Prof. Robert Schoch über Atlantis

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Ein Blick in Voices of the Rocks (1999) und ein kurzer Abgleich mit den Arbeiten Mary Settegasts sowie anderer Autorinnen und Autoren

Abb. 1 Was Prof. Robert Schoch (links )bereits vor einigen Jahren zum Thema 'Atantis' zu sagen hatte, haben wir hier kurz für Sie zusammengefasst.

(fs und bb) Der gerade in Kreisen alternativer Vergangenheitsforschung aufgrund seiner provokanten Datierung der Großen Sphinx von Gizeh bekannte Geologe Prof. Robert Schoch (Ph.D.) (Abb. 1, links), der am College of General Studies der Boston University lehrt, gehört keineswegs zu den leidenschaftlich-vehementen Verfechtern der Historizitäts-These zum Atlantisbericht in Platons Dialogen Timaios und Kritias.

Andererseits steht Robert M. Schoch ihr auch nicht völlig ablehnend gegenüber, und er hat seinerseits immerhin eine These zur vormaligen Existenz eines vergessenen Uralt-Kulturkomplexes von Pyramidenbauern vorgestellt [1] - Grund genug jedenfalls, hier einmal darzulegen, was er in seinem 1999 erschienenen Buch "Voices of the Rocks" (Abb. 2) zum Thema 'Atlantis' vorzubringen hatte.

Im vierten Kapitel („Looking for lost cities“) dieses Buches geht Schoch keinswegs nur am Rande auf Platons Bericht über Atlantis ein. Zunächst beschreibt er Platon als gelernten Dramaturgen, der später zum Anhänger und Schüler des Sokrates wurde, dessen Tod er miterlebte. Platon sei seinem Mentor auch später treu geblieben, wobei er zur Erinnerung an dessen Lehren und Methoden die Dialogform verwendete. [2]

Schoch wirft Platon vor, in seiner geographischen Beschreibung von Atlantis ungenau zu sein. Er hält den Bericht für zweideutig bis widersprüchlich. Platon spräche von einer riesigen Insel außerhalb der Säulen des Herakles mit einem Klima, in dem Elefanten leben könnten. Hinter der Insel liege ein Landgebiet, das Platon den „gegenüberliegenden Kontinent“ nennt. Schoch kommt gar nicht auf die Idee, dass damit Amerika gemeint sein könne. Vielmehr weist er darauf hin, dass die Säulen des Herakles das erste vieler Probleme bei der Interpretation des Atlantisberichts darstelle, denn die Griechen hätten diesen Namen auch für viele andere Orte innerhalb des Mittelmeeres verwendet. [3]

Abb. 2 Das Frontcover von Robert M. Schochs Buch Voices of the Rocks, in dem er sich auch mit Platon und Atlantis befasst

Gerade hier wird deutlich, dass sich Schoch nicht besonders gründlich mit den Atlantis betreffenden Aussagen der Dialoge Timaios und Kritias befasst haben kann. Schließlich erklärte Platon ganz eindeutig, dass sich die Massen der atlantischen Krieger vom atlantischen Meer ("ek tou atlantikou") zum „inneren“ Meer - dem Mittelmeer - bewegten. Zudem betonte er, dass dieses, „unser“ Meer nur eine kleine Bucht im Vergleich zu dem wirklichen Ozean sei.

Schoch betrachtet Platon als einzigen Autor, der die Atlantis-Geschichte überliefert hat. Er übersieht dabei z.B. völlig, dass auch Diodorus Siculus eine ganz andere, und sehr ausführliche Schilderung lieferte, die den Krieg zwischen Atlantern und „Athenern“ betrifft. Diodors Quelle war [ Dionisios von Skythobrachyon], von dessen Werk leider nichts direkt auf uns gekommen ist, und der eindeutig entweder andere oder ausführlichere Quellen als Platon hatte. [4]

Prof. Schoch beginnt alsdann mit der Betrachtung von insgesamt neunzehn ausgewählten „Atlantis“-Stätten, die im atlantologischen Diskurs stehen. Dabei schließt er - und dies ist keineswegs als 'lässliche Sünde' zu betrachten - den Atlantik a priori aus. Völlig ignorierend, dass sich die Lokalisierungs-Modelle der 'Atlantiker' ja keineswegs auf die Annahme eines 'Kleinkontinents' oder einer riesenhaften Großinsel im Atlantik beschränken, argumentiert er, der dortige Meeresboden sei inzwischen kartografisch so gründlich erfasst, dass die vormalige Existenz vor Atlantis im Atlantik auszuschließen sei.

