Frauen in der Atlantisforschung: Unterschied zwischen den Versionen

K
K
Zeile 111: Zeile 111:
  
 
* [[Marion McMurrough Mulhall]]
 
* [[Marion McMurrough Mulhall]]
 +
 +
* [[Elvira Mercurio Bennici: Atlantide (1982)|Elvira Mercurio Bennici]]
  
 
* [[Henriette Mertz|Dr. h.c. Henriette Mertz]]
 
* [[Henriette Mertz|Dr. h.c. Henriette Mertz]]

Version vom 19. Juni 2020, 14:48 Uhr

Einführende Bemerkungen zu einem bisher noch nicht näher untersuchten Thema

Zum Einstieg in die Materie

Abb. 1 Elena Maria Whishaw (1857-1937), eine der ersten Frauen in der 'Profi-Archäologie' und Pionierin der modernen Atlantisforschung

(bb) Die einleitende Feststellung des Verfassers, dass die Erforschung des Atlantis-Problems, sowohl im schul- als auch im grenzwissenschaftlichen Bereich [1], nach wie vor eine von Männern dominierte Domäne darstellt, darf wohl als evident gelten [2], auch ohne dass dazu statistische Erhebungen oder akademische Untersuchungen vorliegen. Insofern unterscheidet sich dieses Forschungsgebiet, wissenschaftssoziologisch betrachtet, bedauerlicherweise kaum von den meisten anderen Bereichen des 'Wissen produzierenden Forschungs-Systems', sei es im universitären Bezirk, oder auch in der Privatforschung und Citizen Science.

Andererseits darf die Atlantisforschung aber auch als durchaus repräsentativ gelten, was den in der zweiten Hälfte des 19. begonnenen und dann im 20. Jahrhundert vorangetriebenen Einzug von Frauen in die Gefilde der Forschung angeht. Zu den diesbezüglichen Pionierinnen ist an erster Stelle die anglo-hispanische Archäologin Elena Maria Whishaw (Abb. 1) (1857-1937) zu zählen, die ohne jede Scheu in die damalige geschlossene Männerwelt der 'Spatenwissenschaft' (Archäologie) vorstieß und sich dabei bleibende Meriten um die Erforschung der Vergangenheit Andalusiens erwarb. Zudem provozierte sie ihre männliche Kollegenschaft mit der Aussage, der Süden Iberiens sei in der 'Steinzeit' von Atlantiern kolonisiert worden, die dort u.a. Bergbau betrieben. Ihr 1928 erschienenes Buch Atlantis in Andalucia: a study of folk memory [3] ist ein wichtiger Klassiker der atlantologischen Literatur, welcher übrigens noch immer einer Übersetzung ins Deutsche harrt!

Atlantologinnen in der vormaligen UdSSR

Was Frauen in der Atlantisforschung der einstigen Sowjetunion betrifft, so muss muss zunächst einmal Ekaterina F. Hagemeister (1898-1958) genannt werden. Die im heutigen Tallinn in Estland gebürtige Naturwissenschaftlerin - eine Expertin auf dem Gebiet historischer Geographie [4] - wies zwar einen deutlichen Hang zur Metaphysik auf, war aber bezüglich ihrer Forschungen streng empirisch ausgerichtet. In atlantologischer Hinsicht folgte sie, wie zuvor auch E.M. Whishaw, der Vorstellung eines Atlantis im Atlantik. Dazu entwickelte sie Mitte der 1950er Jahre ein Modell zur Erklärung der jüngsten Eiszeit, das Atlantis als eine Art 'Sperrinsel' darstellt, welche viele Jahrtausende lang verhinderte, dass warme Golfstrom in den Nordatlantik vordringen konnte. [5] [6] Aus atlantologie-historischem Blickwinkel ist zudem von Interesse, dass Hagemeister Ende 1957 plante, nach ihrem für Anfang Januar 1958 angesetzten Umzug in die russische Metropole Sankt Petersburg (damals: Leningrad) konkrete Maßnahmen zur Popularisierung des Themas 'Atlantis' und der Atlantisforschung in der UdSSR zu betreiben. Des Weiteren wollte sie sich dem Aufbau organisierter atlantologischer Forschungsstrukturen in Russland widmen. Diese Vorhaben konnte sie allerdings nicht mehr in Angriff nehmen, da sie - kurz nach besagtem Umzug - völlig überraschend an den Folgen eines Herzinfarkts verstarb.

