Atlantologie-Kritik

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Definition

(bb) Atlantologie-Kritik (auch: Atlantologiekritik) – Kritik (an) der Atlantisforschung:

Abb. 1 Indem die Atlantologie-Kritik sowohl Platons Atlantisbericht als auch dessen Rezeption hinterfragt, wird sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil der modernen Atlantologie.

I. Als atlantologischer Terminus bezeichnet der Begriff Atlantologie-Kritik die kritisch-reflektive Beschäftigung mit der Atlantologie / Atlantisforschung auf einer wissenschaftlichen oder grenzwissenschaftlichen Grundlage. Obwohl die meisten Atlantologie-Kritiker sich selbst sicher nicht als Atlantisforscher definieren, stellt die Atlantologie-Kritik nicht zuletzt auch einen notwendigen Teilbereich bzw. ein Fachgebiet atlantologischer oder meta-atlantologischer Forschung dar.

Zu den Vorausetzungen seriöser Atlantologie-Kritik gehören zwingend sowohl die Kenntnis der (grenz-) wissenschaftlichen Grundlagen der Atlantisforschung als auch ein profundes Wissen in Bezug auf die 'Forschungslandschaft' und im Bereich der Atlantologie-Historik, also ein umfangreicher Wissenskanon, der nur im Verlauf umfassender, gründlicher und entsprechend zeit-intensiver Studien erworben werden kann.

Jedenfalls musss eine derartige, (grenz-) wissenschaftliche Atlantologie-Kritik keineswegs zwangsläufig mit einer grundsätzlich ablehnenden Haltung der Atlantisforschung gegenüber verknüpft sein, und ist durchaus nicht an die Prämisse gebunden, bei Platons Atlantisbericht handele es sich um eine "erfundene Geschichte" (Fiktionalitäts-These), auch wenn natürlich gerade Atlantologie-Kritiker aus dem Bereich universitärer bzw. konvertioneller Forschung dieser Annahme folgen. Zu den bedeutendsten Persönlichkeiten dieser 'schulwissenschaftlichen' Atlantologie-Kritik des 20. Jahrhundert gehören der tschechische Geologe Zdeněk Kukal [1], der französische Althistoriker Pierre Vidal-Naquet (1930-2006) [2] und der deutsche Altphilologe Heinz-Günther Nesselrath [3] sowie der ebenfalls in Deutschland beheimatete Historiker und Verleger Jörg Dendl. [4]

Der international populärste Repräsentant der Atlantologie-Kritik ist jedoch vermutlich Lyon Sprague de Camp (27.11.1907 - 6.11.2000). (Abb. 2) Sprague de Camp war kein Wissenschaftler, sondern ein Autor und Publizist, der hierzulande eher durch seine Fantasy-Stories (z.B. über Conan, den Barbaren) und seine herausragende Biographie H.P. Lovecrafts [5] bekannt wurde. Auch wenn die Stärken seiner, 1954 veröffentlichten, populärwissenschaftlichen Abhandlung "Lost continents: the Atlantis theme in history, science, and literature" [6], die 1975 auch (als Taschenbuch) in deutscher Sprache erschien [7], mit Sicherheit eher im Bereich der Atlantologie-Historik liegen, gilt dieses Werk heute allgemein als 'Klassiker' der Atlantologie-Kritik.

Abb. 2 Lyon Sprague de Camp (1907-2000) war ein höchst kompetenter Atlantologie-Historiker - seine Atlantologie-Kritik weist dagegen einen ideologischen Charakter auf.