Danach handelt er Lokalisierungen im Mittelmeer ab, wirft aber auch einen Blick auf Lemuria im Indischen Ozean sowie auf Mu und Südostasien und schließlich auch auf die Antarktis als vermutete Heimat einer primhistorischen Kultur. In diesem Zusammenhang erteilt er nicht nur Charles Hapgoods Theorie der Erdkrusten-Verschiebung eine Absage, sondern er verwirft auch dessen Auswertungen alter Portolan-Karten. Zumindest was den letztgenannten Punkt - Hapgoods Protokartographie - betrifft, erscheint Prof. Schochs Ablehnung vorschnell und höchst kritikdedürftig. [5] Auf seiner Suche nach verlorenen Stätten vergessener Urkulturen macht er dann noch einen 'Abstecher' zum Mars, wobei er die Annahme artifizieller Strukturen auf dem 'Roten Planeten' abschmettert und auch die Hypothese einer Besiedlung der Erde durch vormalige Marsbewohner zurückweist.

Abb. 3 Robert M. Schochs Platon- und Atlantis-Betrachtung war 1999 noch deutlich von der scholastischen Vorstellung geprägt, es sei dem Athener Philosophen in erster Linie um die Darstellung eines idealen Staates gegangen, als er seinen Atlanticus abfasste.

Schließlich wendet Robert Schoch sich wieder der Erde und zu Platon zu, dem er bescheinigt, dass er seine Dialoge unter Inanspruchnahme einiger dichterischer Freiheit geschrieben seien. Wie viele andere Interpreten ist auch er der Meinung, es sei Platon viel mehr um die Darstellung eines idealen Staates gegangen, als um die Überlieferung historischer Fakten. Dennoch gesteht er den Aussagen zu Atlantis im Timaios und Kritias eine gewisse Historizität zu. Der Atlantisbericht sei zum Teil Erfindung, zum Teil das Ergebnis einer Übernahme historischer Ereignisse. Auch dem prominenten Neokatastrophisten Trevor Palmer ist Schochs Schlussfolgerung aufgefallen, "Plato habe vermutlich Aspekte mehrerer, nicht in Zusammenhang stehender Ereignisse genutzt, um seine Geschichte über Atlantis zusammenzustellen." [6]

Ob diese von Platon gewissermaßen 'verschmolzen' überlieferten Episoden oder Ereignisse aus urgeschichtlichen und protohistorischen Perioden tätsächlich untereinander in keiner Beziehung standen, muss allerdings hinterfragt werden. Vermutlich verhinderte Prof. Schochs übereilte Zurückweisung der 'Atlantis im Atlantik'-Theorien, dass er die naheliegende Möglichkeit erkannte, eine Gemeinsamkeit dieser Ereignisse könne in einem - direkten oder auch indirekten - Bezug zur prähistorischen Welt des Atlantik-Raumes liegen.

Interessanter Weise (und untypisch für die meisten schulwissenschaftlich argumentierenden Betrachter des Atlantis-Problems) befasst sich Schoch gerade mit jenen anzunehmenden ältesten, spätpaläolithischen Komponenten der Atlantida. Hierzu bezieht er sich auf Mary Settegast und ihr Buch „Plato Prehistorian“, deren Argumentation er plausibel und überzeugend findet. Sie zeige, dass die Geschichte Platons in einem breiten Rahmen einen schrecklichen Krieg in der mediterranen Welt schildert, der auf einen dramatischen Klimawechsel zurückging und ganze Völker in Bewegung setzte.