Abb. 2 Das Front-Cover von Ekaterina Wladimirowna Andrejewas bemerkenswertem Buch aus dem Jahr 1961

E.K. Hagemeisters Wunsch, die Atlantisforschung möge in der Sowjetunion populärer werden, erfüllte sich in den folgenden Jahren durchaus, wenn auch nicht in dem von ihr erhofften Umfang. Einen Anteil an dieser Entwicklung hatte die Naturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Dramatikerin Ekaterina Wladimirowna Andrejewa (1900-1970). Im Jahr 1961 veröffentlichte sie ihr Buch В поисках затерянного мира (Атлантида) (zu Deutsch: Atlantis - Auf der Suche nach einer verlorenen Welt) (Abb. 2) [7], in dem sie das Atlantis-Problem und insbesondere die Versuche seiner Lösung aus dem Blickwinkel sowjetischer Wissenschaft vorstellt, wozu sie eine enorme Menge an relevantem Material zu den damals neuesten Forschungsergebnissen aus verschiedenen Bereichen des Wissens, wie Archäologie, Geologie, Ethnographie usw. zusammenstellte.

Anhand ihres Buches wird u.a. deutlich, wie sehr sich der vergleichsweise ergebnisoffene und erstaunlich tolerante Umgang mit der Frage nach der Historizität von Atlantis im sowjetischen Wissenschaftsbetrieb von der rigiden und dogmatischen Haltung in der scientific community des 'Freien Westens' unterschied. Während in der UdSSR WissenschaftlerInnen, wie die Geologin Maria Vasilyevna Klenova (1898–1976) Atlantis problemlos als historisch-geographische Entität darstellen konnten, war und ist eine solche Positionierung für Fachwissenschaftler/innen westlich des vormaligen Eisernen Vorhangs alles andere als ihrer beruflichen Karriere förderlich. [8]

Atlantisforschung und Atlantisforscherinnen in der 'westlichen Welt'

Schon in den Tagen E.M. Whishaws hatte man - oder sollten wir hier besser sagen: 'Mann'? - sich in Fachkreisen an westeuropäischen und amerikanischen Universitäten darauf verständigt, dass es in dieser Sache nur eine einzige legitime Meinung gebe: Atlantis ist eine Erfindung Platons. Seither kann man in der westeuropäischen und amerikanischen Academia in Bezug auf Atlantis entweder mit den 'Leitwölfen' heulen, oder sich mit der Publikation abweichender Meinungen 'die Finger verbrennen'. [9] Somit wird es kaum verwundern, dass sich auch praktisch alle dem Verfasser bekannten, prominenten Fachfrauen aus dem universitären Bezirk, die sich überhaupt mit dem Thema 'Atlantis' befassten, entweder völlig - etwa Dorothy B. Vitaliano, Phyllis Young Forsyth und aktuell Sarah Broadie - oder - wie Germaine Aujac und Ida Rodríguez Prampolini - zumindest tendenziell 'atlantisskeptisch' äußerten.

Für Ausnahmen von dieser Regel sorgten im Wesentlichen zwei Berufswissenschaftlerinnen, nämlich die österreichische Paläontologin Edith Kristan-Tollmann (Abb. 3) (1934-1995) und die amerikanische Forscherin [10] Mary Settegast. Was Dr. Kristan-Tollmann angeht, so war sie nicht nur als Paläontologin eine Ausnahmewissenschaftlern, die in ihren Arbeiten ca. 500 bis dahin unklassifizierte taxa urzeitlicher Mikrofauna beschrieb (eine ungeheure Leistung, die bis heute nicht entsprechend gewürdigt wird), sondern die überzeugte Neo-Katastrophistin leistete als Koautorin des gemeinsam mit ihrem Ehemann und Forschungspartner Prof. Dr. Alexander Tollmann verfassten Buch Und die Sintflut gab es doch [11] [12] (1993) einen bedeutenden Beitrag zur Sintflut-, Atlantis- und Impaktforschung. Obwohl die Forschungsergebnisse der Tollmanns gerade im letztgenannten Bereich inzwischen in wichtigen Punkten überholt sind, gehört noch heute zur deutschsprachigen atlantologischen Referenzliteratur.

Abb. 3 Dr. Edith Kristan-Tollmann (1934-1995)

