Vulkanismus und Atlantisforschung

Vulkanismus (Teil 2)

Abb. 1 Der Weise Platon sprach in seinem Bericht von Überflutungen und Erdbeben, die Atlantis vernichteten. Obwohl bei ihm Vulkanismus mit keinem Wort erwähnt wird, haben zahlreiche Forscher gemutmaßt, das geheimnisumwobene Reich der Vorzeit sei durch eine vulkanische Eruption ausgelöscht worden.

(red) Der renommierte irische Atlantologie-Enzyklopädist Tony O’Connell stellt in seiner bemerkenswerten Atlantipedia fest, Vulkanismus sei "nicht Teil der Atlantis-Erzählung, wie sie von Plato berichtetet wurde". Dies ist insofern völlig richtig, wenn er weiter erklärt: "Sein Bericht schreibt die Vernichtung von Atlantis und den Athenern eindeutig Überflutungen und Erdbeben zu. Es sei zugestanden, dass Überflutungen das Resultat einer vulkanischen Aktivität sein können, doch in Abwesenheit irgendeines Nachweises, der diese Auffassung im Fall von Atlantis stützt, ist eine solche Vorstellung lediglich eine Vermutung." [1]

Wenn wir zudem einmal - um des Arguments willen - voraussetzen, dass Atlantis, wie von Platon beschrieben, flächenmäßig tatsächlich so groß gewesen ist, "wie Asien und Libyen zusammengenommen" (Timaios, 24e), dann macht Vulkanismus als Ursache für sein angebliches Versinken im Meer keinen Sinn. Für ein derart kataklysmisches Ereignis kommen, wie bereits Athanasius Kircher (1602-1680) bemerkte, keine bekannten terrestrischen Wirkungs-Mechanismen, sondern nur ein außerordentliches "Aliud naturae malum" (anderes Übel der Natur) in Frage.

Abb. 2 Die heißen und kalten Quellen auf Atlantis, von denen im Dialog Kritias die Rede ist, könnten sehr wohl auf eine vulkanische Natur der Insel hinweisen.

Zudem werden sich, wie Tony O’Connell zum Problem vulkanischer Aktivität als Auslöser der Atlantis-Katastrophe bemerkt, gerade all diejenigen, die Atlantis im Atlantik lokalisieren, "schwer damit tun, einen Ort für diese Aktivität aufzuzeigen, mit dem sich zwei 2000 Meilen oder mehr voneinander entfernte Katastrophen erklären lassen." [2]

Anders sieht es allerdings aus, wenn wir in Platons Dialogen nach allgemeinen Hinweisen auf eine möglicherweise vulkanische Natur der Insel Atlantis suchen, wie sie z.B. Otto Muck (1956) [3] und Louis Charpentier (1975) [4] postulierten. So verweisen auch andere Autoren bzw. Forscher [5] insbesondere auf die heißen und kalten Quellen, die es auf der Insel gegeben haben soll (Kritias, 113e). Auch die enorme Fruchtbarkeit der atlantischen Böden könnte durchaus ein Indiz dafür darstellen, dass es sich bei dieser Landmasse um eine Vulkaninsel handelte.

Abb. 3 Künstlerische Darstellung einer Eruption des Vesuvs im achtzehnten Jahrhundert (Bild: "Vesuvius from Portici"; Gemälde von Joseph Wright of Derby, ca. 1744-46)

Des weiteren verweist Dale Drinnon auf seiner Webseite Frontiers of Anthropology auf einen anderen möglichen Hinweis für diese Annahme. Dazu nimmt er an, dass nach "Platos Beschreibung die Hauptstadt von Atlantis in den Krater eines erloschenen Vulkans gebaut wurde, und dass viele der Merkmale in der Beschreibung vulkanischen Ursprungs sind. Der 'Poseidon'-Tempel ist der pyramidenförmige Vulkanstotzen, ein Erosions-Charakteristikum, das wie ein konischer Hügel von einige hundert Fuß Durchmesser und möglicherweise einigen hundert Fuß Höhe nach außen emporragte." [6]

Um noch einmal auf die Atlantis-Katastrophe zurück zu kommen, so können, wie bereits bemerkt, einzelne Eruptions-Ereignisse nur dann als Ursache für den Untergang einer ganzen Kultur in Betracht gezogen werden, wenn sie weitaus massiver sind als diejenigen, welche in der jüngeren Geschichte zu beobachten waren, wie etwa der Ausbrüche des Vesuvs in Italien (Abb. 3) im 18. und 19. Jahrhundert.