Settegast sieht Parallelen zu Platons Atlantis in der Kultur des Magdalénien, deren Angehörige bereits Pferde zähmten [7] und eine künstlerisch hochstehende Kultur hatten, bei denen Waffen anscheinend nicht bekannt waren oder eine herausragende Rolle spielten. Zur Zeit von Platons Atlantis-Untergang um 9.600 v.Chr. gab es Zeichen des Zerfalls des Magdalénier-Kultur und auch für die Herstellung von Waffen, die möglicherweise in Konfliken mit den Mittelmeervölkern Verwendung fanden. Zur selben Zeit trat übrigens auch die das Magdalénien ablösende Kultur des Azilien in Erscheinung, die - wie u.a. erhalten gebliebenene Felszeichnungen (Abb. x) zeigen - einen durchaus kriegerischen oder zumindest wehrhaften Eindruck macht.

Abb. 4 Eine voranstürmende Gruppe von Kriegern mit Pfeilen und Bögen. Skizze einer Felszeichnung aus dem Azilien.

Prof. Schoch behauptet nun, während des Krieges der Atlanter gegen die „Athener“ und andere Völker, sei Afrika laut Platon nicht angegriffen worden. Auch das ist falsch, denn Platon]] sagt eindeutig, dass die Atlanter die Gebiete innerhalb der Säulen in Europa bis nach Tyrrhenien und in Libyen (Afrika) bis nach Ägypten beherrschten. Es sollte hier auch Erwähnung finden, dass Mary Settegast Ausführungen von Schoch nicht immer mit der nötigen Genauigkeit wiedergegeben werden. In ihrem Buch „Plato Prehistorian“ ging es ihr vor allem um die Klarstellung vieler Zweideutigkeiten in der Auslegung der Prähistorie. Sie geht auf Platons Atlantis ein und vergleicht die „Atlanter“ mit der Kultur des Magdalénien, die bis vor etwa 11.000 Jahren bestand.

Die Betrachtung der archäologischen Erkenntnisse innerhalb der Säulen des Herakles vor und nach dem von Platon genannten Zeitpunkt des Untergangs von Atlantis vor ca. 11.600 Jahren weist für das Gebiet des Mittelmeerraums eine sehr einheitliche Entwicklung auf und zeigt viele Parallelen zu Platons Bericht. Diese Übereinstimmungen lassen Settegast den Schluss ziehen, dass der Bericht eine historische Grundlage besitzt, wobei sie jedoch eine Diskrepanz mit Blick auf den zeitlichen Aspekt sieht. Sie tendiert zu der Meinung, der Untergang von Atlantis sei nicht vor etwa 11.600 Jahren, sondern erst vor 9.500 bis 9.300 Jahren geschehen.

Diese Annahme basiert auf der Feststellung, dass im 8. vorchristlichen Jahrtausend in einem Gebiet von Palästina über Syrien bis Ostanatolien und den Zāgros-Bergen (Iran) eine große Zahl von Siedlungen einer fortgeschrittenen Kultur praktisch aus dem Nichts entstand. Sie geht davon aus, dass der Untergang von Atlantis erst zu dieser Zeit, also 7.500 bis 7.300 v.Chr. geschah und diese Wanderungen auslöste. Eine noch deutlichere Dissonanz gibt es nach Settegast hinsichtlich der geografischen Lage von Atlantis. Nach den von ihr zu Rate gezogenen geologischen Quellen schließt sie aus, dass Atlantis im Atlantik gelegen haben könnte und neigt eher dazu, es im Mittelmeer zu suchen. Die oben erwähnte zeitliche Diskrepanz erwähnt Schoch nicht.

Settegasts zeitliche Einschätzung stimmt übrigens auch mit jener von Alexander und Edith Tollmann überein, welche die Sintflutkatastrophe in Folge eines Kometeneinschlags vor 9.545 Jahren, also rund 7.500 v.Chr. betrachten und darin auch den Untergang von Atlantis sehen, und zwar in dem Gebiet um die Azoren. Dieser Zeitpunkt vor 9.500 Jahren stimmt wiederum überein mit der Aussage von Stephen Oppenheimer in seinem Buch „Eden in the East“. Er führt einen Nachweis über insgesamt drei Fluten zum Ende der Eiszeit.

