Atlantis als Mythos: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 16. November 2018, 17:56 Uhr

Eine atlantologie-historische Einführung

von Stelios Grant Pavlou

Die heute vorherrschende Meinung bei der Mehrheit der Wissenschaftler [1] ist, dass Atlantis in erster Linie ein Mythos ist, der von Plato als Allegorie und politischer Kommentar geschaffen wurde. [2]

Abb. 1 Ist Platons Insel Atlantis tatsächlich 'nur' ein Mythos, womöglich inspiriert durch konkrete proto/historische Ereignisse, wie die meisten Fachwissenschaftler/innen heute meinen?

Es ist jedenfalls nicht zutreffend zu sagen, dass ein Mythos eine vollständige Erfindung ist. Im Gegenteil hat ein Mythos oft seinen Anfang in einem realen Ereignis. In dieser Hinsicht sehen die meisten Akademiker Atlantis als wahrscheinlich von realen Ereignissen inspiriert [3] an, wie dem Untergang der minoischen Kultur oder dem Ende von Städten wie Helike und Pavlopetri, was sich sehr von der Annahme solcher Orten unterscheidet, die tatsächlich Atlantis gewesen sein sollen, das, wie sie behaupten, niemals existiert hat.

Im Mittelpunkt dieser Vorstellungen steht eine gründliche, kontextuelle Beurteilung der anderen Werke Platos und der Politik der Zeit, in der er lebte. Die Beschäftigung mit der Legende von Atlantis hat jedoch auch eine durchaus farbenfrohe Spur hinterlassen. Dabei hat Atlantis ein Licht auf die Wünsche und Sehnsüchte während der historischen Zeitabschnitte geworfen, in denen ihm nachgegangen wurde. Als Beispiel seien hier die Reaktionen auf Olof Rudbecks Veröffentlichung seiner Atlantica [4] in Schweden im 17. Jahrhundert erwähnt, in welcher Rudbeck versuchte, Atlantis als Teil einer nationalistischen Agenda in Schweden zu platzieren.

Die Vorstellung, dass Atlantis ein Mythos sei, ist keineswegs eine moderne Idee. Zum Beispiel sah Giuseppe Bartoli, ein italienischer Gelehrter des 17. Jahrhunderts, die Geschichte von Platos Atlantis als verschleierte Warnung an Athen vor einem möglichen athenischen Bürgerkrieg.

Der Kritias wurde nie fertiggestellt, aber Benjamin Jowett argumentiert, Plato habe ursprünglich einen dritten Dialog mit dem Titel Hermokrates geplant, und John V. Luce argumentiert weiter, dass Plato nachdem er den Ursprung der Welt und der Menschheit in Timaios und die allegorisch perfekte Gesellschaft des altertümlichen Athen sowie im Kritias deren erfolgreiche Verteidigung gegen ein antagonistisches Atlantis beschrieben hatte, die Strategie der griechischen Zivilisation während ihres Konflikts mit den Persern [5] zu einem Diskussionsgegenstand in besagtem Hermokrates gemacht hätte.

Der Klassische Philologe Alan Cameron behauptet auf Seite 124 seine Buches Greek Mythography in the Roman World [6]: "Nur in moderner Zeit haben die Menschen die Atlantis-Geschichte ernst genommen; niemand hat dies in der Antike getan." Die Untersuchung antiker Kommentare lässt jedoch darauf schließen, dass diese Aussage nachweislich falsch ist. Zum Beispiel schrieb Arnobius der Ältere 330 n. Chr. über Atlantis als akzeptierte Tatsache, und im Jahr 550 n. Chr. beschrieb Kosmas Indikopleustes es nicht nur als realen Ort, sondern platzierte es in den Atlantischen Ozean. [7]


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Stelios Grant Pavlou (Lizenz: CC0 1.0 Universal) erschien erstmals in englischer Sprache mit dem Titel "Atlantis as Myth" auf seiner - inzwischen eingestellten - Webseite Atlantipedia.com. Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de im November 2018 nach der bei Archive.org archivierten Fassung des Artikels vom 14. April 2017.

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Präzise formuliert müsste es hier eigentlich "Mehrheit der Fachwissenschaftler" (Klassische Philologen und Historiker) heißen, denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass eine deutliche Mehrheit der universitär ausgebildeten (graduierten, promovierten oder habilitierten) Geistes- und Naturwissenschaftler aller möglichen Disziplinen, die sich intensiv mit dem Atlantis-Problem befasst und dazu publiziert haben, Platons Atlantis nicht für einen Mythos hält, sondern der Historizitäts-These anhängt.
  2. Red. Anmerkung: Vergl. dazu: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Platonischer Mythos" (abgerufen: 16. November 2018)
  3. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: "Inspirations-Hypothese" (red)
  4. Red. Anmerkung: Der vollständige lateinische Titel von Rudbecks zwischen 1675 und 1698 in vier Bänden zu Uppsala auf Schwedisch und Latein erschienenem Werk lautet: Atland eller Manheim, Atlantica sive Manheim, vera Japheti posterorum sedes et patria.
  5. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: Bernhard Beier, "Atlantis und die Perserkriege"
  6. Siehe: Alan Cameron, "Greek Mythography in the Roman World" (American classical studies 48), Oxford University Press, Oxford/New York, 2004
  7. Red. Anmerkung: Ergänzend sei hier noch festgehalten, was der Privatgelehrte und Fachbuchautor in Sachen Atlantis, Thorwald C. Franke, in seinem atlantologie-historischen Standartwerk Kritische Geschichte der Meinungen und Hypothesen zu Platons Atlantis (auf S. 439) klar und deutlich zur Rezeptionsgeschichte von Platons Atlantiserzählung bemerkt, nämlich, "dass Atlantis um das Jahr 1500 noch gemeinhin als ein realer Ort angesehen wurde, und dass der Meinungsumschwung hin zur Erfindungsthese sich erst im 19. Jahrhundert vollzog." Zit. nach: "Die 'Schwarze Legende' neuzeitlicher Atlantisrezeption", Atlantisforschung.de, August 2018 (red)

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