Jedenfalls erscheint es bezeichnend, dass einerseits Edith Kristan-Tollmanns wesentliche Leistung als Ko-Autuorin des - in echtem Teamwork entstandenen - Werks in der allgemeinen Wahrnehmung lange Zeit regelrecht 'unter den Tisch gekehrt' wurde, sie andererseits aber durchaus (quasi 'gleichberechtigt') in die der Veröffentlichung von Und die Sintflut gab es doch folgende Kritik aus fachwissenschaftlichen Kreisen mit einbezogen wurde. Diese scharfe, bisweilen ad hominem geführte Kritik [13] war eigentlich voraussehbar gewesen, denn die Tollmanns hatten sowohl eine akademisch 'unzulässige' Position hinsichtlich des Atlantis-Problems eingenommen als auch eine Lanze für den in der scientific community verpönten Cenokatastrophismus gebrochen. Damit hatten die beiden AutorInnen quasi 'Häresie' betrieben und nun nahmen sich selbsternannte - um im Bild zu bleiben - 'Inquisitoren' des Wissenschaftsbetriebs, wie es der promovierte Wissenschaftshistoriker Dr. Horst Friedrich 2007 formulierte, "das Recht, wie es ja in der westlichen Kultur stets üblich gewesen war mit Häretikern, sie rücksichtslos zu attackieren, und es dabei mit der Wahrheit nicht so ernst nehmen zu müssen. Man scheute dabei nicht einmal davor zurück, die beiden Autoren als eine Art Pseudowissenschaftler und Dilettanten zu diffamieren, obwohl beide weltweit aktive und geschätzte Forscher und Gelehrte waren..." [14]

Dass es, wenn Atlantis ins Spiel kommt, gar nicht derart massiver Tabubrüche wie jener der Tollmanns bedarf, um Vertreter des fachwissenschaftlichen Establishments 'not amused' reagieren zu lassen, macht das Beispiel der amerikanischen Forscherin Mary Settegast deutlich, die 1987 ein Plato Prehistorian betiteltes Buch [15] präsentierte. Darin "argumentiert Settegast, Platos Dialoge Timaios und Kritias seien teilweise zuverlässige Quellen für eine mündliche Überlieferung, die Erinnerungen enthalte, welche bis in die paläolithischen Kulturen Westeuropas und das neolithische Çatalhöyük zurückreichen. Als vorsichtige Gelehrte versucht sie nicht, Atlantis als einen realen Ort zu identifizieren, und sie stellt die Existenz der Insel in Frage. Stattdessen identifiziert sie vielmehr die von Plato beschriebene Kultur von Atlantis mit der Magdalenién-Kultur (17.000 - 12.000 v. Chr.) [mit deren] Höhlenkunst von Lascaux." [16]

Trotz aller Vorsicht im Umgang mit dem Thema und der unbezweifelbaren fachlichen Kompetenz der Autorin wurden Mary Settegasts Überlegungen [17] nie zum Gegenstand einer nennenswerten wissenschaftlichen Debatte. Auch nach hektisch produzierten, lautstark polternden Kritiken wie jenen, denen sich die Tollmanns ausgesetzt sahen, werden interessierte LeserInnen in diesem Fall vergeblich suchen. Offensichtlich wollte man seitens des fachwissenschaftlichen Establishments keine 'schlafenden Hunde' wecken und u.a. einer möglichen Diskussion zur Neubewertung des Atlantis-Problems aus dem Weg gehen.

Abb. 4 Dr. h.c. Henriette Mertz (1898-1985)

1992 wurde dies anhand einer ziemlich negativen Rezension [18] von Plato Prehistorian im hochkarätigen Altphilologie-Journal Ancient Philosophy deutlich. Darin "wird darauf hingewiesen, dass das Buch von Settegast ungewöhnlich [sic!; bb] sei und der Konsens unter den Klassischen Philologen darin bestehe, dass Platons Dialoge über Atlantis keinen Kern historischer Wahrheit enthalten und Fiktion seien." [19] Natürlich gab es auch positive Kommentare von Wissenschaftlern. So wird z.B. der amerikanische Sozialphilosoph William Irwin Thompson auf dem Buchrücken von Plato Prehistorian mit den Worten zitiert: "Ein sehr origineller und gänzlich faszinierender Blick auf das Ufer zwischen Mythos und Geschichte" [20], aber da er 'fachfremd' ist und nicht den Verhaltensregeln, Paradigmen (bzw. Dogmen!) oder anderen Zwängen der Altphilologen- und Historiker-Zünfte unterliegt, war diese - zudem recht belanglose - Nettigkeit für ihn mit keinerlei beruflichem Risiko verbunden.