Die erste erfolgte, laut Oppenheimer, vor etwa 14.000 Jahren, die zweite vor 11.700 Jahren (die Atlantis-Katastrophe nach Platon) und eine dritte vor 9.500 Jahren. Sie soll die schwerste gewesen sein. Als Ergebnis wurde in Südostasien eine riesige Landmasse, die von Indochina bis zu den Inseln Indonesiens reichte, überflutet. die Überlebenden einer dort ansässigen, 'austronesisch' genannten Kultur mit hohem kulturellen Entwicklungsstand suchten neues Land. Ein Migranten-Strom zog nach Norden bis hin zum südlichen China, eine zweite Gruppe breitete sich nach Osten über die verbliebene Inselwelt aus und eroberte schließlich das, was heute Polynesien ist. Eine dritte Welle erreichte das Industal (Mohenjo-Daro, Harappa) und eine weitere gelangte durch den Persischen Golf ins Zweistromland, woraus sich sumerischen und nachfolgende Kulturen entwickelten.

Trotz dieser Übereinstimmungen bleibt auch der Zeitpunkt vor etwa 11.600 Jahren, also die von Platon genannte Datierung, eine Zeit, zu der ein 'plötzliches' Ereignis stattfand, welches das abrupte Ende der Eiszeit verursachte und viele Großsäuger ihre Existenz kostete. Das sieht auch Schoch so. Die Tollmanns dagegen verschieben den 'Untergang von Atlantis' auf einen Zeitpunkt vor 9.545 Jahren.


Schlussbetrachtung

Robert M. Schochs Ausführungen zum Thema 'Atlantis' aus dem Jahr 1999 sind sicherlich interessant, aber weit entfernt von einer atlantologischen Expertise, die auf jahre- oder sogar jahrzehntelangen Studien beruht.

(Dieser Abschnitt ist noch in Arbeit)


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe: Robert M. Schoch, "Forgotten Civilization: The Role of Solar Outbursts in Our Past and Future", Inner Traditions / Bear & Co, 2012
  2. Vergl. dazu einführend die Lemmata "Sokratische Methode" und "Platonischer Dialog" bei der deutschsprachigen Wikipedia.
  3. Anmerkung:
  4. Anmerkung: Was die Quellenlage zu Atlantis betrifft, bemerkt R. Cedric Leonard sehr richtig: "Gelehrte auf der ganzen Welt haben wiederholt erklärt, dass altertümliche Quellen, die Atlantis beschreiben, reichlich vorhanden seien, >aber vor Plato [finde sich rein gar] nichts<. Sie treffen diese Feststellung aus mehreren Gründen: (1) sie missachten jede Aufzeichnung, in der Atlantis nicht unter diesem Namen erwähnt wird; (2) sie ignorieren alle Aufzeichnungen unter Verwendung einer abweichenden Schreibweise von Atlantis; (3) sie setzen (bewusst oder unbewusst) voraus, dass wir [heute noch] über alle alten Manuskripte verfügen, die im Zeitraum zwischen Solon und Platon verfasst wurden; (4) sie scheinen nicht mit den Sanskrit-Schriften Indiens vertraut zu sein, und sie ignorieren augenscheinlich, dass jene Sanskrit-Sprecher aus Mitteleuropa stammten." Quelle: R. Cedric Leonard, "ANCIENT WRITINGS - Pre-Platonic Writings Pertinent to Atlantis", bei: Quest for Atlantis - Adventures in Science (abgerufen: 11. April 2015; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  5. Vergl. dazu bei Atlantisforschung.de z.B.: Dr. Christine Pellech, "Die Kenntnis Amerikas, der Arktis, der Antarktis und Australiens auf alten Karten"
  6. Quelle: Trevor Palmer, "Perilous Planet Earth: Catastrophes and Cathastrophism Through the Ages", Cambridge University Press, 2003, S. 329 (abgerufen: 11. April 2015; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  7. Siehe dazu z.B. bei Atlantisforschung.de: "Der Reiter von Trois Frères" (red)

Bild-Quellen:

1) Links: The Official Website of Robert M. Schoch, unter: Books and other Publications (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
1) Rechts: Bildarchiv Atlantisforschung.de
2) Harmony Books / Bildarchiv Atlantisforschung.de
3) Jastrow bei Wikimedia Commons, unter: File:Plato Pio-Clementino Inv305 n2.jpg
4) Le paléolithique supérieur et ses peuples, unter: L’Azilien