Dabei ist dieses Buch mit einiger 'Vorsicht zu genießen', denn sein Autor legte damit durchaus keine sine ira et studio verfasste Studie vor, sondern eine 'Kampfschrift', mit der er letztlich die Unsinnigkeit der Atlantisforschung "beweisen" und sie lächerlich machen wollte (zu dieser Form der "Atlantologie-Kritik" siehe unten auch Abschnitt II.): "Wie auch an anderer Stelle erwähnt, operierte Sprague de Camp - als Atlantologie-Kritiker - vom Standpunkt des konservativen, wissenschaftlichen Mainstreams aus. Nicht selten erwies er sich dabei im nachhinein als enorm belesener, äußerst vernunftbetonter, aber >akademischen< Quellen gegenüber völlig unkritischer Neo-Scholastiker mit entsprechend ideologisiertem Weltbild. Da er sich bedingungslos und gerne dem zu seiner Zeit gültigen 'Stand der Wissenschaft' unterwarf, unterliefen ihm bei seinen Bewertungen einzelner >Atlantisten< und ihrer Aussagen nicht selten Fehlurteile, wie sich heute, ein halbes Jahrhundert später, immer deutlicher zeigt." [8]

Eine andere Variation (grenz-) wissenschaftlicher Atlantologie-Kritik wird von Atlantologen - Berufswisenschaftlern und Privatforschern - praktiziert, die zwar vom mehr oder weniger historischen Charakter der Atlantida überzeugt sind und Atlantis als historisch-geographische Entität betrachten (Historizitäts-These), sich aber der diversen Unzulänglichkeiten der 'Real existierenden Atlantisforschung' in Theorie und Praxis bewusst sind.

Für diese Forscherinnen und Forscher, die Atlantologie / Atlantisforschung de facto als ebenso entwicklungsbedürftige wie entwicklungsfähige Protowissenschaft begreifen, ergibt sich im Hinblick auf dazu erforderliche individuelle wie auch institutionelle Professionalisierungs-Prozesse auch die Notwendigkeit der Atlantologie-Kritik, um z.B. eine Abgrenzung von explizit unwissenschaftlichen Ausformungen der Atlantida-Rezeption und des Umgangs mit dem Atlantis-Komplex (siehe: Atlantismus) vornehmen zu können.

Abb. 3 In seinem 1970 in englischer Sprache publizierten Hauptwerk befasste N. Zhirov sich u.a. mit gerechtfertigter und ungerechtfertigter Kritik an der Atlantologie. (Bild: Cover des 2001 erschienenen Reprints)

Einer der Pioniere dieser Form der Atlantologie-Kritik war Dr. Nikolai Zhirov (sprich: Schiroff), ein Verfechter der 'klassischen Atlantis-Lokalisierung', und einer der profiliertesten Atlantisforscher in der damaligen UdSSR, der über internationale Forschungskontakte verfügte, und 1970 mit seinem magnum opus "Atlantis - Atlantology: Basic Problems" (Abb. 3) [9] ein veritables Grundlagenwerk vorlegte, in welchem er u.a. die Notwendigkeit der Entwicklung wissenschaftlichen Standards in der Atlantologie propagierte und sich kritisch mit dem Atlantismus auseinandersetzte.

Im deutschsprachigen Raum präsentierten im Jahr 2006 mehrere 'schulwissenschaftlich' orientierte Atlantisforscher eine, unter Federführung von Thorwald C. Franke entwickelte, 'Charta der Atlantisforschung' (PDF, 83,41 KB), mit der sie den Versuch unternahmen "eine Definition der Atlantis-Forschung aufzustellen" und festzulegen, wofür Atlantisforschung ihrer Meinung nach steht bzw. wogegen sie sich wendet. "Damit eröffnet die Charta einen durch klare Grenzen gesicherten Raum für die freie Entfaltung der Vernunft, der nicht mehr zwischen Unwissenschaftlichkeit und Dogmatismus erdrückt werden kann" [10]

Da diese Charta einerseits ausdrücklich einen "öffentlichen Bezugspunkt" für Atlantisforscher darstellen soll, sich aber anderseits inhaltlich an Vorstellungen zur Wissenschaftlichkeit der Atlantisforschung orientiert, die allenfalls für einen Teil der Atlantologic community repräsentativ bzw. akzeptabel erscheinen [11], wurde einige Monate später von Atlantisforschung.de ein Alternativer Entwurf zur Diskussion und Kompromiss-Findung vorgelegt, der von seinen Verfassern als Ansatz zu einer konsensfähigen Arbeitsgrundlage für alle (grenz-)wissenschaftlich arbeitenden Atlantisforscher ('Konformisten' und 'Nonkonformisten') betrachtet wird, die sich von einem explizit unwissenschaftlichen oder auch antiwissenschaftlichen Atlantismus abgrenzen wollen.

