen ist. Während Atlantisforscher der erstgenannten Richtung oder Strömung (z.B. A. Schulten, V. Bérard, E. Zangger oder R.W. Kühne) sich auf dem 'paradigmatischen Boden' universitärer Forschung bewegen/bewegt haben, wurden eben diese Paradigmata von den Verfechtern nonkonformistischer, devianter Atlantologie (etwa R.B. Stacy-Judd, E. Sykes, O. Muck sowie A. und E. Tollmann) bewusst verworfen. In methodologischer Hinsicht lassen sich jedoch beide Gruppen nicht per se als von den Normen und Standards universitärer Forschung abweichend einstufen.
  7. Siehe dazu etwa: "Warum eine Charta der Atlantis-Forschung?" und "Charta der Atlantisforschung" (PDF-File, 83,41 KB) bei Atlantis-Scout; sowie: "Für eine 'Charta der Atlantis-Forschung'" und "Charta der Atlantis-Forschung - Alternativer Entwurf zur Diskussion und Kompromiss-Findung" bei Atlantisforschung.de
  8. Anmerkung: Dies gilt z.B. im Bereich der Archäologie für die derzeit gängigen Datierungsmethoden zur Altersbestimmung von Artefakten, Human-Relikten etc. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de die Beiträge in der Sektion: "Das 'Kreuz' mit den Datierungen". Außerdem lassen sich gerade auch in diesem Bereich - bei der Bewertung von Fundgut - methodische Unterschiede zwischen schul- und grenzwissenschaftlicher Forschung verdeutlichen. Siehe dazu etwa: "Experimentelle Archäologie aus genzwissenschaftlicher Sicht".
  9. Vergleiche dazu etwa: "Die Atlantis-Theorie des Lewis Spence" von Lyon Sprague de Camp
  10. Siehe dazu etwa den Beitrag: "Die Steinsäule des Dr. Bell" von Dr. David Zink
  11. Anmerkung: Wenn etwa, um ein konkretes Fallbeispiel zu nennen, 2002 von Dr. h.c. Hubert Zeitlmair erklärt wurde, ein archäologischer Fund - in diesem Fall die Entdeckung einer versunkenen Megalith-Ruine vor der Küste Maltas - sei ihm aufgrund der Hilfe eines so genannten "Spirits" gelungen, so konnten und können sich (grenz-)wissenschaftliche AtlantisforscherInnen zwar mit der betreffenden unterseeischen Struktur befassen (da die Existenz eines solchen Objekts mit ihren Mitteln grundsätzlich nachweisbar ist), nicht aber mit der (durch atlantologische Methoden und Instrumente nicht nachweisbaren) Aussage zu den paranormalen Umständen der Entdeckung. Was derartige Phänomene angeht, müssen sie auf die dafür zuständigen Forscher-KollegInnen im Bereich der Parapsychologie verweisen und das Problem 'delegieren'. (Zu dem erwähnten Fall siehe: Hubert Zeitlmair, "Die Säulen von Atlantis - Malta: Handschrift einer verschwundenen Hochkultur", Ancient Mail Verlag, 2002)