Durchaus interessant werden solche 'kleineren' Ereignisse in atlantologischem Kontext jedoch, wenn sie nicht vereinzelt, sondern gleichzeitig und gehäuft auftreten, z.B. als großräumige Sekundärerscheinungen bei vermuteten gravierenden Impakten größerer außerirdischer Körper (Meteore/Asteroiden und Kometen bzw. deren Fragmenten). [7] In solchen Fällen können sich 'Ketteneruptionen' zu global wirksamen, kataklysmischen Ereignissen summieren, was sowohl für diejenigen atlantologischen Modelle von Bedeutung ist, deren Schöpfer Platons Zeitangaben zum Untergang von Atlantis akzeptieren (siehe: 'Altzeitler') [8] als auch für jene, die dieses Ereignis der späten Bronzezeit zuordnen (siehe: Jungzeitler).

Abb. 4 Der Hekla auf Island - einer von vielen Vulkanen, die am Ende der Bronzezeit fast zeitgleich rund um den Globus ausbrachen

Was den zuletzt genannten Zeitraum betrifft, bemerkte beispielsweise Frank Joseph im Jahr 2004: "Der weltweite Vulkanismus erreichte seinen Höchststand am Ende des dreizehnten Jahrhunderts v.Chr. Herausragende Eruptionen ereigneten sich in Arabien, bei Russlands Vulkanen Awatschinskaja Sopka und Schiwelutsch in der Nähe des Pazifischen Ozeans auf der Halbinsel Kamtschatka, beim japanischen Atamisan, Nordamerikas Mount St. Helens, beim Mount Shasta in Kalifornien und bei Oregons Vulkanen Newberry und Belknap sowie beim Vulkan San Salvador in Mittelamerika. Der Vulkanismus im Atlantischen Ozean war weit verbreitet, mit Vorfällen auf Island (Hekla) (Abb.4), auf der Insel Ascension, auf Candlemas, den Azoren (Mount Furnas) und den Kanaren (Gran Canaria, Fuerteventura und Lanzarote)." [9]

Selbst wenn diese und andere damalige Eruptionen sich nicht wirklich synchron, sondern im Verlauf mehrerer Jahre oder auch Jahrzehnte ereigneten, müssen sie insgesamt gravierende Veränderungen des Klimas bewirkt haben, die sich verheerend auf komplexe zeitgenössische Kulturen auswirkten. Dies dürfte auch für eine von vielen Forschern vermutete, bronzezeitliche Atlanter-Kultur gegolten haben, ganz gleich ob sie im Mittelmeer-Raum, im Bereich des Atlantischen Ozeans oder auch anderenorts zu lokalisieren ist.

Abb. 5 Die Vulkaninsel Thera (Santorin). Ihre riesige, zum Meer hin offene Caldera zeugt noch heute von den titanischen Gewalten, die dort während der Minoischen Eruption getobt haben.

Großräumig wirksam müssen natürlich auch einzelne vulkanische Mega-Eruptionen gewirkt haben, selbst wenn es sich nicht um Ausbrüche so genannter 'Supervulkane' handelt, die in der Atlantisforschung allerdings auch keine nennenswerte Rolle spielen. [10] Fragt man dagegen nach jenem Vulkanausbruch, der den größten Einfluss auf die moderne Atlantologie gehabt hat, so ist die Antwort leicht zu geben: Dabei handelt es sich zweifellos um die 'Minoische Eruption des Inselvulkans Thera (Abb. 5) (heute Santorin genannt), die zu einem wichtigen Element der 'Kretominoischen Atlantis-Hypothesen' wurde.

In Verbindung brachte die alten Minoer, Thera und Atlantis der griechische Archäologe Spyridon Marinatos. Nachdem er bereits 1939 eine Theorie publiziert hatte, der zufolge dieser gewaltige Ausbruch den Untergang der minoischen Kultur auf Kreta bewirkt habe [11], stellte er spätestens zu Beginn der 1950er Jahre auch einen Zusammenhang zwischen Thera und den im Atlantisbericht geschilderten Ereignissen her. [12]

Abb. 6 Die kretominoischen Atlantis-Hypothesen mit ihrem Bezug zur Minoischen Eruption des Thera-Vulkans mögen heute zwar nur noch von atlantologie-historischer Relevanz sein, aber das Phänomen des Vulkanismus - gerade in seinen katastrophalen Ausformungen - wird in der modernen Atlantisforschung weiterhin ein wichtiges Thema darstellen.