Bleiben wir noch ein wenig beim Thema 'wissenschaftliche Häresie' und wenden uns einer weiteren Forscherin und Autorin aus den USA zu, die sich sogar das Prädikat "Serien-Häretikerin" (Engl: serial heretic) erwarb [21], da sie sich als Privatforscherin und Sachbuchautorin konsequent und unerschrocken gegen alle möglichen schulwissenschaftlichen Lehrmeinungen auflehnte. Die Rede ist hier von Henriette Mertz (Abb. 4) (1898-1985), einer echten Ausnahmepersönlichkeit der alternativen Ur- und Frühgeschichtsforschung. Mertz, von Beruf Juristin (als Patentanwältin - patent attorney) und Völkerrechts-Expertin tätig, wurde ihr 1948 vom Western College for Women, Oxford (Ohio) die Ehrendoktor-Würde zuerkannt -, war eine vielseitig talentierte und couragierte Frau. Eines ihrer Interessengebiete war die Geographie, wobei sie (zeitweise in leitender Funktion) der Society of Woman Geographers (SWG) angehörte. Ihrem Faible für Mittel- und Südamerika folgend, unternahm sie insgesamt 14 Reisen dorthin und machte insbesondere dadurch auf sich aufmerksam, dass sie 1940 auf einer dieser Expeditionen mittels Einbaum und Fluss-Schiff den Amazonas von seinem Quellgebiet bis zu seiner Mündung in den Atlantik befuhr. Später wandte sich Mertz auch den Rätseln der menschlichen Kultur- und Zivilisations-Geschichte zu und begann auf diesem Gebiet sehr erfolgreich als Autorin tätig zu werden.

Am bekanntesten wurde Henriette Mertz als Verfechterin diffusionistischer Vorstellungen zu präkolumbischen tranzozeanischen Kontakten zwischen Menschen der Alten und der Neuen Welt. Diesbezüglich behandelte sie vor allem anzunehmende frühe Seereisen von China nach Amerika, wozu sie zwei Bücher publizierte, nämlich ihr 1953 erstveröffentlichtes Werk Pale Ink, und ihr wohl erfolgreichstes Opus mit dem Titel Gods from the Far East aus dem Jahr 1972. Weniger bekannt ist, dass H. Mertz sich auch intensiv mit dem Atlantis-Problem befasste. Die Ergebnisse ihrer diesbezüglichen Studien legte sie 1976 in ihrem Buch Atlantis, dwelling place of the gods vor, in welchem sie eine extravagante Atlantis-Lokalisierung in Nordamerika vorschlug, mit der wir uns an anderer Stelle eingehender befassen.

Abb. 5 Maria Lamas (1893-1985)

Anhand des Lebens und Werks von Henriette Mertz wird jedenfalls deutlich, dass im Bereich der Atlantisforschung tätige Frauen keineswegs in das Klischee-Bild etwas weltfremder oder abgehobener und für Phantastereien anfälliger 'Heimchen' passen, sondern dass sie mit beiden Beinen fest im Leben stehend, nicht selten herausragende Lebensleistungen vorzuweisen hatten und haben. Diesbezüglich sei hier wenigstens kurz auch auf die portugiesische Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin Maria Lamas (Abb. 5) (1893-1985) hingewiesen, welche vor allem als engagierte Feministin und politische Aktivistin bekannt wurde. Lamas, die zur Zeit des diktatorischen Estado Novo-Regimes aufgrund ihre Engagements für die Kommunistischen Partei Portugals (PCP) und für die demokratische Oppositionsbewegung mehrfach verhaftet und interniert wurde, ging von 1962 bis 1969 ins Exil nach Frankreich, wo sie ihren Kampf gegen die Diktatur in ihrem Heimatland fortsetzte und sich weiter in der Frauenbewegung, insbesondere in der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (WIDF) engagierte. Dass sie sich bereits zuvor, noch in Portugal, auch explizit mit dem Atlantis-Problem beschäftigt hatte, wird allgemein kaum erwähnt. Tatsächlich hatte Maria Lamas bereits 1956 ihr Buch Arquipélago de Madeira (Das Archipel von Madeira) veröffentlicht, in welchem sie Platons Atlantis als historisch-geographische Entität identifizierte. Konkret vermutete sie es - der 'klassischen' Atlantis-Lokalisierung folgend - im Atlantischen Ozean, wobei sie annahm, dass die Inseln des Madeira-Archipels zu seinen Überresten gehören. [22]

Zur Entwicklung und Lage in Deutschland

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Situation in Deutschland [23] [24], wo die Anstellung von Frauen in akademischen Positionen bis in die 1950er Jahre eine Ausnahmeerscheinung darstellte. [25] Der 'Konkurrenzdruck', dem Frauen sich hierzulande im universitären Bezirk ausgesetzt sahen, war womöglich noch stärker als in anderen Ländern. Dazu bemerkte vor einigen Jahren eine Zeitzeugin, die Ethnologin Josefine Huppertz (* 1922), im Gespräch mit dem Verfasser: "Um damals als Frau im Wissenschaftsbetrieb zu bestehen, dich langfristig durchzusetzen und voranzukommen, musstest du in jeder Hinsicht deutlich besser sein als die männlichen Kollegen. Aber wenn du dann wirklich besser warst, bekamst du schnell Neid und Missgunst der Herren in deiner Umgebung zu spüren. Natürlich gab es immer auch wohlwollende Kollegen, aber viele reagierten geradezu allergisch auf erfolgreiche Frauen, mit denen sie es in ihrem beruflichen Umfeld zu tun bekamen." [26]

