Edwin Swift Balch

Forscher- und Autorenportrait

Abb. 1 Das minoische Kreta mit seinem Stierkult und der Legende vom Minotaurus betrachtete Edwin Swift Balch als historisches Vorbild für Platons Atlantis.

(red) Edwin Swift Balch (* 27. März 1856 in Philadelphia, Pennsylvanien; † 1927) war ein US-amerikanscher Rechtsanwalt, Künstler, Bergsteiger, Schriftsteller und nicht zuletzt auch Forschungsreisender, dem zu Ehren der Mount Balch in der Antarktis benannt wurde. Er gehört zudem zu den Pionieren der kretominoischen Atlantis-Lokalisierungen.

Einen großen Teil seiner Kindheit verbrachte Balch in Europa, wo er in Frankreich und Deutschland zur Schule ging. In die USA zurückgekehrt, trat er 1875 als Sophomore in das College of New Jersey (heute Princeton University) ein, das er aber schon im April 1876 nach einer Auseinandersetzung mit einem der Professoren [1] wieder verließ, um seine Studien an der Harvard University fortzusetzen, wo er im Juni 1871 den akademischen Grad eines A.B. (Bachelor) erlangte.

Nur wenig später begann Balch als Jurist zu praktizieren, zunächst in der Kanzlei von William Henry Rawle in Philadelphia. 1881 erhielt er dann seine Zulassung beim dortigen Gericht, die ihm auch eine Tätigkeit als selbständiger Anwalt erlaubte. Daneben wandte er sich aber auch der Malerei zu.

Abb. 2 Das Hauptgebäude der Pennsylvania Academy of Fine Arts um 1890

Einige seiner Gemälde stellte Edwin Swift Balch 1886 bei der Philadelphia Society of Artists in der Pennsylvania Academy of Fine Arts (Abb. 2) aus, und zwischen 1887 und 1891 folgten weitere Präsentationen bei der Akademie. Zudem gab es von 1887 bis 1890 auch im Philadelphia Art Club Ausstellungen seiner Bilder. Schließlich eröffnete er ein eigenes Atelier, in dem er vor allem Landschafts- und Tierbilder erstellte und anbot.

Daneben entwickelte E. Swift Balch aber auch eine rege Reisetätigkeit, und sein Interessen-Schwerpunkt verschob sich von der Malerei zur Schriftstellerei. Zudem frönte er weiterhin einer seiner weiteren großen Leidenschaften - der Bergsteigerei. Bereits 1880 war ihm, gemeinsam mit Charles Chauncey Binney, H.W. Seton-Karr und dem einheimschen Bergführer Christian Tüffli, die Erstbesteigung des Piz Bever im Schweizer Oberengadin gelungen. Im Juli 1881 erklomm er in Norwegen zusammen mit zwei Rentier-Jägern den höchsten Punkt der Trolltindene (Trollgipfel).

Abb. 3 Ein Foto des Nadelhorns im Oberengadin (von Nordosten aus gesehen)

1882 kehrte er in die Schweiz zurück, wo er mit seinen Führern Franz Burgener und Alois Antharmatten das Nadelhorn (Abb. 3) bestieg, mit 4327 m über dem Meeresspiegel einer der höchsten Berge der Walliser Alpen. Später folgten noch zahlreiche weitere alpinistische Aktivitäten, und Balch verfasste zudem auch diverse Artikel über Berge und Bergsteigerei. [2] Ein verwandtes Interessengebiet, dem er sich dauerhaft widmete, und zu dem er im Jahr 1900 ein Buch [3] veröffentlichte, waren Gletscher und ihre Bildung - ein Themenfeld, auf dem er als Experte anerkannt wurde: Immerhin besuchte und untersuchte er mindestens vierzig verschiedene Gletscher in Amerika und Europa.

Im Jahr 1902 trat Edwin Swift Balch seine wohl bekannteste Expedition an, auf der er als einer der ersten Forschungsreisenden Antarktika erkundete. Während seines dortigen Aufenthalts schlug er die geographische Untergliederung des Kontinents in einen östlichen und einen westlichen Teil vor. 1909 empfahl er die Benennung der späteren Nordenskjöld-Küste nach Otto Nordenskjöld, einem schwedischn Geographen und Leiter der schwedischen Antarktis-Expedition von 1901 bis 1903. Nordenskjöld hatte 1904 seinerseits befürwortet, die von Balch angeregte Gliederung in Ost- und Westantarktis offiziell in die fachwissenschaftliche Terminologie einzuführen.

Abb. 4 Der Heros Theseus im Kampf gegen den Minotaurus (Darstellung auf einer hellenischen Vase)

Balch war zwei mal verheiratet. Seine erste Frau Eugenia, geb. Hargous Macfarlane, eine Tochter des Geologen James Macfarlane und er wurden gemeinsam als Mitglieder in die Historical Society of Pennsylvania aufgenommen und hatten beide Funktionen in der Pennsylvania Academy of Fine Arts inne. Drei Jahre nach Eugenias Tod - sie starb im Februar 1921 - heiratete Balch in zweiter Ehe Emily Tapscott Clark aus Richmond, Virgina. Vor ihrer Ehe war Emily bereits als Herausgeberin der literarischen Vierteljahresschrift The Reviewer in Erscheinung getreten, und nach ihrem Umzug nach Philadelphia wurde sie als Balchs Ehefrau zu einer der bedeutendsten Kunstmäzeninnen der Stadt. Beide Ehen Balchs blieben kinderlos.