Nachfolgend schlossen sich eine ganze Reihe schulwissenschaftlich orientierter Forscher und Autoren - vor allem Angelos Galanopulos und Edward Bacon sowie John Victor Luce und James Mavor Jr., um nur die bekanntesten zu nennen - Marinatos´ Überlegungen an und machten die zuvor schon etwas 'eingestaubte' These >Minoer = Atlanter< auch in jenen Kreisen populär, die 'Atlantis' ansonsten als Erfindung Platons abtun. Darüber hinaus wurde die Minoische Eruption aber auch von Atlantisforschern aufgegriffen, die zwar, wie z.B. Jürgen Spanuth, von einem bronzezeitlichen Ursprung der Atlantis-Legende überzeugt waren, das verschollene Reich und seine Hauptstadt nicht mit den Minoern identifizierten. [13]

Tatsächlich war die vermeintlich 'vernünftige', quasi vom Nachhall der Minoischen Eruption in der modernen scientific community getragene Fortführung der Idee eines 'kretominoischen Atlantis' von Anfang an eine atlantologische 'Sackgasse'. Dazu bemerkte z.B. 2002 Axel Hausmann: "Unüberwindliche Schwierigeiten bei der Datierung des Ausbruchs in Relation zum Niedergang Kretas sowie erhebliche Diskrepanzen zwischen den geografischen Angaben im Bericht Platons und den Gegebenheiten Santorins bewirkten jedoch bald, dass diese Hypothese heute kaum noch Anhänger findet." [14]

Die augenfällige Unvereinbarkeit vieler Angaben im Atlanticus mit den Vermutungen der Anhänger dieser atlantologischen Hypothesengruppe hätte natürlich schon früher auffallen müssen, aber spätestens die Forschritte bei der Datierung der Minoischen Eruption - die chronologisch nach wie vor nicht wirklich exakt bestimmt werden kann - trugen dazu bei, ihr den Boden zu entziehen. So wurde mit einiger Sicherheit festgestellt, dass sich dieser folgenschwere Ausbruch nicht im 14. oder 13. Jahrhundert vor der Zeitenwende ereignete, wie früher bisweilen zu Unrecht angenommen wurde, sondern bereits im 17. oder 16. Jahrhundert v.d.Z.. [15]

Dieses Ereignis fiel also, so gravierend es auch gewesen sein mag, zeitlich nicht mit dem Kollaps der bronzezeitlichen Kulturen und der end-bronzezeitlichen Klimakatastrophe zusammen, und vor allem verursachte es auch nicht ein schlagartiges Verlöschen der Minoer-Kultur, das mit dem abrupten Ende der Atlantier-Großmacht vergleichbar wäre. Trotzdem fanden sich bis heute immer wieder einzelne Verfechter des 'minoischen Atlantis', wie etwa Walter L. Friedrich (1994 [16]) Rodney Castleden (1998 [17]) und Hendrik J. Bruins (2007 [18]), für welche die Minoische Eruption ein wesentliches Element ihrer Interpretations-Modelle darstellt. Ein Revival der kretominoischen Atlantis-Hypothesen werden solche Einzelgänge wohl kaum bewirken, aber zumindest können sie dazu beitragen, das Interesse an vulkanologischen Aspekten der Atlantisforschung zu stärken.


Externa:

Santorin und die Minoische Eruption

Literatur-Tipp:

Friedrich - Feuer im Meer.jpg
Walter L. Friedrich, "Feuer im Meer - Der Santorin Vulkan, seine Naturgeschichte und die Atlantis Legenden", Elsevier - Spektrum, 2004, ISBN 3-8274-1582-9


Anmerungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Tony O’Connell, "Volcanism", 12. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 30. Januar 2015; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  2. Quelle: ebd.
  3. Siehe: Otto Muck, "Atlantis - Die Welt vor der Sintflut", Olten 1956
  4. Siehe: Louis Charpentier, "Le Mystère basque", Paris (Editions Robert Laffont), 1975
  5. Siehe z.B.: William Lauritzen, "Atlantis: Der verlorene Kontinent", (XIII) "Die Mythologie", bei Atlantisforschung.de
  6. Quelle: Dale Drinnon, "Reconstruction of Plato's Temple of Poseidon in Atlantis", 8. März 2014, bei: Frontiers of Anthropology (abgerufen: 8. Februar 2015; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  7. Siehe dazu z.B. bei Atlantisforschung.de: "Ablauf und Folgen eines Impaktes" (Christian Rother)
  8. Anmerkung: Zu einem solchen endglazialen Vulkan-Inferno siehe bei Atlantisforschung.de z.B.: Graham Hancock, "Das Ende der Eiszeit - Epoche der Katastrophen", Abschnitt: Tausend Krakataus - und alle brechen gleichzeitig aus; es sei aber auch - mit einem kurzen Blick vor die eigene geographische 'Haustür' - an den Lacher-See-Vulkan in der Eifel erinnert, "der vor 12.900 Jahren für die größte quartäre Vulkanexplosion in Mitteleuropa verantwortlich war. Unter dem Seegebiet befindet sich auch heute noch eine Magmakammer, aus der, am Ostufer des Sees zu beobachten, vulkanischer Gase austreten." (Quelle: vulkane.net, abgerufen: 8. Feb. 2015)
  9. Quelle: Frank Joseph, "Survivors of Atlantis: Their Impact on World Culture", Inner Traditions / Bear & Co, 2004, S. 68 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  10. Anmerkung: Eine Ausnahme stellt hier z.B. die hoch spekulative Atlantis-Hypothese von Richard W. Welch dar, der den Tore Seamount, zwischen Portugal und den Azoren gelegen, mit Atlantis in Verbindung bringt. Welch behauptet, der Tore Seamount sei der Überrest eines Supervulkans, der etwa 1640 v.Chr explodiert sei und Atlantis vernichtet habe.
  11. Siehe: Spyridon Marinatos, "The Volcanic Destruction of Minoan Crete', in: Antiquity (13, 1939, S. 425–439)
  12. Siehe: Spyridon Marinatos, "Zur Legende von Atlantis" (Titel eingedeutscht) in: Cretica Chronica (Bd. IV, 1950); sowie in deutscher Sprache bei Atlantisforschung.de: Ders.: "Thera - Ursprung der Atlantis-Legende, Teil I" und "Teil II"
  13. Siehe z.B.: Jürgen Spanuth, "Atlantis - Heimat, Reich und Schicksal der Germanen", 2. Kapitel unter "Vulkanausbrüche", Tübingen, 1965, S. 109-113
  14. Quelle: Axel Hausmann, "Der Diskus von Phaistos: ein Dokument aus Atlantis", BoD – Books on Demand, 2002, S. 230
  15. Siehe dazu z.B.: Stefan Schmitt, "Beginn der Antike: Santorin explodierte 100 Jahre früher", 28. April 2006, bei: SPIEGEL ONLINE; sowie: Věra Klontza-Jaklová, "Datierung der Katastrophe von Santorini - Kurze Zusammenfassung des bisherigen Standes der Forschung und vorherrschende Tendenzen" (Forschungen und Methoden vom Mittelmeerraum bis zum Mitteleuropa. Anodos – Supplementum 4, 13-57.), bei: academia.edu; und: Walter L. Friedrich et al., "Santorini Eruption Radiocarbon Dated to 1627–1600 B.C.", in: SCIENCE, 28 April 2006 VOL 312, online bei academia.edu (alle abgerufen: 11. Februar 2015)
  16. Siehe: Walter L. Friedrich, "Feuer im Meer: Vulkanismus und die Naturgeschichte der Insel Santorin, Spektrum Akademischer Verlag, 1994
  17. Siehe: Rodney Castleden, "Atlantis Destroyed", Routledge, 1998
  18. Siehe bei Atlantisforschung.de: Leben Totgesagte wirklich länger? - Ein Professor in Israel holt die 'Atlantis = Kreta'-Hypothese aus der 'Mottenkiste' (red)

Bild-Quellen:

1) Links: http://usuarios.lycos.es/CULTURA_CLASICA/biografias/platon.jpg (nicht mehr online); rechts: Bild-Archiv Tony O’Connell (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) http://www.geysircenter.is/english/ (nicht mehr online)
3) the volcanism blog, unter: Saturday Volcano Art: Joseph Wright of Derby, ‘Vesuvius from Portici’ (c.1774-6)
4) Russavia / Milan Nykodym from Kutna Hora, Czech Republic, bei Wikimedia Commons, unter: File:Hekla II (15642636575).jpg
5) Steve Jurvetson from Menlo Park, USA / Alex. T. bei Wikimedia Commons, unter: File:The Santorini Caldera.jpg (Lizenz: Creative-Commons, „Namensnennung 2.0 generisch“, US-amerikanisch)
6) Worldtraveller / Kneiphof, bei Wikimedia Commons, unter: File:WikiReader Decade Volcanoes.pdf (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)