Abb. 6 Dr. Christiane Dittmann (1953-2012)

Bekenntnisse zu außenseiterischen fachlichen Positionen waren - und sind - unter solchen Bedingungen gerade für junge Akademikerinnen alles andere als förderlich für ihre berufliche Karriere. [27] Auch Huppertz, die als 'bekennende' Diffusionistin ohnehin vorsichtig operieren musste, zog es vor, besonders kontroverse Aussagen zur kulturellen Entwicklung der Menschen des späten Paläolithikums - insbesondere zu entwickelter Hochsee-Schiffahrt in jener Periode - erst nach Abschluss ihrer akademischen Laufbahn zu veröffentlichen [28]

Offenbar wird speziell das Thema 'Atlantis' gerade von Berufswissenschatlerinnen aus den relevanten Fachwissenschaften hierzulande so sehr gemieden, dass es aus ihren Reihen augenscheinlich nicht einmal erwähnenswerte Publikationen gibt, welche es der vorherrschenden Lehrmeinung (Fiktionalitäts-These) folgend abhandeln - dem Verfasser sind derzeit jedenfalls keine solchen Arbeiten bekannt. Merke: mit Platons Atlantis lässt sich - so oder so - in der deutschsprachigen Academia kein 'Blumentopf' gewinnen! Generell lässt sich jedenfalls sagen, dass es sich bei ForscherInnen und AutorInnen, die dazu publizieren, fast immer um so genannte 'LaienforscherInnen' handelt - für den Bereich der Autorinnen in Deutschland seien hier Heidrun Beißwenger (die in atlantologischer Hinsicht auf den Spuren Jürgen Spanuths wandelt) und Doris Manner (sie entwickelte und verficht eine Atlantis-Lokalisierung bei Hohwacht an der Ostsee [29]) genannt -, die im universitären Wissenschaftsbetrieb nicht rezipiert oder zur Kenntnis genommen werden.

Ein 'Lied' von der Arroganz gerade männlicher Berufswissenschaftler gegenüber vermeintlichen Laien wusste übrigens die promovierte Geographin Dr. Christiane Dittmann (Abb. 5) (1953-2012) zu 'singen', Die Forscherin, welche hauptberuflich im Schuldienst an einem Regensburger Gymnasium tätig war, begann sich 1991 anlässlich einer Urlaubsreise nach Malta für das mediterrane Archipel und seine Urgeschichte zu interessieren. Im Verlauf ihrer langjährigen Studien fielen ihr die Parallelen zwischen der maltesischen Prähistorie und Platons Atlantisbericht auf. Daraus entwickelte sie eine komplexe Theorie zur Atlantis-Lokalisierung [30], wozu sie später einräumte, sich zu Beginn ihrer diesbezüglichen Forschung noch "geniert" zu haben, da es "zu diesem Thema" auch "genug unseriöse Veröffentlichungen" gebe. [31]

Kontroversen zwischen Dr. Dittmann und konventionellen Geologen und Archäologen, die sich mit Malta befassten, blieben nicht aus, zumal sie den Vertretern beider Fachwissenschaften mangelnde Interdisziplinarität und Kooperation vorwarf, was es letzteren z.B. unmöglich macht, die (nicht nur von ihr postulierten) katastrophischen Umstände des Untergangs der maltesischen Megalithkultur zu erkennen. Während einer Diskussion zu diesem Themenkreis bekam sie dann allen Ernstes vom einem jener Herren zu hören, sie sei doch gar nicht qualifiziert, um so etwas beurteilen zu können. Schließlich sei sie ja keine richtige Wissenschaftlerin, sondern "nur [eine] Lehrerin"!

Ein vorläufiges Fazit

Wie zu zeigen war, stellen Frauen in der Atlantologie - sowohl im enger (Forschung) als auch im weiter gefassten Bereich (z.B. Fach-AutorInnenschaft) eine durchaus relevante Minderheit dar, deren Angehörige seit Jahrzehnten Impulse geben und Akzente setzen. Die nahe liegende Frage, ob es auch so etwas wie eine 'typisch weibliche' Form der Atlantisforschung gibt, möchte der Verfasser allerdings mit einem eindeutigen 'Nein' beantworten. [32] Wie auch bei ihren männlichen Kollegen, reicht das Spektrum der Atlantologinnen von hartnäckig viele Jahre hindurch der Thematik verhafteten Enthusiastinnen, die nicht selten auch in verwandten Forschungs- oder Fachgebieten (z.B. Diffusionismus) zu Hause sind, bis hin zu Frauen, die eine zeitweilige aber intensive Beschäftigung mit der Thematik pflegen, dann abschließend z.B. ein Papier oder auch ein Buch / Kapitel veröffentlichen, und sich danach anderen Themen zuzuwenden.