Edwin Swift Balch und Atlantis

Mit Platons Atlantis scheint Balch sich erst in fortgeschrittenem Alter befasst zu haben, und sein diesbezüglicher Nachruhm basiert letztlich auf einem einzigen Artikel, den er 1917 unter dem Titel "Atlantis or Minoan Crete" in der Fachzeitschrift Geographical Review veröffentlichte. [4] Mit diesem Artikel griff Balch in die damalige Diskussion um das umstrittene Papier des französischen Geologen Pierre-Marie Termier [5] ein, das einige Zeit zuvor auch in englischer Sprache in derselben Zeitschrift erschienen war. Vor Balch hatten dort bereits der Paläontologe Charles Schuchert und der Linguist Rudolph Schuller [6] Position gegen Termiers These eines 'Atlantis im Atlantik' bezogen, und zeitgleich mit ihm tat dies auch William H. Babcock.

Abgesehen von Schuller, der auch Argumente für Amerika als historisches Vorbild für Atlantis lieferte, war Balch - er hatte als Beirat (Counselor) der American Geographical Society und Fellow der American Association for the Advancement of Science einen gewissen Einfluss auf die Redaktionspolitik der Geographical Review - der einzige prominente Diskutant, der mit seiner kreto-minouschen Inspirations-Hypothese ein atlantologisches Gegenmodell zu Termiers Adaption der Annahme einer vormaligen atlantischen Großinsel vorlegte.

Dabei rekapitulierte Balch im Grunde genommen lediglich in Einzelaspekten die vorausgegangenen Arbeiten von K.T. Frost (1909) und James Baikie (1910), und seine forscherische Eigenleistung beschränkt sich offenbar auf die Präsentation der - zutreffenden, aber durchaus offensichtlichen - historischen Feststellung, Sir Arthur Evans´ archäologische Wiederentdeckung der minoischen Kultur auf Kreta sei erst nach dem Ende der osmanischen Herrschaft über die Insel möglich gewesen. Außerdem stellt er eine eigenwillige Interpretation der Legende vom Minotaurus und seinem Bezwinger Theseus (Abb. 4) vor, die eine Reminiszenz an die angebliche Zerstörung des Minoer-Reichs durch Athener und Ägypter darstelle.

Ansonsten präsentiert Balch in seinem Papier das für Verfechter der kretominoischen Atlantis-Hypothesen keineswegs unübliche 'Cherry picking', einschließlich des Herunterspielens, Beiseiteschiebens oder Ignorierens aller Angaben Platons, die nicht ins eigene Konzept passen. Sein 'Verdienst' - wenn man es so nennen will - besteht gewissermaßen darin, die Vorstellung eines minoischen Atlantis in der US-amerikanischen scientific community als akzeptable Lösung des Atlantis-Problems etabliert zu haben. Sein Artikel "Atlantis or Minoan Crete" markiert letztendlich den aufkeimenden Konflikt zwischen den als 'wissenschaftlich' anerkannten akademischen Verfechtern mediterraner Atlantis-Lokalisierungen und den vermeintlich unwissenschaftlichen 'Atlantikern' unter den Atlantisforschern.


Anmerkungen und Quellen

Vorwiegend verwendetes Material:

Fußnoten:

  1. Siehe dazu ausführlicher: Stelios Grant Pavlou, "Edwin Swift Balch", bei: atlantipedia.com
  2. Siehe z.B.: Edwin Swift Balch, "The Highest Mountain Ascent and the Effects of Rarefied Air", in: Popular Science Monthly Vol. 46, März 1895
  3. Siehe: Edwin Swift Balch, "Glacières - or Freezing caverns", Philadelphia (Allen, Lane & Scott), 1900
  4. Siehe: Edwin Swift Balch, "Atlantis or Minoan Crete", in: Geographical Review Vol. 3, No. 5 (Mai 1917), S. 388-392
  5. Siehe: Pierre Termier, "L’Atlantide" (Conférence faite, le 30 novembre 1912, à l’Institut océanographique de Paris), Revue scientifique, 51e année, 1913
  6. Siehe: Charles Schuchert und Rudolph Schuller, "Atlantis, the 'Lost' Continent. A Review of Termier's Evidence", in: Geographical Review Vol. 3, No. 1 (Jan. 1917), S.. 61-66

Bild-Quellen:

1) Jebulon bei Wikimedia Commons, unter: File:Bull leaping minoan fresco archmus Heraklion.jpg (Bild-Bearbeitung durch Atlantiforschung.de)
2) Metilsteiner und Beyond My Ken bei Wikimedia Commons, unter: File:PH(1897) p20 ACADEMY OF FINE ARTS.jpg
3) Cactus26 bei Wikimedia Commons, unter: File:NadelhornFromNE.JPG
4) MyRedDice und Darsie bei Wikimedia Commons, unter: File:Minotaur.jpg