II. Ignoriert werden solche wesentlichen Unterschiede von den Betreibern einer ideologisch motivierten Atlantologie-Kritik, die darauf abzielt, Atlantologie / Atlantisforschung per se als so genannte "Pseudowissenschaft" zu diskreditieren. Der Begriff "Kritik" ist hierbei allenfalls in seiner umgangssprachlichen Bedeutung, nicht aber im Sinn einer wissenschaftlichen, kritisch-reflektiven Betrachtung zu verstehen, obwohl gerade derartige "Kritiker" sich häufig geradezu als 'Verteidiger der Wissenschaft' darstellen.

Dies gilt insbesondere für Anhänger der 'Skeptiker', einer Weltanschauungs-Gemeinschaft, deren Anhänger sich im deutschsprachigen Raum in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP e.V.) organisiert hat.


Ein exemplarisches 'Paradebeispiel' für diese scheinbar objektive, tatsächlich jedoch völlig tendentiöse, ja manipulative Pseudo-Kritik lieferte 1995 der Diplom-Übersetzer und Verlagslektor Ulrich Magin. (Abb. 4)

Magin, laut Mysteria 3000 ein "bekannter Erforscher grenzwissenschaftlicher Phänomene" [12], ist tatsächlich ein ausgewiesener 'Skeptiker', der zwischenzeitlich zum Redakteur der gleichamigen GWUP-Publikation avancierte, die für ihre gradenlose Stimmungsmache gegen grenzwissenschaftliche Forschungs-Ansätze hinlänglich bekannt ist.

Abb. 4 Der Diplom-Dolmetscher und Verlagslektor Ulrich Magin legte in 'Kleines Lexikon der Parawissenschaften' 1995 ein lehrbuchreifes Beispiel für ebenso unqualifizierte wie ideologische "Atlantologie-Kritik" vor.

Im Einzelfall schrecken solche "Skeptiker" auch vor dem Mittel der Diffamierung nicht zurück, um die Atlantisforschung über Verbalinjurien gegen bestimmte Peronen aus ihrem Umfeld in ein möglichst schlechtes Licht setzen zu können. So hat z.B. der selbst ernannte Paläo-Seti- und Atlantologie-Kritiker Dr. Klaus Richter - ein in der GWUP organisierter Jurist (!) - wiederholt die Behauptung aufgestellt, bei den so genannten, möglicherweise mit der putativen Urkultur von Atlantis in Verbindung stehenden, 'Steinen von Ica' [13] handle es sich "größtenteils [um] Fälschungen", die "auf Anweisung von Dr. Cabrera (Ica, Peru) ausgeführt" worden seien. [14]

Dr. med. Janvier Cabrera, der im Dezember 2001 verstorben ist, mag sich zwar nicht mehr persönlich gegen derartige Anwürfe zur Wehr setzen können, aber trotzdem ist es erstaunlich, dass Dr. Richter sich als professioneller Jurist mit seiner ehrabschneidenden und völlig unbeweisbaren Behauptung, die immerhin den Straftatbestand der Üblen Nachrede nach § 186 StGB, möglicherweise sogar den der Verleumdung nach § 187 StGB erfüllen dürfte, dem Risiko eines Strafverfahrens aussetzt.