Wie auch bei männlichen Atlantisforschern zu beobachten, entwickeln Atlantologinnen entweder eigene (neue) Thesen zu Spezial-Problemen [33] oder komplexe Theorien in Hinsicht auf den Versuch einer Atlantis-Lokalisierung, schließen sich bereits bestehenden Modellen an, die sie modifizieren, oder befassen sich mit der deskriptiven Beschreibung des Atlantis-Problems und der Versuche seiner Lösung. Und zum Schluss lässt sich natürlich auch feststellen, dass - wiederum ebenso wie bei den Männern - die Qualität der Resultate ihres Schaffens ein breites Spektrum umfasst, das von einer gewissen 'Laienhaftigkeit' bis zu einem Privatgelehrtentum reicht, welches akademischen Ansprüchen durchaus gerecht wird.

Liste von Forscherinnen und Autorinnen in Sachen Atlantis


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Das Feld der 'Atlantis-Esoterik' und den Gesamtkomplex des Atlantismus klammert der Verfasser hier bewusst als nicht zu unserem Thema gehörig aus.
  2. Vergl. dazu bei Atlantisforschung.de unsere "Personalia atlantologica - Das WHO is WHO der Atlantisforschung".
  3. Anmerkung: Whishaws Werk wurde 1997 unter dem Titel Atlantis in Spain neu aufgelegt. Diese Ausgabe ist nach wie vor erhältlich.
  4. Quelle: Alexander Voronin, "МЕТАФИЗИКА И НАУКА В ЖИЗНИ ЕКАТЕРИНЫ ХАГЕМЕЙСТЕР" (METAPHYSIK UND WISSENSCHAFT IM LEBEN VON EKATERINA F. HAGEMEISTER), bei delphis.ru (abgerufen: 20. Januar 2019)
  5. Siehe dazu z.B.: E.F. Hagemeister, "Lednikovy perıod i Atlantida" ("Das Eiszeitalter und Atlantis"), in: Priroda No. 7, S. 92-94, UdSSR, 1955
  6. Anmerkung: Diese Vorstellung von Atlantis als einer den Golfstrom abblockenden 'Sperrinsel' im Atlantik wurde im Westen etwa zeitgleich von dem österreichischen Ingenieur und Atlantisforscher Otto Heinrich Muck (1892-1956) popularisiert. Siehe: Otto Muck, "Atlantis – gefunden. Kritik und Lösung des Atlantis-Problems", Stuttgart (Victoria-Verlag M. Koerner), 1954; sowie: Ders., "Atlantis – die Welt vor der Sintflut", Olten (Walter-Verlag), 1956
  7. Siehe: Андреева Екатерина Владимировна (Ekaterina Wladimirowna Andrejewa), "В поисках затерянного мира. (Атлантида)" (V poiskakh zateri︠a︡nnogo mira (Atlantida), Leningrad (Detgiz), 1961
  8. Anmerkung: Der niederländische Atlantologe Willem H. Zitman brachte den Sachverhalt vor einigen Jahren folgendermaßen auf den Punkt: "Über Atlantis zu publizieren, führt heutzutage mit ziemlicher Sicherheit zu Reputationsschäden."
  9. Anmerkung: Gewissermaßen eine Sonderstellung nehmen in diesem Schema die 'kretominoischen Atlantis-Hypothesen' ein, die besagen, Platons Atlantis stelle eine Bezugnahme auf das minoische Kreta und / oder die Vulkaninsel Thera (heute: Santorin) dar. Solche Überlegungen genießen in weiten Teilen der scientific community eine gewisse Akzeptanz und gelten zumindest als 'reputierlich' und im Grundsatz diskussionsfähig. Der Grund für diese Sonderbehandlung dürfte darin liegen, dass besagte Annahmen häufig als Inspirations-Hypothese eingestuft werden können und sich insofern auch im Sinne der Fiktionalitäts-These auslegen lassen. Namhafte Vertreterinnen der kretominoischen Hypothese' sind die italienische Schriftstellerin Luana Monte und die britische Wissenschaftsjournalistin Bettany Hughes.
  10. Anmerkung: Leider wird in keiner der dem Verfasser zugänglichen Quellen angegeben, welchen fachwissenschaftlichen Hintergrund Settegast hat, und ob (oder wo) sie als Berufswissenschaftlerin arbeitet. Ihre Forschungsarbeit wird in der Wissenschaftsgemeinde jedenfalls im Grundsatz als solche anerkannt und auch ihre Atlantis-Publikation wird zumindest vereinzelt rezipiert.
  11. Siehe: Alexander u. Edith Tollmann, "Und die Sintflut gab es doch. Vom Mythos zur historischen Wahrheit", München (Droemer Knaur), 1993
  12. Siehe umfassend in die Thematik des Werks einführend und erläuternd auch: (Univ.-Doz. Dr.) Edith Kristan-Tollmann und (Univ.-Prof. Dr.) Alexander Tollmann, "Der Sintflut-Impakt - The Flood impact", in: Mitteilungen der österreichischen geologischen Gesellschaft 84 (1991), S. 1-63 (online als PDF-Datei; abgerufen: 24. Januar 2019)
  13. : Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: Prof. Dr. Alexander Tollmann, "Und die Sintflut gab es doch (1993) - 'Wissenschaftliche' Reaktionen" (2003)
  14. Quelle: Dr. Horst Friedrich, "Alexander Tollmann: UND DIE WAHRHEIT SIEGT SCHLIESSLICH DOCH!" (Rezension), Atlantisforschung.de, 2009 (verfasst: 2007)
  15. Siehe: Mary Settegast, "Plato, prehistorian - 10'000 to 5'000 B.C. in myth and archaeology", Cambridge, Massachusetts (Rotenberg Press), 1987 (2. Auflage: Hudson, N.Y. (Lindisfarne Press), 1990
  16. Quelle: Wikipedia - The Free Encylopedia, unter: "Mary Settegast" (abgerufen: 22. Januar 2019; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  17. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: Ferdinand Speidel, "Die Prähistorie von 10.000 bis 5.000 v. Chr. in Mythos und Archäologie" -'Eine Rezension von Mary Settegasts Plato Prehistorian – 10.000 to 5.000 BC in Myth and Archeology
  18. Siehe: A. W. H. Adkins, "Plato Prehistorian (Review)", in: Ancient Philosophy 12(1), 1992, S. 185-186
  19. Quelle: Wikipedia - The Free Encycloprdia, unter: "Mary Settegast" (abgerufen: 24. Januar 2019; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  20. Quelle: ebd.
  21. Quelle: Tony O’Connell, "Mertz, Henriette", 18. Oktober 2009, in: Atlantipedia.ie (abgerufen: 27. Januar 2019)
  22. Siehe: Maria Lamas, "Arquipélago da Madeira - Maravilha atlântica" (Archipel von Madeira - Atlantisches Wunder),Funchal, 1956
  23. Anmerkung: Eigentlich sollte hier von der 'Situation im deutschsprachigen Raum' die Rede sein, aber was es über Frauen & Atlantologie aus Österreich und der deutschsprachigen Schweiz zu berichten gibt, hält sich in sehr engen Grenzen. In Hinsicht auf Österreich ist - neben Dr. Edith Kristan-Tollmann (siehe oben) - allenfalls auf die studierte Wiener Ethnologin und Philosophin Dr. Christine Pellech zu verweisen, eine international bekannte Verfechterin des modernen Diffusionismus und der Annahme weit präkolumbischer transozeanischer Kontakte zwischen Menschen der Alten und der Neuen Welt. Gezwungenermaßen fernab des universitären Bezirks (in der österreichischen Academia geht man offenbar noch restriktiver mit außenseiterischen Positionen um als in der deutschen) vertritt sie eine Atlantis-Lokalisierung im Gebiet der Karibik (im Golf von Batabanó vor der heutigen Küste Kubas). --- Die deutschsprachige Schweiz betreffend, gibt wohl nur einen - dafür aber wissenschaftsgeschichtlich und atlantologie-historisch relevanten - Vorgang, der im Kontext des hier vorgelegten Beitrags von Bedeutung ist: Im Jahr 2002 bestand die Gymnasiastin Sarah Steiner mit ihrer Matura-Arbeit "Atlantis - Mythos oder Wirklichkeit - Eine physisch geographische Untersuchung" an der Kantonsschule Zug nicht nur ihre Reifeprüfung, sondern erlangte damit de facto auch so etwas wie einen 'offiziellen Befähigungsnachweis' für atlantologische Forschung. Leider ist dieses wichtige Dokument nicht mehr online abrufbar, da die Autorin, wie die Kantonsschule Atlantisforschung.de auf Anfrage mitteilte, keine weitere Veröffentlichung wünscht.
  24. Anmerkung: in Hinsicht auf die vormalige DDR ist festzustellen, dass das Thema 'Atlantis' bzw. das Atlantis-Problem dort keineswegs mit der selben Offenheit wie in der Sowjetunion behandelt wurde. Vielmehr scheint es dort regelrecht verpönt gewesen zu sein. Derzeit ist uns jedenfalls aus der DDR nur eine einzige atlantologische Publikation in Buchform bekannt - und die wurde von einem Mann verfasst. Siehe: Günther Kehnscherper, "Auf der Suche nach Atlantis", Leipzig (Urania-Verlag) 1990. (Das Buch erschien also erst kurz vor dem 'Zusammenbruch' der DDR.)