Siehe z.B.: John Walliss und Wayne Spencer, "Mythen im Angebot: Wie man Atlantis im spirituellen Supermarkt verkauft]", in: Skeptiker, 3/2001


Dr. Klaus Richter, "Atlantis - Der 8. Kontinent, versunkene Kultur, Mythos?", vormals online unter: http://fischinger.alien.de/Probeausgabe/archiv/artikel2.html


(Siehe dazu bei Atlantisforschung.de auch: Bernhard Beier, "Psychopathia atlantologica - Wie die Beschäftigung mit der Atlantisforschung ihre Kritiker in den Wahnsinn treiben kann")


Anmerkungen und Quellen

  1. Siehe: Zdeněk Kukal, "Atlantis in the light of modern research", Elsevier, 1984
  2. Siehe: Pierre Vidal-Naquet, "Atlantis - Geschichte eines Traums", C.H. Beck, 2006
  3. Siehe: Heinz-Günther Nesselrath, "Platon und die Erfindung von Atlantis", K.G. Saur, 2002 --- ders., "Atlantis auf ägyptischen Stelen? – Der Philosoph Krantor als Epigraphiker" (PDF, 50 KB), aus: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, ZPE Nr. 135/2001, S. 33-35. --- ders.: "Neues von Atlantis?" (PDF 3,0 MB. Mit originaler Seitenzählung.) bzw.: "Neues von Atlantis?" (PDF 0,2 MB. Mit Corrigenda), aus: Jahresheft Nr. 4 für 2005 der Göttinger Freunde der antiken Literatur e.V., S. 9-23. --- siehe auch: ders., "Theopomps Meropis und Platon: Nachahmung und Parodie", Göttinger Forum für Altertumswissenschaft GFA Nr. 1/1998, S. 1-8. (nach: Thorwald C. Franke, atlantis-scout.de)
  4. Siehe z.B.: Jörg Dendl, "Die Suche nach dem Mythos - Aktuelles zur Atlantis-Frage"
  5. Siehe: Lyon Sprague de Camp, "H. P. Lovecraft - Eine Biographie", 2000
  6. Siehe:
    De Camp 1.jpg
    Lyon Sprague de Camp, "Lost continents: the Atlantis theme in history, science, and literature", 1954 (Cover-Abbildung: Library Thing)
  7. Siehe:
    De Camp 2.jpg
    Lyon Sprague de Camp, "Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria u. anderen untergegangenen Zivilisationen", 1975 (Cover-Abbildung: Library Thing)
  8. Quelle: Atlantis in (Nord-)Afrika - die afro-atlantologische Schule, Anmerkung 1, (red), Atlantisforschung.de
  9. Siehe: Nikolai Zhirov, "Atlantis - Atlantology: Basic Problems", Moskau 1970 / Reprint: Honolulu, 2001
  10. Siehe dazu: Thorwald C. Franke, "Einführung - Warum eine Charta der Atlantis-Forschung?", atlantis-scout.de
  11. Siehe dazu: (red), "Für eine 'Charta der Atlantis-Forschung'", Atlantisforschung.de
  12. Quelle: Mysteria 3000 - Alternative und interdisziplinäre Archäologie im Fokus, "Artikel von Ulrich Magin"
  13. Zu diesen Artefakten siehe bei Atlantisforschung.de auch: Bernhard Beier, Präkolumbische Artefakte und Dinosaurier in Amerika, Teil II: Südamerika: Die Steine von Ica
  14. Siehe zu dieser Behauptung: Dr. Klaus Richter, "Kritik an der Paläeo-SETI", auf den Webseiten der GWUP, online unter: http://www.gwup.org/component/content/article/91-prae-astronautik/338-kritik-an-der-palaeeo-seti --- Siehe dazu auch: Dr. Klaus Richter, "Atlantis - Der 8. Kontinent, versunkene Kultur, Mythos?", vormals online unter: http://fischinger.alien.de/Probeausgabe/archiv/artikel2.html


Bild-Quellen

(1) Bildarchiv Atlantisforschung.de

(2) Лион Спрэг де Камп (Lyon Sprague de Camp) Также использовал псевдоним - Lyman R. Lyon

(3) amazon.com, Atlantis: Atlantology - Basic Problems (Paperback)

(4) http://www.ufo-student.de/autoren/autoren.htm (Seite nicht mehr online / Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)