  25. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter "Frauen in der Wissenschaft", Abschnitt: "Deutschland" (abgerufen: 26. Januar 2019)
  26. Quelle: Josefine Huppertz in einem Telefonat (2003) mit Bernhard Beier; zit. nach einer Gesprächsnotiz des Verfassers.
  27. Anmerkung: In einer kurzen Korrespondenz mit dem Verfasser schrieb ihm vor einigen Jahren eine Archäologie-Studentin, sie interessiere sich sehr für das Atlantis-Problem und ginge davon aus, dass Platons Atlantiserzählung tatsächlich keine Erfindung sei und harte historische Kerne enthalte. Sehr gerne würde sie darüber mit ihren KomilitonInnen und Professoren diskutieren, traue sich aber nicht, da sie befürchten müsse, lächerlich gemacht zu werden. Ein Student der Ägyptologie, den der Verfasser für Atlantisforschung.de um die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung eines sehr interessanten Artikels von ihm bat, antwortete, er persönlich habe zwar nichts dagegen, müsse die Bitte aber trotzdem ablehnen, da er anderenfalls Nachteile hinsichtlich seines Studiums zu befürchten habe, sofern dies bekannt werde. Sein Professor reagiere nämlich höchst ungehalten, wenn das Thema 'Atlantis' zur Sprache komme. Zudem ließ ein gestandener Akademiker aus dem Bereich der Geschichtswissenschaft den Verfasser wissen, dass er als graduierter Student eigentlich vorhatte, zum Thema 'Atlantis' zu promovieren, was von den zuständigen Professoren rundweg abgelehnt wurde.
  28. Siehe diesbezüglich vor allem: Josefine Huppertz, "Das Weltbild des 21. Jahrhunderts - entdeckt schon im Paläolithikum?" - Felsbilder in Nordspanien und die Weltkarte des Piri Re'is von 1513 ermöglichen einen Einblick in die Weltkenntnis der Menschen früherer Jahrtausende, Felicitas Hübner Verlag, 2002
  29. Siehe: Doris Manner, "Die versunkene Stadt - Atlantis entdeckt" (1991); Überarbeitete Neuauflage unter dem Titel: "Die Märchenstadt in der Ostsee", BoD, 2016
  30. Siehe: Christiane Dittmann, "Geheimnis Malta - Auf der Suche nach der versunkenen Zeit", Lappersdorf (Kerschensteiner Verlag), 2001
  31. Quelle: Antje Karbe, "Dem Geheimnis einer versunkenen Kultur auf der Spur - Regensburger Geografin Christiane Dittmann forschte auf Malta / Ihre Theorien schreiben die Geschichte der Insel neu", Mittelbayerische Zeitung (Regensburg), Dienstag, 20. Mai 2003 (Artikel nicht mehr online)
  32. Anmerkung: Diese Aussage bezieht sich ausdrücklich nicht auf individuelle Formen des Wissenserwerbs, des Verarbeitens von Erkenntnissen usw. Ob diesbezüglich Spezifika zum Tragen kommen, die sich womöglich als 'geschlechtsspezifisch' ausmachen lassen, kann und will der Verfasser nicht beurteilen.
  33. Anmerkung: Als konkretes Beispiel sei hier die US-amerikanische Meeresbiologin Rachel Louise Carson (1907-1964) angeführt (sie brachte die Doggerbank in der Nordsee als Kandidatin für die Atlantis-Lokalisierung ins Gespräch), die 1951 erstmalig die erste so genannte 'Storegga-Rutschung' (ca. 6200 v.Chr.) als Ursache der Atlantis-Katastrophe nominierte.

Bild-Quellen:

1) Huellas de Mujeres Geniales, unter: Elena Whishaw
2) knigogid.ru, unter: "В поисках затерянного мира (Атлантида)"
3) Harald Lobitzer, "Edith Kristan-To11mann 14.4. 1934-25.8.1995", Wien, 1996 (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)
4) pygmi.gr, unter: "Άγνωστοι Φιλέλληνες: Henriette Mertz και τα υπερπόντια ταξίδια των Ελλήνων" (Bildbearbeitung durch Atlantisforschung.de)
5) João Esteves, Silêncios e Memórias, unter: Maria da Conceição Vassalo e Silva da Cunha Lamas
6) Bild-Archiv Bernhard Beier / Atlantisforschung.de (von ihm lizenzfrei nutzbar gemacht. Siehe: Wikimedia Commons, unter: File:Atlantis researcher Dr Christiane Dittmann (1953-2012).jpg)